Dieter Egli (SP) und Christiane Guyer (Grüne) wollen den Bürgerlichen einen Regierungsrats-Sitz abluchsen – so sah ihre Attacke aus

Für die fünf Regierungssitze im Aargau, die am 18. Oktober neu zu besetzen sind, haben sich insgesamt zwölf Kandidatinnen und Kandidaten beworben – realistische Chancen haben aber nur die sechs, deren Parteien im Grossen Rat vertreten sind. Das sind die vier bisherigen Regierungsräte Stephan Attiger (FDP), Markus Dieth (CVP), Jean-Pierre Gallati und Alex Hürzeler (beide SVP) sowie die zwei neuen Dieter Egli (SP) und Christiane Guyer (Grüne).

Bei einem Podium von Radio Argovia, Aargauer Zeitung und Radio SRF diskutierten die sechs aussichtsreichsten Kandidierenden am Dienstagabend im Kultur- und Kongresszentrum Aarau. Radio-Argovia-Redaktionsleiter Urs Hofstetter fragte zuerst Dieter Egli und Christiane Guyer, welcher der vier Bisherigen abgewählt werden sollte, damit das linke Duo in den Regierungsrat einziehen könnte. Denn das ist das erklärte Ziel von Egli und Guyer, die sich nicht um den frei werdenden Sitz von Urs Hofmann (SP) streiten, sondern ein zweites Mandat für Links-Grün erobern wollen.

Einen Lieblingsgegner oder einen Mann, auf den sie zielen, haben die beiden aber nicht. Egli sagte: „Der Wahlzettel hat fünf Linien, darauf haben die Namen von Christiane Guyer und mir Platz“. Guyer blieb noch defensiver und meinte schlicht, die Bevölkerung solle am 18. Oktober die Wahl treffen. Einen kleinen Vorteil hatten die Herausforderer: Sie durften für das Podium jeweils auswählen, mit welchem Gegner sie sich in der Diskussion duellieren möchten.

Gallati gegen Egli: Maskenpflicht, GAV, Flüchtlinge

Für das erste Duell hatte Dieter Egli, der heute Fraktionschef der SP im Grossen Rat ist, Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (SVP) ausgewählt. Egli ist Laienschauspieler und sagte, auf die Frage von AZ-Chefredaktor Rolf Cavalli, man müsse auch auf der Bühne auf die Mitspieler achten, im Team auftreten und immer wissen, welche Rolle man inne habe.

Jean-Pierre Gallati war bis letztes Jahr als Fraktionschef der SVP im Grossen Rat der Oppositionsführer im Parlament, der oft mit scharfen Worten und Kritik an der Regierung und am politischen Gegner auffiel. «Wie mir der Rollenwechsel gelungen ist, muss die Bevölkerung beurteilen», sagte er. Wichtig sei tatsächlich, dass man seine Rolle kenne – aber noch mehr, dass man zum Erfolg komme.

Egli gab Gallati für dessen Krisenmanagement während der Coronapandemie eine genügende Note, leicht über 4. „Nach dem Ausstieg aus dem Lockdown habe ich das Departement nicht gespürt – es gab viele Diskussionen und Unklarheiten, zum Beispiel um die Maskenpflicht“, sagte Egli. Gallati entgegnete, er sehe nicht, was bei diesem Thema unklar sei. „Im Aargau gibt es keine Maskentragpflicht in den Läden, weil diese nichts bringt.“ Egli fand, die Leute würden sich damit besser geschützt fühlen, eine Maskenpflicht in Läden wäre aus seiner Sicht wünschenswert.

Auch bei zwei anderen Themen waren sich die beiden Duellgegner nicht einig. Egli fand, es brauche zwingend einen Gesamtarbeitsvertrag im Gesundheitswesen. Insgesamt seien die Löhne zu tief, bei privaten Anbietern gebe es auch schlechtere Arbeitsbedingungen. Gallati widersprach und sagte, für einen flächendeckenden GAV gebe es keinen Bedarf, zumal die Kantonsspitäler schon einen hätten.

