
Die grüne Moschee muss ausziehen: «Wir wollen in Aarburg bleiben»

Strasse wird 26 Meter breit
Das Projekt zur Sanierung der viel befahrenen Oltnerstrasse im Norden Aarburgs nimmt Formen an. Der Kanton ist derzeit mit der Gemeinde Aarburg am Betriebs- und Gestaltungskonzept. Geplant ist laut Projektleiter Marcel Siegrist die Umsetzung des Aarburger Masterplanes sowie die Schaffung von Ausbauten für einen flüssigeren Verkehr. So werden künftig Staus vermieden und auch der Bus könne so seinen Fahrplan besser einhalten. Es ist auch eine Flanierzone von sechs Metern Breite für Fussgänger und Velofahrer vorgesehen. Darauf würden 65 Bäume gepflanzt.
Auf der Strasse kämen an der breitesten Stelle nebeneinander zwei Radstreifen für schnelle Velofahrer, zwei Fahrbahnen, zwei Busspuren und in der Mitte ein Mehrzweckstreifen zum Abbiegen. Damit würde die Strasse mit der Flaniermeile bis zu 26 Meter breit. Auf weiten Teilen der Oltnerstrasse genügt aber eine Busspur. An der schmalsten Stelle komme man, mit Busspur und kombiniertem Rad- und Gehweg auf 14 Meter, so Siegrist. Wegen der Verbreiterung für die Busspuren müssen die Häuser zwischen Strasse und Bahnlinie ab grüner Moschee Richtung Olten weichen. Das ganze Bauvorhaben weist eine Länge von rund 1,8 Kilometern auf.
Im Juni 2016 kam laut Siegrist der erste Liegenschaftsbesitzer, der sein Haus verkaufen wollte, auf den Kanton zu. Danach habe man mit allen Besitzern der Liegenschaften zwischen Bahnlinie und Strasse Kontakt aufgenommen und angefragt, ob man die Häuser schätzen darf. Mittlerweile konnte der Kanton fast alle Häuser aus der Kasse des vorsorglichen Landerwerbs kaufen oder zumindest einen Vorvertrag unterzeichnen. Der Kanton zahlt jeweils den geschätzten Verkehrswert. Ziel sei es, mit allen eine Einigung zu erzielen. Die bisherigen Besitzer wohnen noch zum Teil als Mieter in den Liegenschaften.
An einer Umsetzung des Sanierungs-Projektes zweifelt niemand, denn ein grosser finanzieller Beitrag des Bundes ist im Agglomerationsprogramm 3. Generation vorgesehen. Gemäss derzeitiger Planung soll der Grosse Rat 2020 über das Projekt befinden. Baubeginn wäre 2023.
Gemeindeammann Hans-Ueli Schär begrüsst die Strassensanierung. Doch die aufgekauften Häuser liegen ihm noch auf dem Magen: «Wir fürchten uns davor, dass der Kanton in diese Liegenschaften unerwünschte Klientel einziehen lässt.» Er wolle zum Beispiel kein weiteres Asylzentrum. «Mir wäre lieber, der Kanton würde die gekauften Häuser gleich abreissen.» Doch das ist nicht geplant.
Bald erhält die Aarburger Bevölkerung mehr Informationen zur Oltnerstrasse. Am Donnerstag, 13. Dezember 2018 informieren Kanton und Gemeinde um 18 Uhr in der Aula des Schulhauses Höhe. (jow)
Vor dem Haus liegt die Oltnerstrasse. Hier brausen Lastwagen und Autos im Sekundentakt vorbei. Fast den ganzen Tag ist der Verkehr hier dicht. Zu den Stosszeiten gar sehr dicht. Hinter dem Haus brausen Intercity- und rattern Güterzüge vorbei.
Es ist kein gemütlicher Ort. Dennoch kommen Türkinnen und Türken seit Jahren gerne hierher, zur Grünen Moschee in Aarburg. Doch damit ist bald Schluss.
Ferhat Dodurga, der Sekretär des Vereins «Haus-der-türkischen-Gastarbeiter», der die grüne Moschee betreibt, sitzt im einfach eingerichteten Büro, öffnet ein türkisches Mineralwasser, seufzt und sagt dann: «Wir müssen das Haus wohl oder übel dem Kanton verkaufen.» Denn dieser will in den nächsten Jahren die Oltnerstrasse sanieren und verbreitern. Die geplanten Velorouten, ÖV-Spuren und die Flaniermeile brauchen Platz. Darum müssen in Richtung Olten ab der grünen Moschee alle Häuser rechts der Strasse weichen. Noch ist das Bauprojekt zwar nicht offiziell beschlossen. Doch die Bundessubventionen sind eingeplant und niemand zweifelt an einer Umsetzung (siehe Text rechts). Daher kauft der Kanton im Sinne eines vorsorglichen Landerwerbs derzeit die Häuser nach und nach alle auf. Von den zehn Liegenschaften sind schon sieben in Staatsbesitz.
