Der F-35 von Lockheed Martin: In den USA wird er als «Rattenloch» bezeichnet

Tony Wilson weiss noch genau, wie er sich fühlte, als er zum ersten Mal im Cockpit eines F-35 sass. Er habe vor Freude glucksen müssen, erzählt Wilson – weil ihm umgehend klar geworden sei, dass mit diesem Kampfjet ein neues Zeitalter beginne. Das war vor acht Jahren, und damals stand Wilson im Dienst der amerikanischen Marine. Heute trägt der 50-Jährige zwar immer noch ein Fliegerkombi, auf dem sein Piloten-Beiname «Brick» steht. Nun aber zahlt das Rüstungsunternehmen Lockheed Martin seinen Lohn, und normalerweise ist Wilson als Testpilot tätig.

An diesem Frühlingstag füllt «Brick» – gewinnendes Lachen und immer noch fit, wie er stolz betont – eine andere Rolle aus: Die des «Pitchman», wie begabte Verkäufer in Amerika auch genannt werden. Weil er den F-35 Lightning II in- und auswendig kennt, und mit dem Kampfjet schon über die Alpen geflogen ist, beantwortet Wilson die Fragen von Schweizer Journalisten, die auf Einladung des Flugzeugbauers die Produktionsstätte des F-35 in Fort Worth (Texas) besichtigten. Er spricht über die Vorzüge des Kampfjets und darüber, dass die Technologie des Tarnkappen-Flugzeugs derart ausgeklügelt sei, dass sich ein Schweizer Pilot aufs Wesentliche konzentrieren könnte: Auf die Kontrolle des Luftraums.

Werbevideo von Lockheed Martin für seinen Kampfjet F-35. Video: Youtube

 

Doch der angeblich revolutionäre Kampfjet steht selbst in den USA in der Kritik. So beschimpfte ein hochrangiger Demokrat im Repräsentantenhaus den Kampfjet kürzlich als «Rattenloch». Das Flugzeug sei im Unterhalt viel zu teuer, sagte Adam Smith, Vorsitzender des Militärausschusses. Und: Die US-Streitkräfte wären besser beraten, in ein Konkurrenzprodukt zu investieren. Kritisch äusserte sich auch das Government Accountabilty Office (GAO), der parteiunabhängige Rechnungshof der Bundesregierung.

Kosten pro Flugstunde immer noch über 30’000 Dollar

Der Rüstungskonzern will diese Einwände nicht gelten lassen, auch weil es sich beim F-35 wohl um das lukrativste Geschäft in der Geschichte des Pentagon handelt. Die Streitkräfte wollen 2000 Kampfjets beschaffen und dafür 1700 Milliarden Dollar bezahlen. Dieser Grossauftrag wirke sich positiv für sämtliche F-35-Kunden aus, zu denen auch Israel oder Norwegen zählen. «Die Kosten pro Flugzeug und pro Flugstunde sinken», sagt Jim Robinson, als «Campaign Manager» der direkte Ansprechpartner von Armasuisse. Robinson räumt aber auch ein, dass Lockheed Martin vom Ziel, die Kosten für eine Flugstunde des F-35 auf rund 25’000 Dollar zu reduzieren, noch weit entfernt ist. Aktuell kostet der Betrieb des Kampfjets noch über 30’000 Dollar pro Flugstunde.

Etwas besser gelingt es Lockheed Martin, die Einwände zu widerlegen, jeder F-35 könnte im Ernstfall quasi von Präsident Joe Biden oder zumindest dem Auslandgeheimdienst CIA ferngesteuert werden – weil die Amerikaner Zugriff auf die Software des Kampfjets hätten. Zwar gehöre es zu einem der grossen Vorteile des F-35, dass sämtliche Besitzer des Flugzeugs virtuell Betriebsdaten austauschen könnten, sagt Robinson, trage dies doch zur stetigen Verbesserung der Leistung bei. Die Schweiz würde aber die Möglichkeit erhalten, diesen Datenfluss zu steuern, mit Hilfe eines Produkts, das Lockheed Martin zusammen mit einem Tessiner Softwarehersteller entwickelt. «Nein», sagt Robinson deshalb, als er gefragt wird, ob das Pentagon die Kontrolle über einen Schweizer F-35 übernehmen könnte.

Noch ist dies Zukunftsmusik. Tony Wilson aber zeigt sich überzeugt davon, dass die Schweiz sich vom Enthusiasmus anstecken lassen wird, den Lockheed Martin über den F-35 verbreitet. Keine Frage, der Kampfjet sei das beste Flugzeug, das sich derzeit auf dem Markt befinde. Ein Flugzeug der «Fünften Generation» eben. Dann lächelt der Testpilot gewinnend.