Ein Tessiner soll es richten: Marco Chiesa ist neuer SVP-Chef

Marco Chiesa löst Albert Rösti an der Spitze der grössten Partei der Schweiz ab. Zu einer Kampfwahl kam es nicht: Der Zürcher Nationalrat Alfred Heer zog seine Kandidatur zurück. Benjamin Fischer, Präsident der Zürcher SVP, sagte vor den Delegierten, Heer hätte sich nicht um dieses Amt gerissen. Er hätte sich aber zur Verfügung gestellt, wenn die Partei ihn gebraucht hätte. Dies sei nun aber nicht der Fall: «Heer hat noch einmal Glück gehabt.»

 

Für die SVP geht damit eine schwierige Periode zu Ende. Die Suche nach einem Parteipräsidenten glich zeitweise einer Tragödie. Die, die sollten, wollten nicht. Und die, die wollten, durften nicht. Trotzdem sprach Caspar Baader, Präsident der Findungskommission, von einem «Coup». Das Verfahren beschrieb er als wohlorchestriert. Man habe sich bewusst entschieden, den Namen Marco Chiesa erst Ende Juli publik zu machen, damit dieser während des Sommerlochs von den Medien nicht zerrissen werde. Chiesa sei der ideale Kandidat, um die Deutsch-, Westschweizer und Tessiner zusammenzuführen. Er spreche fliessend französisch. Und ja, er sei auch «arenatauglich». Sprich, er spreche gut Deutsch.

Erst kritische Meldungen, dann Standing Ovation

Kritische Voten gab es zwar, weil die Delegierten keine Auswahl bekommen hatten. Die Delegierten wählten Chiesa schliesslich aber mit einer Standing Ovation. Eine Auszählung der Stimmen war nicht möglich.

«Es lebe die Schweiz, es lebe die SVP», sagte der neu gewählte Präsident. Er machte auch klar, dass die SVP unter ihm nicht grüner und ein bisschen sozialer werde, wie im Vorfeld aufgrund seines politischen Profils spekuliert worden ist. «Nein, ich bin ein SVPler, wir sind die SVP. Wir werden unsere Werte und Überzeugungen nicht ändern, um netter dazustehen und mit allen auszukommen», so Chiesa. Die Delegierten dankten es ihm mit Spontanapplaus. Der Parteichef sprach sich aus für die Unabhängigkeit und die Selbstbestimmung als wichtigste Leitlinien der Partei. «Ich bin gegen die Kohäsionsmilliarde für die EU und gebe dieses Geld lieber für die Menschen in der Schweiz aus. Ich will die Bevölkerung nicht mit einer CO2-Steuern bestrafen und ich will nicht, dass Schweizerinnen und Schweizer Integrationskurse besuchen müssen, weil sie die Einwanderung zu Fremden im eigenen Land macht.»

Wichtige Funktion für Franz Grüter

Die Delegierten wählten nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern bestellten auch andere Organe neu. Im Parteileitungsausschuss sind neu die Nationalräte Franz Grüter (LU) und Manuel Strupler (TG). Grüter ist der neue Stabschef und unterstützt direkt Marco Chiesa. Die Nationalräte Monika Rüegger (OW) und Lars Guggisberger (BE) nehmen neu im Gremium Einsitz.

Der abtretende Präsident Albert Rösti nutzte seine Begrüssungsrede, um nochmals für die Begrenzungsinitiative zu werben. «Wir steuern direkt auf eine 10-Millionen-Schweiz zu», darum sei die Freiheit bedroht. Eine Stelle zu einem angemessen Lohn oder eine Wohnung zu vernünftigen Preisen zu finden, die unverbaute Natur zu geniessen, ohne Stau zu reisen. Kampagnenleiter Marcel Dettling sagte: «Die Initiative ist zu gewinnen.» Die Kampagne sei hervorragend angelaufen. Noch nie habe die Partei so viele Plakate verteilt. Doch jetzt liege es an allen: «Stellen wir die bestellten Plakate auch auf, oder liegen sie noch immer zu Hause in der Garage?» Und auch Rösti mahnte: «Wir müssen kämpfen, kämpfen, kämpfen.»

Die Begrenzungsinitiative ist neben der Präsidentenwahl das zweite grosse Thema an der Delegiertenversammlung in Brugg. Es gilt ein strenges Schutzkonzept. Der Saal ist in Sektoren mit je 100 Leuten unterteilt. Das Tragen von Masken wird empfohlen, wird aber kaum eingehalten. Grosse Ausnahme ist der Aargauer alt Nationalrat Luzi Stamm, der diese Woche mit einem angekündigten Polit-Comeback für Furore sorgte. Rösti rief die 383 Delegierten mehrfach zu Disziplin auf: «Es wäre das Schlimmste, wenn wir nächste Woche alle die Quarantäne müssten.»

Parolen zum Kampfjet und Vaterschaftsurlaub

Mit 364 zu einer Stimme fassten die Delegierten deutlich die Ja-Parole für die Erneuerung der Luftwaffe. Umstrittener, aber letztlich auch deutlich war das Nein zum zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. 318 zu 32 lautete das Ergebnis. Zum Jagdgesetz hatte die Partei bereits an ihrer letzten Delegiertenversammlung die Ja-Parole gefasst. Dem neuen Steuerabzug für Kinder stimmt die SVP zu.