Der Wert der grünen Moschee wird derzeit geschätzt. Offiziell gehört das Haus der Türkisch-islamischen Stiftung Schweiz, jener Organisation, die in der Schweiz die vom türkischen Staat unterstützten Moscheen betreibt. So wird auch der Imam der grünen Moschee von Ankara finanziert. Der Verkauf an den Kanton müsste bis etwa 2022 über die Bühne. Danach droht eine Enteignung.
Für Dodurga und seine Vorstandskollegen keine einfache Situation. Die Suche nach einer Alternative ist schwierig. «Wir würden gerne in Aarburg bleiben», sagt Dodurga. «Am liebsten würden wir hier ein neues Haus bauen.» Aber Bauland ist derzeit nicht zu erwerben und die Squash-Halle auf der anderen Strassenseite hat der Gemeinderat vor der Nase weggekauft. Auch Mitglieder des Vereins hatten sich um den Kauf der Halle bemüht. «Wir müssen nun auch in Nachbargemeinden wie Oftringen oder Rothrist suchen», sagt Dodurga.
Secondos mit Schweizer Pass
Der drohende Wegzug aus Aarburg nervt Dodurga und seinen Vorstandskollegen Tarik Baltepe. Sie sind Teil einer jüngeren Generation, die das Zepter im Verein übernommen haben. Sie sind Secondos mit Schweizer Pass, breitestem Schweizerdialekt und guten Jobs. Der eine Logistik-Leiter in einer grossen Firma, der andere Tankstellen-Betreiber. Sie haben die Integration des Vereins ins Städtchen forciert. Pflegen mit dem Aarburger Gemeindeammann Hans-Ueli Schär einen guten Kontakt und sind vor zwei Jahren auch dem Vorort, einem Zusammenschluss der Aarburger Vereine, beigetreten.
Einen Platz für ein muslimisches Gebetshaus zu finden ist aber schwierig. «Wir müssen uns immer für unsere Religion rechtfertigen», sagt Baltepe. Dabei gebe es doch nur einen Gott. Der sei für alle Menschen da. Er sei nicht anders, als andere Schweizer. «Ich zahle die Krankenkasse und liebe das Wandern.» Auch Politik habe in der Moschee nichts verloren. Auf den Einwand, die Moschee werde aber von Erdogan unterstützt, kontert Baltepe: «Der Imam wird schon seit Jahren von der Türkei finanziert.» Das hätte nichts mit Erdogan zu tun. Sie hätten bei der grünen Moschee in all den Jahren seit der Gründung 1990 auch noch keinen negativen Vorfall gehabt. Dennoch müssten sie sich als Türken immer rechtfertigen, sagt Baltepe. «Meine Vision ist eigentlich ein grosses Haus für alle Religionen.» Er versuche, möglichst ohne Vorurteil durchs Leben zu gehen, sagt Baltepe.
«Unsere Türen sind für alle offen», sagt auch Dodurga. Neben dem Gebetsraum und der Arbeit des Imams gehören auch der Religionsunterricht und kulturelle Anlässe zur Moschee. «Am Freitag und am Sonntag läuft viel, an anderen Tagen kommen die Leute vor allem zum Beten.»
Gemeindeammann Schär äussert sich zur grünen Moschee betont neutral: «Wenn der Verein in Aarburg einen neuen Standort findet, ist das für uns in Ordnung.» Man sage sicher nicht, die Moschee müsse weg. «Aber wir sehen sie auch nicht als Standortvorteil und wollen sie daher nicht um jeden Preis in Aarburg halten.» Ernsthafte Probleme habe die Moschee nie gemacht. «Einzig das Verkehrsaufkommen war ab und zu ein Thema», so Schär. Zeitweise hätten die vielen falsch parkierten Autos das Trottoir versperrt. Dies konnte aber gütlich geregelt werden.
Aussprache zur Squash-Halle
Bezüglich des Kaufs der Squash-Halle habe er sich mit dem türkischen Verein ausgesprochen, sagt Schär. Der Kauf der Halle sei nicht gegen den Verein gerichtet gewesen.
Zum Ende führt Dodurga in den Keller, in den schönsten Raum der Moschee, den Gebetsraum. Der Teppich gegen Mekka ausgerichtet, die Wände geschmückt. «Und sagen Sie den Zeitungs-Lesern, wir könnten bei der Suche nach einem neuen Standort noch Hilfe gebrauchen», meint Dodurga und fügt im Sinne eines Werbespots an: «Wir bringen einen positiven Beitrag zu einem multikulturellen Leben einer Gemeinde.»