Einsatz auf A2-Baustelle: Der Schweiss läuft während der Verkehr fliesst

Ðem temporären Kollegen mit einer Bleiwaage mit Senkel assistieren.
Ðem temporären Kollegen mit einer Bleiwaage mit Senkel assistieren.
So ein Vibrations-Plattenverdichter ist gar nicht so einfach zu handhaben.
So ein Vibrations-Plattenverdichter ist gar nicht so einfach zu handhaben.

Diese ewige Baustelle beschäftigt mich täglich, die A2 ist mein Arbeitsweg. Täglich sehe ich die Bauarbeiter in ihren orangen «Übergwändli» am Strassenrand arbeiten und frage mich zuweilen, was da genau gemacht wird. Nun werde ich es erfahren. Vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) in Zofingen erhalte ich erste Infos und eine Karte. Ich lese: «Antritt beim Baubüro in Sursee am 23. Juli 2019. 6.30 Uhr.» So früh sind Journalisten selten unterwegs.

Vorsichtshalber rufe ich einen Tag vorher die Bauleitung an, um zu erfahren, was mich erwartet. Gutes Schuhwerk soll ich anziehen. «Wander- oder Armeeschuhe, als Schutz vor dem Übertreten», sagt Melven Hürlimann, «eventuell Sonnencreme». Sicherheit wird auf der Baustelle grossgeschrieben. Einen Znüni soll ich dabei haben und etwas zu trinken, denn es wird heiss an diesem Hochsommertag. Auf die Frage, was ich genau tun werde, meint der Bauleiter lachend: «Es werden Hilfsarbeiten sein, die jemand ohne Ausbildung bewältigen kann.»

An meinem Tag als Bauarbeiter treffe ich fast pünktlich in Sursee ein. Eine Barriere öffnet sich für mich, dahinter stehen Baucontainer und parkierte Privatautos. Da tritt schon Melven Hürlimann aus der Bauleitungsbaracke und begrüsst mich. «Wir sind per Du auf dem Bau», erklärt er als Erstes. Das ist okay für mich. Er drückt mir eine knallorange Überhose, eine Jacke und einen Bauhelm in die Hand und ich ziehe mich um.

Kunststoffrohre für die Elektrizität verlegen

Eingekleidet als Bauarbeiter, heisst es bereits, in einen Lieferwagen einsteigen. Am Steuer sitzt Tobias, der Polier wohnt in Altbüron. Wir fahren zu einer sogenannten Rohrblock-Baustelle, die sich auf der Höhe Knutwil befindet. «Rohrblock, wie, was?» In einem Erdgraben müssen Kunststoffrohre verlegt werden. «Für den Strom der Beleuchtung und der SOS-Notrufsäulen», erklärt Tobias.

Wir sind angekommen. Ich steige in den Graben hinunter. Es riecht nach Erde, nach Feuchtigkeit und manchmal nach Zigis. Der Polier Antonio zeigt mir, wie die Arbeit funktioniert. Der 56-jährige Neapolitaner arbeitet seit Jahrzehnten auf dem Bau und ist ein guter Kumpel mit Humor, wie ich bald merke. «Pass auf, schau immer in Richtung des Krans», sagt er. Hinter mir solle ich auch die Erdböschung im Auge behalten, sie könne plötzlich abrutschen.

Ein Kranführer bringt die Plastik-Kunststoffrohre. Eines nach dem anderen heben wir die langen Dinger in den Graben. Mit einer Gleitcrème – so nennen sie diese – werden die Rohre eingeschmiert, damit sie einfach zusammengefügt werden können. Antonio hebt ein Rohr an und schiebt es mit voller Kraft ins andere. Ich darf mit einem Vorschlaghammer am Ende des Rohrs draufschlagen und schauen, ob es sitzt. Anschliessend werden die Rohre mit einer zirka zehn Zentimeter dicken Betonschicht einbetoniert. Der schwere Aushub könnte sie ansonsten kaputtmachen. Ich schaufle frischen Beton, mache ihn platt. «In der Woche schaffen wir rund 700 bis 800 Meter», erklärt Tobias.