Soll der Kanton Flüchtlinge aus Moria aufnehmen? Ja, sagte Egli und hielt fest, die Zahl von 500 Personen, die vom Netzwerk Asyl gefordert wird, scheine auf den ersten Blick hoch. „Aber wir hätten den Platz und die Möglichkeit dazu, und wir sollten das tun.“ Gallati entgegnete, wenn der Bund Flüchtlinge aus Moria aufnehme, werde der Kanton sein Kontingent erfüllen. „Aber darüber hinaus eine Vorreiterrolle zu spielen und mehr aufzunehmen, lehne ich ab.“

Guyer gegen Attiger: Klimaschutz, Strassenbau und Veloförderung

Christiane Guyer trat in ihrem ersten Duell gegen Stephan Attiger an und sagte, sie würde in der Regierung versuchen, diesem etwas Beine zu machen. Zum neuen Energiegesetz sage sie zwar Ja, aber die Grünen möchten, dass der Aargau mehr investiert in den Klimaschutz. „Es geht um die grossen Linien, spätestens bis 2050 müssen wir beim CO2-Ausstoss bei netto Null sein, von mir aus lieber noch früher“, sagte sie. Das Energiegesetz sei eine gute Grundlage, aber das reicht nicht, hielt Guyer fest. 

Attiger sagte bei seiner Nomination, er wolle mehr Umweltdirektor, dafür weniger Bau- und Verkehrsdirektor sein. Der Aargau solle bis 2050 klimaneutral sein, am Anfang brauche es dafür einen Effort, hielt er fest. „Wir wollen die CO2-Abgaben, die Aargauerinnen und Aargauer zahlen, wieder zurückholen in den Kanton.“ Derzeit habe der Kanton nur Kompetenz bei den Gebäuden, dort sei man auf Kurs – aber es brauche zusätzliche Anstrengungen.

Guyer sagte, es sei auch ihr als Grünen-Kandidatin klar, dass man Kompromisse machen müsse. „Die Regierung muss mehrheitsfähige Vorschläge bringen.“ Die Klimaschutzinitiative sei ein guter Steilpass, die Bevölkerung habe die Möglichkeit, am 18. Oktober eine Regierung zu wählen, die für mehr Klimaschutz einstehe.

Attiger wehrte sich gegen die Aussage von Moderator Maurice Velati von Radio SRF, er habe mit den vielen neuen Umfahrungen viel mehr Verkehr generiert „Wir gewinnen Siedlungsraum, wenn wir den Verkehr aus dem Zentrum bringen, dafür wird weniger grüne Wiese zersiedelt.“

Guyer würde lieber Velowege und Eisenbahnen bauen. „Wenn man die Verkehrsmeldungen am Radio hört, wird es immer schlimmer. Wir sind beim Strassenausbau an der Grenze, es braucht neue Ansätze, mit kombiniertem Verkehr und mehr öV und Velos in den Zentren.“

Egli gegen Dieth: GE-Abbau und Gewinnsteuern

Das dritte Duell lieferten sich Finanzdirektor Markus Dieth und Herausforderer Dieter Egli – sie diskutierten den massiven Stellenabbau von General Electric (GE) im Aargau und die Möglichkeiten der Regierung, sich dagegen zu wehren. 

„Wir müssen unsere Qualitäten aufzeigen, das ist natürlich bei internationalen Firmen schwieriger“, sagte Dieth. Letztlich seien Verlagerungen von Werken marktwirtschaftliche Entscheide, „die wir nicht bis ins Letzte beeinflussen können. Wir kämpfen weiter, aber die Situation ist nicht einfach“, räumte Dieth ein.

Egli sagte, Politiker und Gewerkschafter in der Schweiz seien offenbar zu nett. „Der Staat und die Sozialpartnerschaft sind in Frankreich viel stärker. Das nützt ganz offensichtlich, es werden dort Stellen abgebaut, wo sich Politik und Leute am wenigsten wehren.“

Dieth verteidigte das Volkswirtschaftsdepartement des abtretenden SP-Regierungsrats Urs Hofmann, man habe stets den Kontakt mit GE gesucht. „Das hat mit der Partei nichts zu tun, in der Regierung setzen sich alle für das Wohl des Kantons ein“, hielt er fest.

Bürgerliche und Wirtschaft fordern eine Senkung der Gewinnsteuern für Unternehmen, die Regierung ist bereit, dieses Anliegen zu prüfen. Dieth wies darauf hin, dass der Aargau für grosse Firmen mit einem Satz von 18,6 Prozent am Schwanz der Kantone sei. „Wir werden eine gute Analyse und Vorschläge machen, das ist nötig, wenn wir für die Hauptsteuerzahler unattraktiv sind“, sagte er.

