Die Nutzer sollen die neue E-ID selber verwalten: «Dann geht die Post ab, dann kann etwas Grosses geschehen»

Am 7. März sagte die Schweiz mit 64,4 Prozent Nein zur elektronischen Identität (E-ID). Es war eine unerwartet deutliche Schlappe für eine E-ID mit privaten Betreibern.

Das Nein entwickelt sich zum grossen Glücksfall. Das verdeutlichte das öffentliche Hearing der parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit (Parldigi) vom Dienstag. Es beschäftigte sich mit dem Diskussionspapier «Zielbild E-ID».

Welchen Nutzen soll eine E-ID haben?

Das Bundesamt für Justiz hat es nach dem Nein erarbeitet und nun in eine öffentliche Anhörung geschickt. Im Zentrum stehen diese Fragen: Welchen Nutzen soll eine E-ID haben? Und welche Anwendungen gibt es?

«Die Zusatzschlaufe hat sich gelohnt», sagt SP-Nationalrätin Edith-Graf Litscher. Als Co-Präsidentin von Parldigi hat sie den Anlass initiiert. Nun seien die wesentlichen Akteure involviert. «Und es steht kein betriebstechnisches Modell im Vordergrund, sondern der Nutzen für Bevölkerung und Wirtschaft.»

Im Vordergrund steht die selbstbestimmte Identität

Seit der Abstimmung kam es zu einem massiven Paradigmenwechsel: Neu soll die E-ID nicht mehr nur ein Log-in sein, sondern ein digitaler Ausweis. Er soll Basisbaustein sein für eine breit nutzbare digitale Infrastruktur der Schweiz, die offen ist und dynamisch erweitert werden kann. Darin spielt der Staat eine zentrale Rolle.

Technisch gesehen gibt es zwar drei Varianten. Doch es steht damit eindeutig eine Lösung mit der Self Sovereign Identity (SSI) im Vordergrund, der selbstbestimmten Identität. Das zeigte die Anhörung von Parldigi. Die Schweiz müsse eine staatlich betriebene digitale Vertrauensinfrastruktur über SSI aufbauen, sagte Christoph Graf, Programmleiter der Switch edu-ID, einem Bildungs-Log-in im Hochschulbereich. «Dann geht die Post ab, dann kann etwas Grosses geschehen.»

Die Hoheit über ihre Daten bleibt bei den Nutzern

SSI ist dezentral. Nutzerinnen und Nutzer sind nicht von einem zentralen Identitätsdienstleister abhängig, sie verwalten ihre Identitäten selbst. Ähnlich wie bei der Covid-App bleibt damit die Hoheit über die Daten bei den Nutzern.

Persönliche Identitätsmerkmale wie Name, Vorname oder Geburtsdatum werden in einer elektronischen Brieftasche («Wallet») auf dem Handy hinterlegt. Der Staat bestätigt sie. Das sind dann «Verified Credentials». SSI ist datensparsam und erfüllt den Grundsatz «Privacy by Design»: Der Datenschutz wird schon bei der technischen Lösung berücksichtigt.

Bildung und Gesundheit können integriert werden

Mit SSI könnten diverse Bereiche modulartig integriert werden. Zum Beispiel der gesamte Hochschulbildungsbereich mit 560’000 Identitäten und 1’400 Diensten, die der Switch edu-ID angeschlossen sind.

Oder der Gesundheitsbereich. So hält heute die Health Info Net AG (Hin) die Hin eID, die am weitesten verbreitete elektronische Identität im Gesundheits- und Sozialwesen. «Wir arbeiten heute schon mit SSI-Strukturen», sagte Urs Fischer, Leiter Business Development und Innovation.

«Hin begrüsst eine SSI-Lösung.»

Damit könnte sich die Digitalisierung auch auf Seite der Patienten mit dem elektronischen Patientendossier massiv beschleunigen, liess Fischer durchblicken.

Christoph Graf glaubt, dass auch der öffentliche Verkehr mit dem Swiss Pass Teil dieser Infrastruktur werden könnte. «Je mehr Organisationen wir in eine solche Struktur reinbringen, desto stärker können die Fantasien der Anwenderinnen und Anwender beflügelt werden.»