Corona macht den Teenagern zu schaffen, das verändert auch die Arbeit der Jugendhäuser

Eine Sturm- und Drangphase in den vier Wänden des Kinderzimmers. Ein erstes Verlieben auf eineinhalb Meter Distanz, eine Fussballerkarriere ohne Training, eine Lehrstellensuche ohne Schnupperlehre, daheimbleiben bei den Eltern, obendrauf Sperrstunde, Maskenpflicht, Versammlungsverbot.

Corona schränkt alle ein. Aber wohl keine Altersgruppe so sehr wie die der Teenager und jungen Erwachsenen. In einer Zeit, in der sie sich vom Elternhaus lösen, auf eigenen Beinen zu stehen kommen sollten, ist ihnen praktisch alles untersagt. Und die nächsten Verschärfungen stehen an, von der Kälte ganz zu schweigen. An eine Rückkehr zur Normalität ist nicht zu denken.

Abnabeln, ausprobieren, erfahren – all das geht nicht

Wie soll man seinen Platz in der Gesellschaft finden, wenn da kein Gegenüber ist, keine Möglichkeit der Reflexion? Ein Problem, mit dem sich Frank Fischer, Leiter des Jugendkulturhauses Flösserplatz, und Christoph Rohrer, Leiter der Jugendarbeit Aarau, im Moment täglich auseinandersetzen. «Teenager müssen sich ausprobieren, Erfahrungen sammeln, sich vom Elternhaus abnabeln. Wenn sie das nicht können, leiden sie», sagt Rohrer.

Die Arbeit der beiden Aarauer Jugend-Teams hat sich in den letzten Monaten stark verändert. Das Ursprüngliche, das Organisieren von Veranstaltungen (im Flössi) und das Zusammensein bei Workshops oder einfach so (im Wenk), ist in den Hintergrund gerückt. War es während des Lockdowns mitunter eine vermittelnde Rolle zwischen Jugendlichen und Quartierbewohnern, welche die Jugendarbeit einnahm, geht es seit einigen Wochen vor allem um eines: um die psychische Gesundheit.

Besonders angezogen habe dies seit den Sommerferien, mit dem Beginn der Lehrstellensuche. «Viele merken, dass ihnen wegen des Lockdowns Schulstoff fehlt, andere können nirgends schnuppern», sagt Rohrer. Diese Ungewissheit belastet, es ist eine doppelte Perspektivlosigkeit: Wie geht es mit Corona weiter? Und wie mit mir?

Fischer und Rohrer erleben aktuell Extreme: Jugendliche, die nicht mehr aus dem Haus gehen, sei es aus eigener Angst oder auf Anweisung der Eltern, und andere, die sich einen Deut um Massnahmen scheren. Was ihnen bleibt, ist das Gespräch. Unterstützend bei den einen, sensibilisierend bei den anderen. Das eine über soziale Medien, das andere im Rahmen der aufsuchenden Jugendarbeit, jeden Mittwochnachmittag und Freitagabend. Sprechen sie Jugendliche in der Gruppe und ohne Maske auf ihr Fehlverhalten an? Ja, sagt Rohrer. «Unsere Aufgabe ist es, die Jungen zu sensibilisieren. Und mit gutem Beispiel voranzugehen.»

Und dann gibt es natürlich die Jugendlichen dazwischen, die sich einfach etwas Normalität wünschen. Davon gibt es viele, aber allen helfen können weder das Team vom Flössi noch das vom Wenk in dem Ausmass, wie sie das gerne möchten.

Mit vereinter Kraft gegen die Langeweile

Das «JAAreal», der Treffpunkt für junge Erwachsene zwischen 16 bis 25 Jahren im Flössi, den die beiden Institutionen nun gemeinsam aus dem Boden gestampft haben, war die letzten Male voll belegt – mit 15 Personen. «Mehr dürfen wir nicht reinlassen, so sind die Regeln», sagt Fischer. Zwar wäre es möglich, in den Räumen des Flössi verschiedene Treffs à 15 Personen anzubieten, es scheitert aber an den Toiletten: Die Gruppen dürfen sich nicht vermischen. Mehr Platz bleibt im Wenk, das wegen seiner Altersbeschränkung auf 16 Jahre von 41 Personen besucht werden kann (ab 12 Jahren mit Maskenpflicht). «Wir sind nicht voll, aber gut genutzt», sagt Rohrer.

Um den Jugendlichen die Langeweile zu nehmen, spannen Flössi und die Jugendarbeit Aarau und Küttigen auch die kommenden Wochen zusammen. Sie haben ein Angebot mit Workshops zusammengestellt, von Fotografie über Graffiti, Barkeeping bis Rap. Dazu kommen regelmässige Live-Streams mit Talks und Konzerten oder das Projekt Freiraum, in dessen Rahmen die Jugendlichen tagsüber die Räume nutzen können. «Ein klitzekleiner Tropfen auf den heissen Stein», nennt es Rohrer. Gerne würden sie noch mehr tun. Aber es scheitert am Personal. Und an der Situation an und für sich: «Seit Corona verschwenden wir so viel Zeit darauf, Sicherheitskonzepte den neusten Regelungen anzupassen und Programme mehrspurig aufzugleisen, ausgerichtet auf alle Eventualitäten», sagt Fischer. Damit gehe viel Zeit verloren. Zeit, die die Jugendlichen jetzt dringend nötig hätten.