
Das Generalabo für Studenten wird abgeschafft – ist das überhaupt rechtens?
Nur die Jungen sollen mehr bezahlen: Die öffentlichen Verkehrsbetriebe verzichten im kommenden Fahrplanjahr zwar auf Preiserhöhungen; trotz Coronakrise und Ertragseinbussen, wie sie stolz verkündet haben. Doch ausgerechnet das Generalabonnement «Junior für Studierende» wird ab Dezember komplett gestrichen. Heute bezahlen Studenten zwischen 25 und 30 Jahren dafür 2650 Franken pro Jahr. Wird dieses Angebot abgeschafft, müssen sie fortan den vollen Preis von 3860 Franken hinblättern – eine Erhöhung um 45 Prozent.
Seit der Entscheid im Sommer bekanntgeworden ist, versuchen Interessenvertreter, diesen noch zu kippen. Jungparteien und Verbände lancierten mehrere Petitionen, bisher kamen so insgesamt rund 30’000 Unterschriften zusammen. Gar von einem «Affront gegenüber jungen Menschen, die sich für klimafreundliche Mobilität entscheiden» war die Rede.
Davon jedoch dürfte sich die Branchenorganisation Alliance SwissPass, die über die Tarife im öffentlichen Verkehr entscheidet, kaum mehr beeindrucken lassen. «Wir haben uns mit den Verantwortlichen an einen Tisch gesetzt, aber ihren Entscheid wollen sie offenbar nicht mehr überdenken», sagt Lea Schlenker, Co-Präsidentin des Verbandes der Schweizer Studierendenschaften.
Nun aber könnte die Sache doch noch eine neue Wendung nehmen – dank Unterstützung von unerwarteter Seite: Der Tessiner CVP-Nationalrat Marco Romano glaubt, dass die Abschaffung des Studenten-GA rechtlich nicht standhält. Überzeugt davon haben ihn findige Jurastudenten aus seinem Heimatkanton. Sie verwiesen den Politiker auf einen Artikel im Personenbeförderungsgesetz.
Demnach muss es im öffentlichen Verkehr diskriminierungsfreie Tarife geben. Für Kundinnen und Kunden in vergleichbarer Lage sollten vergleichbare Bedingungen herrschen. Konkret dürfen die Tarife «die Wahl zwischen verschiedenen Angeboten nicht unverhältnismässig beeinträchtigen».
CVP-Nationalrat spricht von Willkür
«Dass das Studenten-GA abgeschafft wird, steht klar im Widerspruch dazu», glaubt Romano. Die Branche verweist indes stets auf den «Sonderfall dieses Angebots». Es führe zu einer Ungleichbehandlung in der Altersgruppe der 25- bis 30-Jährigen. Romano hält diese Begründung für unhaltbar: «Als einziges Kriterium das Alter zu nehmen, ist willkürlich und diskriminierend.»
Mit dem 25. Geburtstag änderten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Studenten schliesslich nicht wesentlich; erst recht nicht, wenn man berücksichtige, dass die meisten ihr Studium ohnehin später abschliessen oder dass viele erst via Lehre und Berufsmatura an die Hochschule kommen.
Der CVP-Nationalrat sieht den Bundesrat in der Pflicht einzugreifen. Die Landesregierung müsse sicherstellen, dass zumindest alle Studenten, die im nachobligatorischen Bereich ein Vollzeitstudium absolvieren, ein GA zu den gleichen Bedingungen kaufen könnten. In der Herbstsession hat er einen entsprechenden Vorstoss eingebracht.
Pikant ist: Noch vor zwei Jahren verwies der Bundesrat selbst explizit auf die gesetzliche Bestimmung zu den diskriminierungsfreien Tarife, als er erklärte, warum beim GA für alle Studenten bis zum 30. Altersjahr derselbe Rabatt gilt. Schliesslich könne die Studienzeit «bisweilen länger als bis zum 25. Altersjahr dauern», hielt er in einer Stellungnahme fest. Ob die Bundesbehörden dies weiterhin so sehen, wird sich in der Antwort auf Romanos Vorstoss zeigen.
Einmalige Gutschrift als Abfederung
Die Alliance SwissPass weist die rechtlichen Bedenken zurück. Mit diesen konfrontiert, heisst es abermals: Der Sonderrabatt für Studierende zwischen 25 bis 30 Jahre stellte sich bei der Überarbeitung des Jugendsortiments gegenüber anderen, teils einkommensschwachen Kundengruppen als unfair heraus.
Die Grenzen zwischen traditionellen Studien und anderen Ausbildungen verwässerten zusehends, eine Unterscheidung zwischen einzelnen Bildungsstätten sei deshalb «nicht mehr einfach und fair möglich». Allerdings verweisen die Kritiker ihrerseits darauf, dass das Studenten-GA die wichtigsten Angebote abdecken. Tatsächlich profitieren von diesem Studenten an Universitäten und Fachhochschulen ebenso wie solche an Pädagogischen Hochschulen und Höheren Fachschulen.
Ebenfalls nicht gelten lassen wollen Studentenvertreter das Argument des Branchenverbandes, wonach über 80 Prozent der Betroffenen in der Alterskategorie trotz Studium einen Verdienst haben. «Die allermeisten können bloss einem Nebenjob nachgehen, um bestenfalls ihren Lebensunterhalt zu bestreiten», sagt dazu auch Marco Romano.
Immerhin: Alle 25-Jährigen bekommen einmalig eine Gutschrift von 500 Franken auf ihr Zweitklass-GA. Trotzdem müssen Studierende bis zu ihrem 30. Lebensjahr für Bahn und Bus hochgerechnet bis zu 5500 Franken mehr bezahlen als bisher.