Sie sind hier: Home > Front > Ein Pionierprojekt schreibt die Aargauer Zeitgeschichte auf – das Resultat packt sogar Geschichtsmuffel

Ein Pionierprojekt schreibt die Aargauer Zeitgeschichte auf – das Resultat packt sogar Geschichtsmuffel

Ein Pionierprojekt schreibt die Aargauer Zeitgeschichte auf – das Resultat packt sogar Geschichtsmuffel

Auf über 600 Seiten fasst der Wälzer «Zeitgeschichte Aargau» die Kantonsgeschichte von 1950 bis 2000 zusammen. Darunter sind heitere Anekdoten und überraschende Trouvaillen. 

Anna Raymann

Fred Mayer, StAAG

Im Aargau wurde Papa Moll erfunden, DJ Bobo übte seine ersten, später legendären Tanzschritte und hier wurde der erste Döner der Schweiz verkauft. Das allein schon sollte Grund genug sein, diesen Schmelztiegel der Regionen genauer anzuschauen. Trotzdem musste der junge Kanton 200 Jahre alt werden, um ein konkretes Projekt zu lancieren. Zu jenem runden Geburtstag schenkte sich die Historische Gesellschaft Aargau eine neu geschriebene Kantonsgeschichte – das reichhaltige Geschichtsbuch erscheint heute. Der nüchterne Titel «Zeitgeschichte Aargau 1950 bis 2000» verrät nicht, welcher Fundus an klugen Informationen und munteren Anekdoten sich in dem 2,4 Kilo schweren Band verbirgt.

Rund 60 Zeitzeugengespräche und etliche Archivgänge stecken zwischen den Buchdeckeln. Blättert man durch die Kapitel, erkennt man rasch: Entstanden sind eigentlich fünf Bücher. Geschrieben wurden sie von einem diversen Team – das heisst hier, die Beteiligten vertreten die verschiedenen Aargauer Regionen – das Lead führen die Historiker Fabian Furter und Patrick Zehnder:

Ihre «Zeitgeschichte» fängt nicht bei Napoleon Bonaparte an, schon gar nicht bei den Römern – sondern bei der ersten vollautomatischen Waschmaschine der Schweiz, die Merker 1950 gebaut hat.

Chris Iseli

Wer den Kanton verstehen will, findet hier die Zusammenhänge historisch sorgfältig aufgearbeitet. Doch auch Geschichtsmuffel werden gerne stöbern, denn die Aargauer Geschichte ist reich, Trouvaillen aus dem Ringier Bildarchiv bebildern sie. Nach monatelanger Arbeit haben auch die Autoren ihre Lieblingsbilder. Jenes von Patrick Zehnder zeigt einen Jungen vor einer riesigen Kartoffel: «Dieser Bub von 1952 spricht mich an, weil ich selbst mal ein solcher Junge war», schmunzelt Zehnder. Das Bild steht am Anfang des Forschungszeitraums, einer Zeit, in der sich die Landwirtschaft der Landesversorgung verschrieben hat. Patrick Zehnder:

Das Bild, das Fabian Furter mitbringt, spult rund 20 Jahre vor. Darauf Hochhaus samt Parkplatz in Vogelperspektive, es diente als Unterrichtsmaterial. «Solche Schulwandbilder habe ich noch scheu erlebt», erzählt Furter. Die Bilder kamen stets mit einem Kommentar für die Lehrpersonen daher, derjenige zum Blick auf Spreitenbachs Pionierbauten war besonders kritisch: «Die Agglomeration wuchert ins freie Land. […] Mehr und mehr Äcker werden von der Betonkruste überzogen.» Gerade dieser Widerspruch interessiert Fabian Furter:

zvg

Die 620 Seiten bilden das Rückgrat des Projekts. Dazu kommen Dokumentarfilme, ein Vermittlungskonzept mit der FHNW und eine Fotoausstellung im Stadtmuseum Aarau. Ob all dieser Facetten – was für ein Kanton ist der Aargau nun? «Eine These, die mich stets begleitete, ist ‹der Aargau als Testfeld der Moderne›», erzählt Furter, «im Aargau steht das erste Einkaufszentrum der Schweiz, hier gab es Jugendzentren, lange bevor Zürich welche hatte.» Es ist ein akribischer, aber ebenso zärtlicher Blick, den die Historiker auf den Kanton richten. So manches Vorurteil wird entlarvt. «Die Aargauer werden selbstbewusster, man blickt mit Ironie auf die Klischees, die man in den 70er-Jahren jämmerlich beklagte», so Furter und:

Verwandte Themen

Das Momentum jetzt nutzen

03. Dezember 2021 15:37 Uhr

Die Ausschreibung läuft

02. Dezember 2021 12:51 Uhr

Title Fake Story ID 

02. Dezember 2021 08:57 Uhr

Frank Kafka

01. Dezember 2021 13:03 Uhr