Dagmersellen will Sozialhilfebezüger selber in den Arbeitsmarkt reintegrieren.

Sie räumen Mobiliar aus dem ehemaligen Kindergarten Chilefeld oder leeren die Kehrichteimer auf dem Schulareal. Sie, das ist zum einen Lukas Gantner, Sozialpädagoge der Gemeinde Dagmersellen, zum anderen eine Gruppe Sozialhilfebezüger, ebenfalls aus Dagmersellen. Seit einem halben Jahr erledigen sie vier halbe Arbeitstage die Woche handwerkliche Arbeiten, die in der Gemeinde anstehen. Im Juli startete Dagmersellen mit dem Arbeitsintegrationsprogramm GAP.

In einer ersten Phase sollen die Sozialhilfebezüger lernen, pünktlich und zuverlässig zu sein. In einer zweiten Phase geht es um das Durchhaltevermögen, ferner um selbstständiges Arbeiten. Nach einem halben Jahr sollen die Teilnehmenden in einer letzten Phase ein Praktikum bei einer Firma absolvieren. Damit will Dagmersellen Leute, die bereits länger aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind oder den Einstieg nie richtig geschafft haben, beruflich integrieren.

Enge, individuelle Begleitung

Das Programm ist für Sozialhilfebezüger auf ein halbes Jahr beschränkt. Denn es soll nicht zum Selbstläufer oder zur Dauerstelle werden, sagt Anja Vögele, die das Konzept für ihr Studium entwickelt hat, und als Sozialarbeiterin in Dagmersellen tätig ist. Die Gemeinde ist zurzeit die einzige in der Region, die ein solches Projekt anwendet. Der grosse Vorteil: die enge und individuelle Begleitung. Vorher waren die Sozialhilfebezüger in verschiedene Programme ausserhalb der Gemeinde verteilt – beispielsweise in Wolhusen oder der Stadt Luzern. Zudem habe die Arbeit in unserer Gesellschaft einen hohen Anerkennungswert, sagt Anja Vögele. Während der Arbeit könnten sich auch ganz andere Gespräche entwickeln, und die Personen würden sich dabei eher öffnen als am Bürotisch, sagt Lukas Gantner. «Zudem stellen sich bei der Arbeit kleine Erfolgserlebnisse ein. Solche Menschen haben teilweise schon lange keine Erfolgserlebnisse mehr erfahren.»

Bevor Sozialhilfebezüger aber mit dem gelernten Zimmermann im Dorf unterwegs sind, gibt es Vorgespräche. «Wenn jemand in einem IV-Verfahren ist, macht das Programm nicht viel Sinn», sagt Anja Vögele. Zurzeit sind bis zu fünf Personen im Programm. Mit allen fünf Personen kann Gantner aber nicht rechnen, da einige auch mit gesundheitlichen Problemen kämpfen. Wenn jemand ohne Grund der Arbeit fernbleibt, kann es aber durchaus sein, dass der Sozialpädagoge plötzlich an der Tür des Sozialhilfebezügers steht. «Bei uns gibt es keine Kündigung, aber im Arbeitsmarkt schon», sagt Lukas Gantner. «Dann muss ich mit der Person eine Strategie ausarbeiten, damit sie künftig pünktlich ist.» Als Sanktionsmassnahme bleibt ihnen letztlich immer noch die Kürzung von Sozialhilfegeldern.

Zweijähriger Pilotversuch

Ziel ist es, mit den Teilnehmenden nach dem halbjährigen Arbeitseinsatz für die Gemeinde einen Praktikumsplatz in der Privatwirtschaft zu finden. Von denjenigen, die bisher im Programm mitarbeiten, hat noch niemand eine Stelle. Lukas Gantner coacht Sozialhilfebezüger zurzeit im Schreiben von Bewerbungen und baut ein Netzwerk von Firmen auf, die am Projekt interessiert sind. In den Augen der Projektverantwortlichen bestünden eigentlich nur Vorteile: Denn sie vermitteln lediglich Personen, die über grundlegende Arbeitsmarktfähigkeiten verfügten und ins Arbeitsprofil passten. Zudem werden die Firma und die GAP-Teilnehmenden während dem Praktikum durch den GAP-Verantwortlichen begleitet. Die Entlohnung läuft über die Gemeinde.

Das Arbeitsintegrationsprogramm ist ein Pilotversuch für zwei Jahre. Eine Bilanz will die Gemeinde erst nach diesen zwei Jahren ziehen. Jetzt sei es noch zu früh, sagt Anja Vögele. «Wir können noch nicht von Erfahrungswerten sprechen.» Für sie ist aber auch klar: «Ich bin nicht blauäugig an das Projekt herangegangen: mit dem Projekt bringen wir nicht in kurzer Zeit Leute von der Sozialhilfe in den ersten Arbeitsmarkt.»