Die besten Filmkulissen: Wieso «Bestatter» Luc Conrad nicht nur im Aargau ermittelt

Béatrice Eglin weiss, wo der Aargau am Aargauischsten ist. Sie weiss auch, wo es in anderen Kantonen nach Aargau aussieht. Um für den «Bestatter» die passenden Drehorte zu finden, fährt sie quer durch den ganzen Kanton. Wenn sie im Aargau nicht fündig wird, muss sie Luc Conrad und seine Gefährten in andere Kantone schicken, ohne dass es den Zuschauern auffällt.

Frau Eglin, sind Sie Aargauerin?
Béatrice Eglin: Nein, und ich wohne auch nicht im Kanton Aargau.

Kennen Sie den Aargau gut genug, um passende Drehorte für den «Bestatter» zu finden?
Ich bin seit zirka acht Jahren als Locationscout tätig und habe einiges schon davor gekannt. Lokale Vorkenntnisse helfen natürlich, aber mittlerweile kenne ich den Kanton besser als mancher Aargauer.

Wie ist das Vorgehen bei der Suche nach einem Drehort?
Ich lese zuerst die Drehbücher. Während des Lesens habe ich bereits Bilder im Kopf, wie die Orte aussehen könnten. Nach einer ersten Besprechung mit der Regie und der Ausstattung beginne ich zu recherchieren.

Wie recherchieren Sie?
Ich habe eine Kartei mit Bildern, ich kann gar nicht sagen wie viele. Die gehe ich durch. Wenn ich zum Beispiel ein Fabrikgebäude suchen muss, überlege ich mir, welche Art von Gewerbe in einem solchen Gebäude sein könnte. Google Streetview ist sehr hilfreich für einen ersten äusseren Eindruck.

Müssen Sie überhaupt noch raus?
Es ist unerlässlich, dass ich mir die Locations immer selber anschaue. Ich fahre los und mache Fotos vor Ort. Mit den Bildern kehre ich zurück zur Regie und Ausstattung und wir schauen, ob es passt. Ich habe immer die Augen offen und halte manchmal auch spontan, wenn mir unterwegs ein Ort auffällt, und mache ein Bild für die Kartei.

Finden Sie immer einen Ort, der alle Vorgaben aus dem Drehbuch erfüllt?
Grundsätzlich schon. Das Drehbuch kann aber auch an den Ort angepasst werden. Zum Beispiel könnte da stehen: ‹Er geht die Treppe hoch und klingelt›. Wenn es keine Treppe hat, geht er eben nicht hoch. Oder bei der letzten Folge, als sich der Bestatter in einer Szene mit der Mutter des Mordopfers auf deren Balkon trifft. Dort war die Vorgabe eine Standard-Blockwohnung mit Laubengang. Nicht zu arm, nicht zu reich. Wenn die Wohnung keinen Balkon gehabt hätte, wäre die Szene halt im Wohnzimmer gedreht worden.

Und wenn die Vorgaben zwingend sind?
Je mehr Vorgaben ich einhalten muss, desto schwieriger wird es. Für diese Staffel musste ich ein KMU-Gebäude mit folgenden Vorgaben finden: zweistöckig, grosszügige Vorfahrt, Garten rundherum und Blick auf Eibenhecken. Das war wirklich schwierig. Es konnte keine andere Hecke sein? Nein. Sie werden dann sehen, wieso. Da musste ich auch ausserkantonal suchen. Schliesslich bin ich aber fündig geworden, das war ein gutes Gefühl.

Welche war für Sie die schwierigste Location beim «Bestatter»?
Die Meyerschen Stollen in Aarau, in denen in der zweiten Staffel der Showdown stattfindet. Ein klar definierter Ort, aber wir konnten dort nicht drehen. Die Stollen sind zu eng. Der Aufwand wäre undenkbar gewesen, schon nur um den Strom zu verlegen. Ich habe so viele Höhlen angeschaut. Schliesslich haben wir im Versuchsstollen Hagerbach in Flums gedreht. Einem Versuchsgelände für Spritzbeton.

