«Die Zeit der Last-Minute- Angebote ist vorbei»

ZUR PERSON

Hansruedi Hauri jun. ist seit 2011 Geschäftsführer der Hauri Reisen AG in Zofingen, zu der seit 2015 auch «Ekoreisen» gehört. Der 36-Jährige absolvierte eine Verwaltungslehre bei der Gemeinde Holziken. Danach war er zehn Jahre als Buchhalter bei Knecht Reisen tätig, ehe er das Reisebüro seines Vaters übernahm. Dieser hatte die Hauri Reisen AG 1986 gegründet. Für seine Kunden ist Hansruedi Hauri heute insbesondere Ansprechpartner für Gruppenreisen, Fluss- und Kreuzfahrten. Wenn er nicht auf Reisen ist, verbringt er seine freie Zeit gern daheim Garten oder mit Kochen. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Die Familie lebt in Zofingen.

Hansruedi Hauri, wie beurteilen Sie Zofingen aus touristischer Sicht?

Hansruedi Hauri: Zofingen ist eine tolle Stadt, die Altstadt einmalig. Wäre Zofingen an der Donau oder dem Rhein gelegen, könnte sich die Stadt vor Touristen kaum retten. Aber eben, Zofingen ist kein Touristen-Hotspot in der Schweiz. Wir müssten wohl einen See graben, um das zu ändern (lacht).

Empfangen Sie jetzt im Winter besonders viele Kunden im Reisebüro?

Ja, das erste Quartal des Jahres ist bei uns Hauptbuchungszeit. Obwohl, es hat sich inzwischen etwas verschoben. Die Leute planen ihre Ferien immer früher. Wir bekommen darum auch im November und Dezember schon viele Anfragen.

Welches sind die beliebtesten Ziele momentan?

Der gesamte Norden boomt. Island zum Beispiel kann sich vor Touristen kaum mehr retten. Kanada und Südafrika sind bei den Fernstrecken beliebt. Spanien, Italien und Griechenland laufen sehr gut. Touristen fühlen sich in diesen Ländern sicher, obwohl man die Sicherheit nie garantieren kann. Fluss- und Kreuzfahrten boomen ebenfalls.

Wohin geht der Trend in Sachen Reiseverhalten: Sind eher Pauschal- oder Individualreisen gefragt?

Unsere Kunden buchen vor allem individuell zusammengestellte Reisen. Die Pakete ab der Stange, die in den Broschüren angeboten werden, sind nur Ideen. Es kommt selten vor, dass jemand exakt die im Katalog vorgestellte Rundreise wünscht.

Welche Orte werden eher gemieden?

Ägypten, Tunesien und die Türkei. Bei Ägypten spürt man zwar wieder ein leichtes Wachstum. Die Türkei an sich ist nicht unsicher und die Preise wären sensationell. Viele Touristen verzichten aber auf Ferien dort, weil ihnen Präsident Erdogan nicht passt. Eine ähnliche Situation gab es in den USA während Bushs Präsidentschaft. Als Obama kam, wurde Amerika als Ferienland wieder beliebter.

Ist das Reisen unsicherer als früher?

Technisch gesehen ist es sicherer geworden. 2017 war zum Beispiel das Jahr mit den wenigsten Flugunfällen. Terroranschläge gab es schon immer, sie haben sich nur verschoben. Heute sind auch europäische Gebiete betroffen.

Leidet der Tourismus heutzutage verstärkt unter den Auswirkungen von politischen Krisen oder Terroranschlägen?

Man merkt, dass die Leute durch das Internet schneller wissen, was in der Welt passiert. Das gilt auch für Ereignisse mit kleiner Reichweite, die sich dann auf das Reiseverhalten auswirken können. Weiter spürt man die Auswirkungen der Medien. Sie spielen manche Themen hoch, zum Beispiel Wetterphänomene wie grosse Stürme. Die gibt es in gewissen Gebieten halt einfach jedes Jahr, das ist nichts Besonderes. Trotzdem schreckt es Touristen ab.

Welche Ereignisse haben den Tourismus in den letzten Jahren am meisten geprägt?

Stark spürbar waren die Anschläge von Paris und Nizza sowie die Flüchtlingskrise. Ereignisse wie die Währungskrise oder die Groundings von Air Berlin und Niki letztes Jahr machten sich ebenfalls bemerkbar.

