
Das Aarburger Neujahrsblatt ist eine Reise ins Hier, Jetzt und Damals
«Das Neujahrsblatt ist identifikationsstiftend»
Nachgefragt bei Heinz Hug (63), Leiter des Redaktionsteams Aarburger Neujahrsblatt.
Heinz Hug, was ist im neuen Aarburger Neujahrsblatt 2018 anders?
Heinz Hug: Der eigentliche grosse «Kick» war ja, als wir vorletztes Jahr auf Farbdruck umgestellt haben. Dank der guten Zusammenarbeit mit den ZT Medien ist uns auch in diesem Jahr eine ansprechende Publikation gelungen. Es finden sich wieder viele interessante Berichte darin. Wir vermitteln ein positives Bild von Aarburg in schweren Zeiten.
Es heisst, auch das Neujahrsblatt spüre die Ausgabenbremse …
Betrachtet man rein Aufwand und Ertrag, müsste man das Neujahrsblatt einstellen. Wir verteilen jährlich rund 3800 Ausgaben mit Einzahlungsschein in die Aarburger Haushalte. Letztes Jahr zahlten davon nur 260 Haushalte einen Obolus ein. Wir brauchen aber rund das Doppelte, um nicht defizitär abzuschliessen. Das Redaktionsteam erhält von der Gemeinde keine finanzielle Unterstützung und ist auf die Inserenten, Sponsoren und Verkäufe angewiesen.
Der Preis von 20 Franken ist fair …
Alle Autoren arbeiten ohne Entgelt, dieses Jahr waren allein am Inhalt zehn Personen beteiligt. Der Aufwand beträgt total rund 140 Stunden. Teilweise sind intensive Recherchen nötig, was besonders viel Zeit kostet.
Ihnen und Ihren Kollegen käme es nicht in den Sinn, aufzuhören?
Das Neujahrsblatt gibt es seit 1962, es ist wichtig und eine Tradition. Wir sind doch Aarburg! Wir haben ein Neujahrsblatt verdient.
Die Redaktion scheint viel Herzblut in diese Publikation zu stecken.
Ja, das tun wir. Wir sitzen bereits im April zusammen und besprechen die Themen. Die Vielfalt ist uns wichtig, Altes und Neues, Amüsantes und Informatives muss Platz finden. Für uns ist das Aarburger Neujahrsblatt identifikationsstiftend. Ein Blatt für ein Aarburg.
Interview: Patrick Furrer
«Wir haben das Glück, dass Aarburg eine wunderschöne, geschichtsträchtige Stadt ist, in welcher wir eine sehr hohe Lebensqualität geniessen können», schreibt der neue Gemeinderat Dino Di Fronzo im Geleit zum Aarburger Neujahrsblatt 2018. All diese Qualitäten werden in der neuen, 57. Ausgabe, die in edlem Farbdruck eine Reise in aktuellere und frühe Zeiten bietet, deutlich.
Unruhige Zeiten erlebt Aarburg in den Kriegsjahren 1914 bis 1918: Hungersnot kommt auf. Nothilfemassnahmen, eine Volksküche und hohe Ausgaben für das in der Stadt zeitweise beherbergte Militär sind unausweichlich. Es sei eine Atmosphäre der Unruhe und Unsicherheit gewesen, resümiert Autor Dr. Peter Schärer. Zwar tritt 1918 eine Entlastung ein, doch die Sorge ums Alltägliche bleibt. Die wachsende Not und Rationierungen führen unter anderem zur sogenannten «Kartoffelnot», die einen Graben zwischen Land- und Städtchenbewohnern aufbricht. So knapp sind die Lebensmittel, dass der Kanton gar die Schüler auch aus Oftringen und Aarburg verpflichtet, Buchnüsschen zu sammeln. Gebeutelt wird Aarburg auch durch die Spanische Grippe. Immer mehr sei das Klima vergiftet worden, berichtet Schärer. Im Windschatten der Russischen Revolution und der Generalstreiks erleben die Sozialdemokraten und Arbeiterparteien einen Aufschwung – nicht aber, ohne das besorgte Bürger- und Unternehmertum zu Gegenwehr zu veranlassen.