Dieter Egli sagte: „Ich könnte eine Senkung der Gewinnsteuer als Regierungsrat nicht glaubwürdig mittragen – das war ein Hüftschuss der bürgerlichen Mehrheit im Grossen Rat.“ Alle hätten gewusst, dass der Aargau bei der Gewinnsteuer am Ende der Kantonsrangliste sein würde, dafür gebe es andere Abzugsmöglichkeiten. Egli möchte sogar frühere Steuersenkungen zurücknehmen, um in Gesundheit, Sicherheit und Bildung zu investieren.

Guyer gegen Hürzeler: Schule, Fernunterricht und Chancengleichheit

Im vierten Duell traf Christiane Guyer auf Bildungsdirektor Alex Hürzeler und kritisierte sogleich: „Ende Sommerferien wusste man nicht so recht, wie es mit der Schule im Zusammenhang mit der Coronapandemie weitergehen sollte – etwas mehr Information vom Bildungsdepartement wäre gut gewesen.“

Hürzeler entgegnete: „Die überwiegende Mehrheit der Schulen ist froh, dass auch beim Umgang mit dem Coronavirus nicht von Aarau aus befohlen wird. Wir wissen nicht, wie die nächsten Monate aussehen, vor Ort können Schulleiterinnen und Lehrer am besten entscheiden.“ Wenn er Schulbesuche mache und Rückmeldungen erhalte, dann zumeist diese: „Die Schule Aargau funktioniert und viele Lehrpersonen sind zufrieden. Wenn man ständig über Reformen und Sparmassnahmen reden muss, dann kann das nerven. Jetzt gehen wir in eine ruhigere Phase – abgesehen von Corona, da ist Flexibilität gefragt, denn es wird sicher wieder Fernunterricht geben.“

Guyer betonte, dass Bildung das höchste Gut der Schweiz sei, in diesem Bereich seien Verbesserungen nötig. „Es braucht mehr Chancengleichheit, es braucht die nötigen Hilfsmittel für alle, gerade in der Coronakrise“, forderte sei. Guyer gab ein konkretes Beispiel: „Die Schulen müssten zum Beispeil für Laptops für den Fernunterricht sorgen, das darf nicht nur Aufgabe der Eltern sein.“ Und sie brachte eine weitere Forderung ein: „Es braucht frühe Sprachförderung, da muss mehr investiert werden – und wir müssen diskutieren, wer die Kosten für die Integration zahlt.“

Guyer gegen Egli: Frauenfrage, Erfahrung und der Traum vom Doppelsieg

Zuletzt trafen noch die beiden linken Kandidierenden aufeinander, im Duell der Herausforderer ging es zuerst um die Frauenfrage. „Ich bin die einzige Frau, das bin ich mir gewohnt, ich halte das aus“, sagte Guyer. Sie vertrete nicht nur das weibliche Geschlecht, sondern auch den Westaargau, sagte Guyer, um aber rasch wieder auf die Frauenfrage zurückzukommen: „50 Prozent der Bevölkerung sind Frauen, ich bringe diese Lebenserfahrung und Perspektive ein, das würde sonst fehlen.“

Egli hielt fest: „Ich sage nicht, dass ich eine Frau oder ein Feminist bin, das bin ich beides nicht.“ Die Situation mit fünf Männern in der Regierung sei nicht ideal, räumte er ein. Er habe im Vorfeld seiner Nomination mit vielen Leuten gesprochen und alle hätten ihm gesagt, die Frauenfrage müsse nicht er selber mit seiner Kandidatur entscheiden. Das sei Sache der Parteibasis – „und die hat nun aufgrund der vorliegenden Auswahl mich nominiert.“

Ziel der beiden Linken sind zwei Sitze, dennoch könnten sie Konkurrenten werden, wenn es nur für einen Sitz reicht. SP und Grüne hätten es nicht nötig, einander zu bekämpfen, hielt Egli dazu fest. „Wir kämpfen zusammen für eine sozialere und ökologischere Welt.“

Guyer rechnete Wähleranteile vor: Bei den Nationalratswahlen 2019 hätten SVP und FDP einiges verloren, zusammen mit der CVP kämen sie auf 55 Prozent, das reiche für drei Sitze. „Daneben hat es Platz für zwei linke Regierungsmitglieder. Ich komme mit der Unterstützung der GLP auf 16 Prozent, die SP ist selber in diesem Bereich, also ist die Rechnung einfach.“ Zum Schluss brachte Guyer einen sportlichen Vergleich an: „Dieter Egli und ich wären wohl in einem gemeinsamen Skiteam, wie die Schweiz und Liechtenstein – und peilen einen Doppelsieg an.“