
Der Sozialplan für die Entlassenen steht, aber im Aargauer Contact Tracing Center gibt es bereits neue Konflikte
Vor zwei Monaten hatte der Kanton angekündigt, dass für Betroffene der Massenentlassungen im Contact-Tracing-Center (Conti) ein Sozialplan erarbeitet wird. Eigentlich wollten das Gesundheitsdepartement und die kantonale Personalkommission die Verhandlungen bis Ende August abschliessen. Nun, einen Monat später als geplant, wurde eine Einigung erreicht und der Sozialplan steht, wie es in einer Mitteilung heisst. Demnach haben sich Departement und Personalkommission auf folgende Punkte geeinigt:
- Angestellte bekommen einen Mindestdurchschnittslohn auf der Basis der durchschnittlich gearbeiteten Stunden vor dem 1. Juli 2021, auch wenn in den Sommermonaten aufgrund tieferer Fallzahlen teilweise weniger Stunden gearbeitet werden konnte.
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die durch die Entlassung oder Änderungskündigung mit Arbeit auf Abruf in eine existenzielle Notlage geraten, erhalten eine Härtefallentschädigung.
- Die Kündigungsfrist für Conti-Angestellte, die mehr als ein Dienstjahr aufweisen, wird auf zwei Monate verlängert.
- Betroffene erhalten bezahlte Freizeit bei der Suche nach einer neuen Stelle und werden bei der Jobsuche vom Departement unterstützt.
- Wenn entlassene Conti-Mitarbeitende eine neue Stelle antreten, kann ihre Kündigungsfrist verkürzt werden.
Die zweimonatigen Verhandlungen zwischen Personalkommission und Gesundheitsdepartement, die gemäss Mitteilung konstruktiv geführt wurden, sind damit beendet. Die Mitarbeitenden des Contact-Tracing-Centers wurden über den Sozialplan und dessen Inhalt informiert. Das Ergebnis stellt einen Kompromiss zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite dar, im Sozialplan wurden nicht alle Forderungen der Personalkommission erfüllt. Die Kommission verlangte Entschädigungszahlungen für sämtliche Betroffenen und höhere Härtefallentschädigungen, das Departement lehnte dies ab.
Personalkommission: Kanton als Arbeitgeber muss aus Defiziten lernen
Die Personalkommission appelliert nach den Erfahrungen mit den umstrittenen Kündigungen im Contact-Tracing an den Kanton als Arbeitgeber, für künftige Fälle «aus allfälligen Defiziten im Massenentlassungsprozess zu lernen». In vergleichbaren Situationen müsse der Kanton vorausschauender, sozialer und ökonomischer vorgehen. Die Kommission schlägt vor, in ähnlichen Situationen eine verwaltungsinterne Austauschplattform zu schaffen, um Kündigungen vermeiden zu können.
Der Personalabbau wurde im Sommer vollzogen, weil die Coronazahlen sanken und kaum noch Isolations- und Quarantänefälle zu bearbeiten waren. Nach den Sommerferien nahmen die Infektionen aber rasant zu, zeitweise konnte das Conti neue Fälle nicht innerhalb eines Tages bearbeiten und war überlastet. Im Rahmen der Reorganisation wurden laut Mitteilung insgesamt 17 Kündigungen ausgesprochen – teilweise läuft die Kündigungsfrist bis Ende September. 56 Personen haben eine Änderungskündigung erhalten, 53 von ihnen haben sich für einen Vertrag auf Abruf entschieden und stehen dem Contact-Tracing-Center weiter zur Verfügung, wie der Kanton mitteilt.
Gewerkschaften: Neuanstellungen zu einem massiv tieferen Monatslohn?

Silvia Dell’Aquila, Regionalleiterin Aargau/Solothurn der Gewerkschaft VPOD.
Trotz der Einigung auf einen Sozialplan gibt es beim Contact-Tracing weiterhin Konflikte. «Soweit uns bekannt ist, hat das Gesundheitsdepartement einige Neuanstellungen vorgenommen, allerdings zu einem deutlich tieferen Stundenlohn», kritisiert Silvia Dell’Aquila, Regionalleiterin Aargau/Solothurn der Gewerkschaft VPOD. Zudem hätten nicht alle Betroffenen die Kündigungen akzeptiert, einige wehrten sich bei der Schlichtungsstelle für Personalfragen, sagt die Gewerkschafterin.

Marco Hardmeier, Präsident der Konferenz der Aargauer Staatspersonalverbände.
Kritik übt auch die Konferenz der Aargauer Staatspersonalverbände, die vom ehemaligen SP-Grossrat Marco Hardmeier präsidiert wird. Sie ist mit dem Sozialplan nicht zufrieden, «weil verschiedene nachvollziehbare und begründete Anliegen der Personalvertretung nicht aufgenommen wurden», wie es in einer Mitteilung heisst. Hardmeier kritisiert, die Ankündigung der Massenentlassung sei just zu dem Zeitpunkt erfolgt, als die offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit einen Anstieg der Covid-Fallzahlen abgebildet hätten.
Die fehlerhaft geplante Reorganisation habe zu grossen Rückständen beim Contact-Tracing geführt, kritisiert die Staatspersonal-Konferenz. «Sollten nach den Entlassungen und Kündigungen von befristeten Arbeitsverhältnissen zwischenzeitlich neue Personen eingestellt worden sein, käme dies einer zusätzlichen Demütigung der bisherigen Angestellten gleich», heisst es in der Mitteilung.
Gesundheitsdepartement: «Es wurden keine Anstellungen getätigt»
Stephan Campi, Generalsekretär des Gesundheitsdepartements, sagt auf Anfrage der AZ: «Es wurden keine Anstellungen getätigt.» Das Covid-19-Programm des Kantons – vor allem das Conti, aber auch die Hotline und das repetitive Testen – haben Unterstützung von Personen auf der Freiwilligenliste der Impfkampagne erhalten. Dabei galten laut Campi für alle dieselben Konditionen. Zur Bewältigung der Arbeitslast musste das Departement temporär auf Verstärkung durch eine Personalvermittlung zurückgreifen. «Dabei handelte sich um rund zehn Personen, die zu den Konditionen der Personalvermittlung im Einsatz standen», sagt Campi.

Stephan Campi, Generalsekretär im Departement Gesundheit und Soziales.
Das Kernteam des Contact-Tracings besteht gemäss dem Generalsekretär von Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati aus 40 Mitarbeitenden. Von den 53 Personen, die einen Vertrag auf Abruf erhalten haben, kämen alle über das Covid-19-Programm verteilt alle zum Einsatz, «einige zum Beispiel auch im Zertifikatsteam», sagt Campi. Von den entlassenen Conti-Mitarbeitenden haben nach seinem Kenntnisstand bisher 14 Personen ein Schlichtungsgesuch eingereicht.
Wie viel die Härtefallentschädigungen, Lohnzahlungen trotz Arbeitsausfalls und bezahlte Freizeit zur Jobsuche den Kanton kosten werden, beantwortet Campi nicht konkret. Er sagt, der Sozialplan sei erst diese Woche in Kraft gesetzt worden, bisher seien noch keine Kosten entstanden. Es seien aktuell auch noch keine Anträge seitens der Mitarbeitenden eingegangen. Und aufgrund der Fallzahlen sei das Personal im gleichen Mass wie in den Vormonaten abgerufen worden.