Einige Stunden arbeiten wir so in der Morgenfrühe. Die Autos, welche auf der Autobahn nebenan vorbeifahren, sieht man nach einiger Zeit gar nicht mehr und den Lärm hört man auch nicht mehr. Die Baustelle ist eine Parallelwelt. Alle arbeiten ruhig und konzentriert. Mit kurzen Rufen und Befehlen sagt man einander, was zu tun ist. Der Umgangston ist zuweilen rau, oder man schweigt, aber man hilft sich und ist aufeinander angewiesen.

Um 9 Uhr ist Znünipause angesagt und alle treffen sich

Es ist immer noch früh am Morgen und die Baustelle liegt noch im Schatten. Verschnaufpause. Znüni-Zeit. Ich soll aus dem Graben raus. Die Böschung ist ziemlich hoch. Tobias zieht mich mit einem kräftigen Zug am Arm hinauf. Gefühlsmässig ist mein Arm ausgerissen. Aber alles noch dran. Wir fahren zu einer Baubaracke auf Rädern, wo bereits alle Bauarbeiter eng gedrängt in Raum zusammensitzen, Sandwiches essen, sich mit Getränken stärken und Arbeitspläne diskutieren. «Wer arbeitet alles am Samstag?», fragt ein Polier in die Runde. Tröpfchenweise meldet sich einer nach dem anderen oder sagt ab.

Den Rest des Morgens verbringe ich einige hundert Meter weiter Richtung Uffikon. Dort wird eine neue Abwasserleitung gebaut und weiter vorne eine riesige Lärmschutzwand erstellt. Hier ist es schwierig, mich einzusetzen. Denn der Graben wird gerade mit Grabenspriessen gesichert. Es ist gefährlich, dort hinunterzusteigen. Ich kehre Dreck weg. Mit einem Vibrations-Plattenverdichter mache ich Kies und Beton platt. Das Ding ist schwer zu handhaben, wenn man keine Übung hat. Ich lerne, mit einem Dumper herumzufahren, was leichter ist, als ich dachte.

Mittlerweile ist es heiss und die Sonne brennt. Unter den Kleidern läuft der Schweiss in Strömen. «Die Bauarbeiter sind sich das gewohnt und ihr Körper passt sich an. Wir Bürolisten schwitzen mehr», hat mir der Bauleiter erklärt. Die Bauunternehmung stellt Gratis-Wasser zur Verfügung, manchmal gibt es auch Glace.

Der halbe Tag neigt sich bereits dem Ende zu. Ich habe erkannt, dass meine Talente eher nicht im handwerklichen Bereich liegen. Es war eine interessante Erfahrung. Ich habe grossen Respekt vor der Leistung dieser Männer, die täglich bei brütender Hitze oder bei Regen für unsere Strassen schuften. Wenn ich aus dem Autofenster schaue, sehe ich jetzt das eine oder andere bekannte Gesicht. Auch wenn ich dort nur eine «exotische Eintagsfliege» mit Fotoapparat war. Ein Maurer dankte mir für das Interesse.

Barackenleben: die Bauarbeiter der A2-Baustelle bei ihrem verdienten Znüni um 9 Uhr morgens.
Barackenleben: die Bauarbeiter der A2-Baustelle bei ihrem verdienten Znüni um 9 Uhr morgens.
Um 7 Uhr morgens im Erdloch: Redaktor Marc Benedetti (links) mit dem langjährigen Polier Antonio Faccadio (rechts). Sie verlegen ein Rohr in der Erde, längs der Autobahn in Fahrtrichtung Bern, für elektrische Leitungen.
Um 7 Uhr morgens im Erdloch: Redaktor Marc Benedetti (links) mit dem langjährigen Polier Antonio Faccadio (rechts). Sie verlegen ein Rohr in der Erde, längs der Autobahn in Fahrtrichtung Bern, für elektrische Leitungen.
Benedetti darf mit dem Dumper fahren. Das Manövrieren ist nicht schwer.
Benedetti darf mit dem Dumper fahren. Das Manövrieren ist nicht schwer.