Es gibt also Szenen, bei denen der Zuschauer meint, es sei ein bestimmter Ort, und gedreht wurde dabei an einem ganz anderen?
Ja, manchmal ist es halt nötig. Beim Showdown in der letzten Staffel wurden die Aufnahmen von drei verschiedenen Kirchen verwendet. Die Originalkirche auf Albert Ankers Bild «Kinderbegräbnis» befindet sich im Kanton Bern. Die ganze Crew dorthin zu transportieren und unterzubringen, wäre zu kosten- und zeitaufwendig gewesen. Für die Szene haben wir eine Aussenaufnahme der Originalkirche verwendet und für den Eingangsbereich und die Szenen auf dem Friedhof jeweils eine andere Kirche.

«Der Bestatter» wird auch in privaten Räumen gedreht. Wie bringen Sie die Leute dazu, ihre Wohnungen für die Crew zu öffnen?
Meine Strategie ist, von Anfang an offen zu kommunizieren. Man muss die Location-Geber darauf vorbereiten, dass eine Crew von bis zu vierzig Leuten ihre Wohnung stürmen wird. Viele freuen sich jedoch, wenn ihr Geschäft oder ihre Wohnung im Fernsehen zu sehen ist.

Auch wenn dort ein Mord geschieht?
Im Gegensatz zu Spielfilmen, die ebenfalls heikle Themen wie Mord oder Vergewaltigung behandeln, ist es einfacher, für den «Bestatter» auch private Räume zu finden. Die Serie hat im Aargau eine wahnsinnig hohe Akzeptanz, zudem hilft das humoristische Element.

Für die Villa des Bösewichts Professor Mankovsky in der aktuellen Staffel mussten Sie kurzfristig einen Ersatz suchen.
Ja, wir erhielten vom Schloss Zurzach eine kurzfristige Absage. Innerhalb von wenigen Tagen musste ich etwas Neues finden und wurde glücklicherweise auf die ehemalige Solvay-Direktorenvilla aufmerksam gemacht. Auch für die Casino-Szenen mussten wir kurzfristig nach Zürich ausweichen. Das Casino Baden wollte nicht mit der Spielsucht in der Geschichte in Verbindung gebracht werden.

Wie wird man Locationscout?
Ich war über 30 Jahre in der Filmbranche als Aufnahmeleiterin und als Filmproduzentin tätig. Dann wollte ich etwas anderes machen und habe mich selber zur Locationscout gemacht. Ich mag die Abwechslung, die dieser Job mit sich bringt.

Können Sie davon leben?
Ja, ich lebe davon für Spielfilme und Werbung Drehorte zu finden. Ausser mir gibt es in der Deutschschweiz nur noch eine Handvoll anderer Personen, die das gleiche machen.

Was unterscheidet den «Bestatter» von anderen Produktionen?
Die Serie geniesst ein sehr hohes Ansehen, die Bevölkerung ist sehr offen. Ich kann auch von der Zusammenarbeit mit dem Kanton profitieren. Mir werden Orte vorgeschlagen und ich erhalte Hilfe, wenn es darum geht, den Kontakt zu Firmen herzustellen. Das Scouten im Aargau macht mir grossen Spass, es hat wahnsinnig viele coole Leute hier.

von Janine Gloor — az Aargauer Zeitung

Béatrice Eglin ist durch einen Zufall zum Film gekommen: Während ihres BWL- und Psychologiestudiums entdeckte ihre Mutter ein Inserat, das einen Hund für eine Filmrolle suchte. Der Familienhund bekam die Rolle jedoch nicht, weil die Mutter sich weigerte, ihn von dunkelbraun auf hellblond umzufärben. Dafür stieg Béatrice Eglin als Produktionsassistentin ins Filmgeschäft ein und wurde nach ihrem Studium fest angestellt. Sie arbeitete über 30 Jahre als Aufnahmeleiterin und Produzentin. (Bild: zvg)
Béatrice Eglin ist durch einen Zufall zum Film gekommen: Während ihres BWL- und Psychologiestudiums entdeckte ihre Mutter ein Inserat, das einen Hund für eine Filmrolle suchte. Der Familienhund bekam die Rolle jedoch nicht, weil die Mutter sich weigerte, ihn von dunkelbraun auf hellblond umzufärben. Dafür stieg Béatrice Eglin als Produktionsassistentin ins Filmgeschäft ein und wurde nach ihrem Studium fest angestellt. Sie arbeitete über 30 Jahre als Aufnahmeleiterin und Produzentin. (Bild: zvg)