«Darf man Steaks noch essen?»: Bundesrat soll Folgen des Fleischverzichts beleuchten

Fleisch als Politikum: «Als wären es Zigaretten»

Wie viel Fleisch ist sinnvoll? Sollen staatliche Stellen dessen Absatz fördern? Und braucht es eine spezielle Klima-Steuer auf Fleischwaren? Solche Fragen stehen im Mittelpunkt der Debatte, die auch die Schweiz erreicht hat. Für eine veritable Polemik sorgte kürzlich eine Empfehlung des Bundesamts für Umwelt, Apéros mehrheitlich fleischlos zu halten.

Die Forderungen und Verlautbarungen in der Causa Fleisch sind vielfältig. «Manche sprechen über Fleisch, als wären es Zigaretten», fasste SVP-Nationalrat und Fleischfachmann Mike Egger jüngst in dieser Zeitung die Stimmungslage aus seiner Warte zusammen. Viele Tiere würden hierzulande tierfreundlicher und umweltschonender gehalten, als es das Gesetz verlangt. Der Branchenverband Proviande bezeichnet die klimapolitische Diskussion als «Herausforderung». Man wolle sich «verstärkt dafür einsetzen, dass die Branche sich für ihre Tätigkeit nicht rechtfertigen muss». So soll Schweizer Fleisch etwa noch stärker als hochwertiges Produkt positioniert werden.

Derweil forderte Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli gegenüber der Redaktion von CH Media: «Wir müssen aus der Massentierhaltung aussteigen.» Tierschutzorganisationen haben bereits die nötigen Unterschriften für eine Volksinitiative gegen Massentierhaltung zusammen. In Vorstössen fordern linke Politiker zudem, dass der Bund die Absatzförderung von Fleisch nicht mehr unterstützt. Rund sechs Millionen Franken wendet er dafür jährlich auf. Zuletzt erteilte das Bundesparlament vor zwei Jahren entsprechenden Forderungen eine Absage. Aktuell ist ein weiterer Grünen-Vorstoss zum Thema hängig. Der Bundesrat betont, dass bei der Absatzförderung «nicht die quantitative Steigerung des Fleischkonsums» im Vordergrund stehe, sondern – wie es im Beamtenjargon heisst – «die Schaffung von Präferenzen für Landwirtschaftsprodukte schweizerischer Herkunft». (sva)

Der Walliser CVP-Nationalrat Benjamin Roduit hat sich in Rage geschrieben. «Das Lebensmittel Fleisch ist seit geraumer Zeit einem regelrechten, oft sehr einseitigen Hype seitens der Medien, aber auch Teilen der Gesellschaft ausgesetzt», warnt der Politiker gleich im ersten Satz eines Vorstosses, den er soeben im Parlament eingereicht hat. Provokativ ist schon dessen Titel: «Darf man Steaks überhaupt noch essen?» Die Frage ist natürlich rhetorisch zu verstehen.

Aktuell gehe es vor allem um Fragen des Tierwohles, der Umwelt und des Klimas. Für Roduit stellen sich aber auch solche zur Ernährung und Gesundheit. Denn:

Schliesslich, findet der Christlichdemokrat weiter, sei der Mensch nicht umsonst «von seiner Entwicklung her ein Allesesser». Überhaupt bewegten sich die Bevölkerungsanteile von Vegetariern oder Veganern weiterhin bloss im einstelligen Prozentbereich, laut Roduit werden sie «oft überschätzt».

Auch wenn der Fleischkonsum in der Schweiz jüngst zurückgegangen ist, wurde weltweit betrachtet nie zuvor so viel Fleisch gegessen wie heute. Und wohl nie zuvor war der Konsum so umstritten, erst recht im Zuge der Klimadebatte. Viele Menschen haben angefangen, ihren Konsum zu hinterfragen. Fleisch ist definitiv zum Politikum geworden.

Roduit nervt sich über diese Entwicklung. Deshalb holt er nun zum Gegenschlag aus. Der CVP-Nationalrat will, dass der Bundesrat handelt. In einem Postulat fordert er von der Regierung einen Bericht über die negativen Auswirkungen eines Fleischverzichts auf die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung. Den Vorstoss unterschrieben haben auch andere CVP-Vertreter, darunter der St. Galler Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter.

Mehr über Mangelerscheinungen erfahren

Die Parlamentarier verlangen wissenschaftliche Daten – und kehren dafür quasi den Spiess um: Sie wollen mehr über Mangelerscheinungen wissen. Darüber also, wie sich der Verzicht von Fleisch negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Die Studie soll «objektive Ernährungsempfehlungen» für einen «verantwortungsvollen Fleischgenuss» ausarbeiten, wie es Roduit formuliert.

Nun ist es allerdings nicht so, dass die Behörden mit diesen Fragestellungen völliges Neuland betreten würden. Schon vor fünf Jahren veröffentlichte die Eidgenössische Ernährungskommission zuhanden des Bundes eine umfangreiche Stellungnahme, in der sie die Zusammenhänge zwischen Fleischkonsum und Gesundheit beleuchtete. Ausführungen dazu, dass rote Fleischsorten beispielsweise Herzleiden begünstigen könnten, finden sich im Experten-Bericht ebenso wie ein Kapitel mit dem Titel «Gesundheitliche Aspekte der fleischlosen Ernährung» oder Hinweise zur Unterversorgung mit gewissen Nährstoffen bei veganer Kost.