Risse in der Gesellschaft
Als am 11. November 1918 der Streik ausgerufen wird, gehen in Aarburg und Zofingen die Wogen zwar weniger hoch als in anderen Teilen des Kantons und Landes. Aber auch hier verschärfen sich die Gegensätze. Angst vor «Überfremdung» und der «Konkurrenz ausländischer Produkte» gibt es schon damals. Die aufkeimende Arbeiterbewegung und ein kurzer Streik in der Firma Weber lässt die Bürgerlichen in Aarburg dann schliesslich eine Bürgerwehr formieren, wie sie überall im Kanton entstehen. Auch über die Parteiengrenzen hinaus findet die Bürgerwehr Zuspruch, da sie ein verlorenes Gemeinschaftsgefühl zurückbringen könnte. An vorderster Front: Oberstleutnant Hugo Zuberbühler. «Gegen Anarchie und Bolschewismus» will sich die Bürgerwehr einsetzen. Auch, wenn sie als verfassungswidrig bezeichnet wird. Doch Ruhe tritt nicht ein. Das vergiftete Klima reicht bis in die Vereine. Die Pontoniere und Nautiker gehen fortan getrennte Wege. Ebenso ist dies die Geburtsstunde des SATUS Aarburg, dem im Jahrbuch für sein 100-Jahr-Jubiläum ebenfalls ein Kapital gewidmet ist.
Schliesslich überwindet auch Aarburg den Schock des Landesstreiks. Die «schmerzlichen Risse» in der Gesellschaft wachsen zusammen und das Interesse an einer Bürgerwehr schwindet. Stattdessen werden die Sozialdemokraten als ernstzunehmende politische Kraft anerkannt. Die Parteien kehren zurück zum courant normal. Und alles, was als «Denkmal» von der Aarburger Bürgerwehr bleibt, ist das Protokollbuch «Bürgerwehr Aarburg 1918», das im Aarburger Stadtarchiv lagert.
«Verbrecher und Taugenichtse»
Das Titelbild des Neujahrsblatts verrät es: An erster Stelle erscheint ein Bericht zum 125-jährigen Bestehen des Jugendheims auf der Festung. Direktor Hanspeter Neuenschwander schildert von der Gründung am 3. Dezember 1893 bis in die Neuzeit die baulichen, organisatorischen und pädagogischen Entwicklungen. «Verbrecher und Taugenichtse» wurden in der einstigen Zwangserziehungsanstalt zurechtgestutzt. Heute ist der individuelle, therapeutische Ansatz das Wichtige; dieser soll auch weiter ausgebaut werden. Eindrücklich zeigt der Direktor zudem auf, wie wichtig für das kantonale Heim die Vernetzung mit der Stadt, der Region, Behörden sowie lokalem und regionalem Gewerbe geworden ist.
Nebst dem SATUS und dem Jugendheim würdigt das Redaktionsteam mit Ueli Heiniger, Heinz Hug, Daniel Maurer, Hans-Ueli Schär, Dr. Peter Schärer und Martin Weiss ein drittes Jubiläum: 125 Jahre Apotheke Aarburg. Man denke: Im Aargau gab es 1860 gerade mal 15 Apotheken – eine davon war die 1842 eröffnete Apotheke in Aarburg. Heinz Hug führt durch die Geschichte der Pharmazie, erwähnt den bewegenden Kampf, dass auch Frauen Pharmazie überhaupt studieren durften. Zur Feier des Jubiläums empfing das Aarburger Apothekenteam die Kunden im Frühling in historischen Gewändern.
Wie gewohnt findet auch die Vorstellung wichtiger, mit Aarburg verbundener Menschen wie Künstler Franz Theodor Aerni im Neujahrsblatt wieder Einzug. Zu erfahren gibt es, was im Städtli vor 100 Jahren geschehen ist, und die Chronik zeigt noch einmal die wichtigsten Ereignisse des Jahres 2017.
Insgesamt umfasst das neue Werk 70 Seiten – ein neuer Rekord – und bietet eine Vielzahl an Aarburger Geschichte, Anekdöteli und auch einigen aktuellen Informationen. Vor allem aber soll das Neujahrsblatt den Leserinnen und Lesern Identifikation mit ihrem Wohnort und Zuhause bieten. So wie Gemeinderat Dino Di Fronzo schon im Geleit motiviert feststellt: «Es gibt auch kein in Nord und Süd geteiltes Aarburg. Es gibt nur ‹ein› Aarburg.»
Das Aarburger Neujahrsblatt 2018 kann bei Heinz Hug, Hubelweg 8, 4663 Aarburg, bezogen werden. Telefon: 062 791 60 69. Mail: chronik@fganet.ch