
Der Selfmade-Gentleman: Dieser Aargauer kann von seinem Online-Magazin leben
Es wäre so einfach, Vorurteile gegen Ralph Widmer zu haben. Auf Instagram posiert er mit teuren Uhren und schnellen Schlitten. Auf anderen Bildern sind Zigarren zu sehen, dazu ein bisschen Golf und Jachten. Ein eingebildeter Schnösel mit viel Geld und Geltungsdrang? Es wäre einfach, den Lenzburger auf diese Eigenschaften zu reduzieren. Zu einfach.
Ralph Widmer hat vor viereinhalb Jahren das Online-Männermagazin «A Gentleman’s World» gegründet. Am Anfang war es ein Hobby. Auf seinem Blog hat er über Mode geschrieben und Bilder von sich gepostet. Heute ist dieser Blog ein Magazin mit monatlich rund 10 000 Lesern, von dem Widmer leben kann. «Das hätte ich mir nie träumen lassen», sagt er. Ein Träumer ist Widmer sowieso nicht, sondern einer, der schon früh an die Möglichkeiten des Online Marketings geglaubt und diese ausgenützt hat. Ohne sich um negative Stimmen zu kümmern.
Weg vom sicheren Weg
Die Schule behagte ihm nicht, erst in der KV-Lehre sei ihm der Knopf aufgegangen. Als Leiter einer Informatik-Abteilung blühte er auf. «Ich habe Führungserfahrung gesammelt und bin viel gereist.» Und dann kam der Blog.
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg vom Hobby-Blogger zum Onlinemagazin-Chefredaktor war für Ralph Widmer die Teilnahme an der GQ Gentleman 2015. Das Männermagazin kürt jährlich einen Gentleman, der unter anderem seinen eleganten Kleidungsstil und seine guten Manieren unter Beweis stellen muss. Widmer wurde nicht Gentleman des Jahres.
«Zum Glück», sagt er heute. Denn die Wahl habe ihm gezeigt, wie wohl er sich umgeben von feinen Stoffen, edlen Whiskeys und gutem Essen fühlte. «Ich begann, vermehrt über Lifestyle-Themen zu schreiben.» Da er sein eigener Gentleman wurde und nicht derjenige von GQ, hatte er genug Zeit für seinen Blog.
Ralph Widmer sitzt im Lenzburger Lokal art cigar und trinkt Tee. Für eine Zigarre sei es – kurz nach zehn Uhr morgens – noch zu früh. Es ist sein Lieblingslokal in Lenzburg. Heute wohnt er in Zürich, doch er kommt noch oft zurück in die Heimat, um Familie und Freunde zu besuchen.
Auf dem allerersten Foto auf dem Instagram-Profil von «A Gentleman’s World» aus dem Jahr 2014 ist Ralph Widmer zu sehen, wie er in einem Korbstuhl vor dem «art cigar» eine Zigarre raucht. Damals trug er noch keine farblich perfekt aufeinander abgestimmten Anzüge.
Auch heute trägt er keinen Anzug, sondern eine braune Hose und einen dunkelgrünen Strickpullover. Wohl wissend, dass ein Fotograf beim Termin dabei sein würde. Dieser hatte dann mit Widmer auch ein sehr angenehmes Modell. Wo anderen Leuten nach mehrmaligem Abdrücken das Lächeln zur Grimasse erstarrt, bleibt Widmer locker und bietet von sich aus mehrere Posen an.
Stets freundlich und zugänglich, auch im Gespräch mit dem Fotografen oder der Bedienung. Wer Ralph Widmer aufgrund seiner Vorliebe für teure Produkte Abgehobenheit vorwerfen will, kennt ihn nicht. «Mir wurde schon oft gesagt, dass ich offline viel anders sei als online», sagt er.
Er kann es gut mit den Leuten. Das hat ihm auch bei seinem Job mit dem Blog genützt. Eines seiner Standbeine, von denen er lebt, ist der sogenannte Paid Content. «Wenn man einen Beitrag liest und darin ein Bild von einer Uhr sieht, kann es sein, dass dies bezahlt ist», sagt Widmer. Die meisten Uhren und Autos, die Widmer auf seinem Blog ausführt, gehören nicht ihm, sondern werden ihm zur Verfügung gestellt.
So kommt er auf der ganzen Welt herum, wird in Hotels und auf Golfplätze eingeladen, damit er über sie schreibt. Diese Geschäftsbeziehungen kamen nicht einfach so zustande. «80 Prozent der Kooperationen sind Eigenakquise», sagt Widmer. Das ist für ihn kein nötiges Übel: Auf Firmen zugehen und sie von sich zu überzeugen, macht ihm Spass.
Neben seinem Magazin gibt er Kurse zu Digital und Online Marketing an der Swiss Marketing Academy, arbeitet in diesem Bereich auch als Berater und organisiert Events. Einen Onlineshop für die präsentierten Produkte gibt es nicht. «Das funktioniert in dieser Preisklasse nur bedingt.» Doch Widmer hat schon mehrfach offline Käufe vermittelt.
Möglichst wenig Privates
Ralph Widmer ist kein klassischer Influencer, der etwa Fotos aus der Badewanne posten würde. «Bei ‹A Gentleman’s World› geht es nicht um mich als Person. Es ist ein Magazin, ein Brand», sagt er. Sein Privatleben wolle er so weit wie möglich aus der Öffentlichkeit raushalten. «Ich habe gern meine Ruhe.»
Aber auch aus einem anderen Grund möchte er nicht den Blog über seine Person laufen lassen: «Ich würde gar nicht dazu kommen.» Es sei zu viel Arbeit für eine Person. Deshalb beschäftigt er vier bis fünf freie Mitarbeiter. «Sie können genauso gut Texte verfassen», sagt der Blogger.
Mittlerweile bekommt Ralph Widmer viele Anfragen für Kooperationen, doch die meisten lehnt er ab, weil sie nicht zu seiner Zielgruppe passen. Sein Konzept geht auf. Mit den heutigen Tools kann er auswerten, wer sich seine Beiträge ansieht: «Das sind zum grössten Teil Männer zwischen 25 und 35 Jahren mit einer starken Affinität zu Lifestyle- und Luxury-Produkten.»
Ungefähr 10 000 Leser habe er pro Monat. «Für Schweizer Verhältnisse ist das in meinem Segment eine gute Reichweite.» Und er habe genau die Zielgruppe, die er ansprechen möchte.