Spürbar ist für die Reisebüros sicher auch die Konkurrenz aus dem Internet, die diversen Online-Buchungsplattformen. Vor welche Herausforderungen stellt Sie die Digitalisierung?

Die Digitalisierung hat in der Reisebranche schon relativ früh angefangen. Hotels und Flüge waren so ziemlich das Erste, was im Internet angeboten wurde. Mit diesem Umstand mussten wir schon die letzten 15 Jahre leben und uns darauf einstellen. Es sind in den letzten Jahren viele kleine Reisebüros verschwunden, davon viele ohne Kundengeldabsicherung. Eine gewisse Grösse ist nötig, um in diesem Volumenmarkt mit kleinen Margen zu bestehen. Deshalb haben wir vor drei Jahren auch Ekoreisen Olten und Balsthal übernommen und in die Hauri AG integriert.

Mit welchen weiteren Strategien schaffen Sie es, heutzutage als Reisebüro zu überleben?

Unser Kapital sind unsere langjährigen Mitarbeiter. Wir bilden sie in den Bereichen, wo ihre Stärken liegen, noch weiter aus. Dazu gehören Kurse, Studienreisen und Besuche in unseren Zieldestinationen. Der Angebotswald im Internet ist riesig. Unsere Aufgabe ist, für den Kunden das optimale Angebot herauszusuchen. So können wir einen Mehrwert gegenüber dem Internet bieten. Wir machen neu auch Beratung auf Termin, was sehr geschätzt wird. Das spontane Hineinlaufen ins Reisebüro wird weniger. Weiter haben wir uns spezielle Standbeine errichtet.

Zum Beispiel?

Wir betreiben eigene Gruppenreisen, organisiert durch unsere Gruppenabteilung in Olten. Die Reiseleiter produzieren das Programm selbst und kennen viele der Kunden schon von anderen Reisen. Unsere Kundenbeziehungen sind unser Kapital. Ein weiteres Standbein sind Firmenausflüge, Firmenjubiläen, Verwaltungsratsreisen oder Vereinsreisen. Die Reisen sind massgeschneidert und im Netz so nicht verfügbar. Unsere Flussfahrten und Volksmusikreisen sind ein weiteres Produkt, das wir anbieten.

Welche Altersgruppen sind unter Ihren Kunden vertreten?

Es ist durchmischt. Die Kreuz- und Flussfahrten sind klar ein Produkt für die Zielgruppe 65 Plus. Dann bekommen wir viele Anfragen der Gruppe der 45- bis 60-Jährigen, die eher Individual- und Gruppenreisen buchen. Familien kommen auch wieder vermehrt ins Reisebüro. Am kleinsten ist der Anteil der Unter-30-Jährigen. Diese Personen buchen entweder online oder verreisen noch mit den Eltern, wenn ihr Budget noch nicht so gross ist. Trotzdem nimmt diese Zielgruppe zu. Jüngere Kunden, die beruflich stark eingespannt sind, mögen abends nicht noch lange im Netz surfen und nach Ferienangeboten suchen.

Wie versuchen Sie, das Reisebüro für die jüngere Zielgruppe attraktiver zu machen?

Wir bilden Lehrlinge aus, die viel Neues in den Betrieb einbringen. Es ist erstaunlich, wie dadurch vermehrt gleichaltrige Kunden den Weg zu finden.

Gibt es heutzutage noch Last-Minute-Angebote?

Das ist vorbei. Früher hatten wir noch einen Bundesordner voll mit solchen Angeboten. Heute muss man sehr viel Glück haben. Wenn jemand seine Reise annulliert, kann man vielleicht kurzfristig noch irgendwo ein Schnäppchen ergattern. Es hat ein wahnsinniger Wandel in diesem Bereich stattgefunden.

War es für Sie trotz dieses Wandels schon immer klar, dass Sie mal das Reisebüro Ihres Vaters übernehmen werden?

Ich habe zuerst ein paar Mal Nein gesagt, als das Thema damals zur Sprache kam (lacht). Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber bereits zehn Jahre als Buchhalter bei Knecht Reisen gearbeitet. Die Zeit war reif, etwas anderes zu machen. Bei Knecht habe ich bei der Integration der Firmen mitgewirkt, die das Unternehmen aufkaufte. Ich fand, es kann nicht sein, dass niemand mehr selbst Unternehmer sein möchte. Dass alle kleinen Reisebüros in den grossen Unternehmen aufgehen und wir am Ende nur noch einen Einheitsbrei haben. Ich habe mich darum zu diesem Schritt entschieden. Klar, das war und ist eine Herausforderung. Ich freue mich darum immer, wenn ich höre, dass irgendwo ein Reisebüro von einem Nachfolger übernommen wird.

