Der Doktor in der Bank — Die Praxis «för Chli ond Gross» eröffnet

Über der Liege hilft der nette Dachs einem jungen Vöglein ins Nest zurück. Und noch viel mehr spielt sich ab auf dem Wandbild des Kinderbehandlungszimmers in Ueli Deubelbeiss’ Praxis. Bis die kleinen Patienten das Bild fertig bestaunt haben, ist der Finger schon längst gepiekst.

Ob dies wirklich so funktioniert, wird der 36-jährige Allgemeinmediziner kommenden Dienstag erfahren. Dann öffnet seine Hausarztpraxis im ersten Stock des neuen Bank-Leerau-Gebäudes in Kirchleerau. Damit hat er Geschäftsleiter Stefan Züsli ein paar zusätzliche graue Haare erspart.

Seit über zwei Jahren sucht die Bank Leerau einen Arzt oder ein Ärzteteam für die Praxis im neuen Hauptsitz. Schon bei der Grundsteinlegung im April 2017 war eine Arztpraxis fix eingeplant. Kirchleerau und Umgebung sollten zu einem Arzt kommen. Die Suche ging lang, Züsli gab die Hoffnung aber nicht auf – bis eines Tages Ueli Deubelbeiss bei ihm anklopfte.

Eine Apotheke als Wunschnachbar

Ueli Deubelbeiss ist verheiratet und Vater dreier kleiner Kinder. Er war die letzten vier Jahre in der Gemeinschaftspraxis Hausärztehaus in Schöftland tätig. «Ich wollte meine eigene Praxis gründen. Zuerst in Schöftland, weil dort die Zusammenarbeit mit der Apotheke sehr gut lief.» Als er seinen Suchradius ausdehnte, weil er in Schöftland keine geeigneten Räume fand, führte sein Weg unweigerlich an der Kirchleerber Dorfstrasse vorbei.

Hier stimmte alles: Parkplätze, Rollstuhlgängigkeit, Lift und Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Bank Leerau hatte das ganze Stockwerk (400 Quadratmeter) für die Hausarztpraxis vorgesehen. Mit seiner Einzelpraxis «för Chli ond Gross» benötigt Deubelbeiss nur das halbe. Wer die andere Hälfte belegen sollte, wüsste er schon: «Es wäre praktisch, wenn eine Apotheke reinkäme.»

Ein neues Berufsbild könnte den Arzt entlasten

Denn in Zeiten, in denen Hausärzte rar sind und immer mehr Patienten behandeln, hält er den Einbezug der Apotheke für unumgänglich. Auch im noch neuen Berufsprofil der medizinischen Praxiskoordinatorin (MPK) sieht er eine Chance. Im Gegensatz zur medizinischen Praxisassistentin (MPA) hat die MPK mehr klinische Kompetenzen und kann Untersuchungen beim Patienten vornehmen (etwa bei Diabetes oder anderen chronischen Krankheiten), für die bisher einzig der Arzt zuständig war.

Die Familie baute die neue Praxis

Mit einem Patientenstamm von 4000 Personen, die er aus Schöftland mitnimmt, stösst der neue Kirchleerber Arzt bereits an seine Grenzen. «Natürlich versuchen wir, neue Patienten aufzunehmen. Primär Leute aus Kirch- und Moosleerau.»

Wenige Tage fehlen zur Eröffnung am 1. Oktober, in der Angestelltentoilette müssen die Handwerker noch etwas ausbessern. Prüfend über die Schulter schaut ihnen Bruno Burger, Architekt im Ruhestand und Ueli Deubelbeiss’ Schwiegervater. «Er hat die ganze Praxis gestaltet, und meine Frau hat die Dekoration und das Mobiliar ausgewählt. Ohne die Familie hätte ich das nie geschafft», sagt der Arzt.

Nur zur Patientenbehandlung kann ihm die Familie nicht helfen. Deubelbeiss hat drei medizinische Praxisassistentinnen, denen er mehr Kompetenzen überträgt, als das Profil normalerweise beinhaltet. «Nicht nur kann so speditiver gearbeitet werden, es macht auch die Arbeit einer MPA interessanter», sagt er.