
Einen Jet kaufen, der nicht angreifen kann?
Bald startet sie wieder – die Saison der Budgetgemeindeversammlungen. Vor dem Hintergrund aktualisierter Finanzzahlen kommt da und dort auch die eine oder andere Kleininvestition aufs Tapet. Gemeint ist das neue Tanklöschfahrzeug für die Feuerwehr oder der neue Kommunaltraktor. Sie dienen der Sicherheit der Gemeinde und deren Funktionieren (Schneeräumung) und die entsprechenden Kreditanträge sind deshalb in der Regel unbestritten. Niemand in der Versammlung käme auf die Idee, die Typenwahl oder die Marke des Fahrzeugs in Frage zu stellen. Getroffen wurde die Auswahl aufgrund von Fachwissen und Offerten.
Unser Land will einen neuen Kampfjet anschaffen. Ist ein solcher nötig? Wir leben in einer Welt der immer grösseren Bedrohungen. Selbst im Inland sind die Zeiten vorbei, in denen sich unsere Bundesratsmitglieder frei und ohne Personenschutz bewegen konnten. Internationale Konferenzen bedingen einen dreidimensionalen Raumschutz und damit eine mit Kampfjets ausgerüstete Luftpolizei. Zudem machen die Infanterie- und Panzerverbände unserer Armee ohne Unterstützung und Deckung aus der Luft wenig Sinn.
Es war ein denkbar knappes Resultat, das die Volksabstimmung im September 2020 geliefert hat. 50,1 Prozent jener Minderheit der Bürgerinnen und Bürger, die an Volksabstimmungen teilnimmt, sprachen sich für die Beschaffung eines neuen Jets aus. Mit einem Stimmen-Plus von 8000 Stimmen wurden die benötigten sechs Milliarden Franken bewilligt. Bereits damals kündigte ein Bündnis aus GSoA (Gruppe Schweiz ohne Armee), den Grünen und der SP an, den Kauf erneut zu bekämpfen. Insbesondere für den Fall, dass bei der Typenwahl ein US-Flugzeug das Rennen machen würde, drohten sie mit einer Volksinitiative.
Eigentlich kennt die Schweiz die Tradition, dass der Bundesrat den Willen der Verlierer speziell bei knappen Entscheiden in das weitere Vorgehen einfliessen lässt. Nur: Konnte sich der Bundesrat überhaupt gegen den F-35 entscheiden? Juristisch gesehen gab es kaum Spielraum. Der US-Tarnkappenjet erfüllt das Pflichtenheft voll und ganz – und stellt auch das wirtschaftlich günstigste Angebot dar. Ihm musste der Zuschlag gegeben werden – der Abstand zu den Angeboten anderer Lieferanten war schlicht zu gross, um politische Aspekte (die Verärgerung der EU) zu berücksichtigen. Auch nach einem Kauf von Jets aus einer EU-Manufaktur: Es wäre blauäugig zu glauben, die Europäische Union würde auf das von ihr verlangte Rahmenabkommen verzichten.
Da gegen den Typen-Entscheid des Bundesrats kein Referendum ergriffen werden kann, haben die Jet-Gegnerinnen und -Gegner den Weg über eine Volksinitiative gewählt. Wird die angenommen, würde künftig in der Bundesverfassung stehen, dass unser Land keine F-35 erwerben darf. Was dann? Dann könnte der Bundesrat einen der beiden evaluierten europäischen Jets kaufen. Was an denen besser ist? Ein GSoA-Führungsmitglied sagte: Es müsse ein viel billigeres Flugzeug sein, «das nicht für Angriffe entwickelt wurde». GSoA, Grüne und SP werden zweifellos die benötigten 100 000 Unterschriften im Rahmen der vorgegebenen 18 Monate zusammentragen. Es ist ihnen auch zuzutrauen, mehr Armee-Gegnerinnen und -Gegner zu mobilisieren als für die ursprüngliche Kampfjet-Abstimmung. Allerdings genügt für eine Initiative – eine Verfassungsänderung – das einfache Volksmehr nicht. Im Gegensatz zum Referendum gilt es zusätzlich die Hürde des Ständemehrs zu nehmen – eine Mehrheit der Kantone für das Anliegen zu gewinnen.