Ihre Lehre haben Sie nicht in der Reisebranche absolviert, sondern auf der Verwaltung der Gemeinde Holziken.

Genau. Mit dem Tourismus war ich aber immer verbunden. Nach der Lehre ging ich ein Jahr nach Neuseeland, danach habe ich direkt meine Stelle bei Knecht Reisen angetreten. Mit der Zeit hat es mir gefehlt, etwas Kreatives zu machen. Jetzt, als Leiter eines KMUs, kommt täglich etwas Neues auf mich zu. Ich muss mich mit so vielen verschiedenen Dingen beschäftigen – vom Marketing bis zum IT-Bereich. Das macht es so spannend.

Kommen Sie als Geschäftsführer selbst noch zum Reisen?

Ja, ich achte darauf, dass ich trotzdem noch Studienreisen für unseren Betrieb machen kann. Letztes Jahr war ich zum Beispiel in Namibia, davor in Japan. Privat reise ich mit meiner Familie jedes Jahr ein paar Wochen auf die Philippinen, wo meine Frau herstammt. Das ist für mich fast eine zweite Heimat.

Wie gehen sie vor, wenn Sie selbst Ferien organisieren?

Ich nehme ein paar Prospekte mit nachhause und dann schauen wir, wohin es gehen könnte. Manchmal verlege ich die Ferien bewusst an einen Ort, den wir später in unser Angebot aufnehmen könnten. Dann besuche ich vor Ort verschiedene Strände und sehe mir Hotels an. Früher sind wir spontan verreist, heute planen wir strukturierter und buchen früher: Unsere Tochter ist jetzt im kleinen Kindergarten.

Haben Sie eine Lieblingsdestination?

Wenn man in der Reisebranche arbeitet, wechselt das häufig (lacht). Neuseeland war aber lange mein liebstes Ziel, wie auch Australien. Namibia ist auch wunderschön, das kann man nicht beschreiben, sondern muss es gesehen haben. Und heute natürlich die Philippinen mit ihren über 7000 Inseln. Da wird es nie langweilig.

Welche Reise möchten Sie unbedingt mal machen?

Ich will irgendwann mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Peking fahren.

Gibt es auch Länder, die Ihnen nicht gefallen haben?

Das kann man so nicht sagen. Ein spezielles Land ist aber China. Ich weiss nicht, ob ich das Gesehene als schön bezeichnen würde. Aber es ist sehr spannend und interessant. Ich habe von Yichang bis Chongquing eine Flussfahrt auf dem Yangtze gemacht und dabei den gewaltigen Staudamm besucht, für dessen Bau man ganze Landschaften zerstört hat. Der Besuch war ein zwiespältiges Erlebnis.

Waren Sie schon mal in Nordkorea?

Nein, aber ich habe von einem Kunden ein paar Geschichten gehört. Internet ist nicht verfügbar und Mobiltelefonie nur mit lokalen SIM-Karten möglich. Individuell bewegen können sie sich nach wie vor nicht. Jeder Reisende erhält einen Aufpasser, der einen begleitet. Das Hotel ist vorgebucht. Der Kunde hat erzählt, er habe während der Reise wenige anderen ausländischen Touristen zu Gesicht bekommen – ausser bei einem Theaterbesuch. Danach ging es schnell zurück ins Hotel. Auch für erfahrene Reisende ist Nordkorea eine Herausforderung aber gleichzeitig ein spannendes Reiseland – aber es scheint vor allem für jene Touristen in Frage zu kommen, die schon alles andere gesehen haben.

Welche Destination könnte künftig richtig boomen?

Auch hier kann ich wieder die Philippinen erwähnen. Das Land wird in der Presse oft schlecht gemacht. Dabei ist es eine Traumdestination. Bei asiatischen Touristen läuft es jetzt schon sehr gut. Die Inseln haben dort einen ähnlichen Status wie in Europa Mallorca, nur überhaupt nicht überlaufen. Sri Lanka dürfte bald auch wieder beliebter werden, seit Edelweiss Direktflüge anbietet. Wer dort noch die ursprünglichen Gebiete sehen möchte, sollte sich beeilen.