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Einst war er Beckhams Gegenspieler: Die verrückte Geschichte vom Fanbetreuer des FC Wohlen 

Einst war er Beckhams Gegenspieler: Die verrückte Geschichte vom Fanbetreuer des FC Wohlen 

Benjamin Netz hat am Traum vom Profifussballer geschnuppert, bereiste Fussballvereine auf der ganzen Welt und hat sein Herz am Ende dennoch dem FC Wohlen verschrieben. 

Nik Dömer

Seit 2014 ist Benjamin Netz im Stadion Niedermatten in Wohlen Stammgast.

Alexander Wagner

Und plötzlich sitzt er da, im SRF-Studio beim Fussballpodcast von «Sykora Gisler» und erzählt seine Geschichte. Normalerweise begrüsst das Format prominente Gesichter, im Falle von Benjamin Netz haben sie hingegen eine Ausnahme gemacht.

Dies aus gutem Grund, denn der 33-jährige Deutsche hat mindestens so viele spannende Storys zu erzählen wie die sonstigen Gäste. Netz und Fussball, das ist eine vielseitige Liebe.

Plötzlich auf dem Weg zum Profi

Tatsächlich war Netz einst für kurze Zeit selbst auf dem Weg zum Fussballprofi. Allerdings mehr per Zufall: «Als 20-Jähriger machte ich ein Austauschjahr in den USA. Ich habe da in der Nähe von Chicago gelebt und mich aus Spass im Sommer bei einem Probetraining des MLS-Teams Chicago Fire angemeldet.»

Netz wurde im Testspiel gegen das Star-Ensemble der LA Galaxy eingesetzt.

Bret Hartman / FR139655 AP

Prompt erhielt er einen sogenannten «Rookie»-Vertrag für eine Saison und wurde ins Farmteam gesteckt. Erstaunlich dabei: Netz, der aus der Nähe der Stadt Koblenz stammt, spielte in Deutschland als Torhüter zuvor nur in der Verbandsliga. Das entspricht in der Schweiz etwa dem Niveau der 2. Liga inter.

Netz absolvierte darauf die Saisonvorbereitung und kam dabei auch im Fanionteam zum Einsatz. «Plötzlich musste ich im Testspiel gegen LA Galaxy ran. Das war völlig absurd, da standen mir Stars wie David Beckham gegenüber.»

Doch nach drei Monaten fand das Abenteuer ein abruptes Ende. Eine Verletzung an der Schulter sorgte dafür, dass die Franchise den Vertrag auflöste. Für Netz jedoch kein Drama:

«Um ehrlich zu sein, den Traum vom Profi hatte ich zu dieser Zeit eigentlich schon abgeschrieben. Ich fand andere Dinge am Fussball interessanter.»

Polit-Eklat beim FC Wohlen

Inzwischen ist Benjamin Netz beim FC Wohlen gelandet. Fernab vom professionellen Fussballgeschäft. Zur grossen Spielerkarriere hat es nie gereicht, die Schulterverletzung belastet ihn noch heute. Aber auch ohne Profidasein bekommt Netz ordentlich Medienpräsenz.

Vielleicht sogar ein bisschen zu viel für seinen Geschmack. Als Fanverantwortlicher und Teilzeitangestellter beim FC Wohlen geriet er zuletzt in eine unangenehme Situation.

Benjamin Netz bleibt dem FC Wohlen trotz dem Polit-Eklat treu. 

Alexander Wagner / FOTO Wagner

Im September kam es im Wohler Stadion Niedermatten zu einem Polit-Eklat, weil die lokale SVP im Rahmen eines Spiels einen politischen Anlass durchführen durfte. Dies wiederum schmeckte den Fans überhaupt nicht, sie antworteten mit verschiedenen Bannern auf den unerwünschten Event.

Netz wurde für die Aktion verantwortlich gemacht und erhielt von der Vereinsleitung die Kündigung. Sein Zehn-Prozent-Pensum als Social Media Manager wird per Ende November aufgelöst.

Mittlerweile hat er die Geschichte verdaut, auch wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. «Ich glaube, da wurde etwas falsch verstanden. Nur weil ich Fanverantwortlicher bin, bedeutet das nicht, dass ich für alle Aktionen die Verantwortung übernehme. Ich bin lediglich für die Kommunikation zwischen Verein und Fans zuständig.»

FC Wohlen ist zum Lebensmittelpunkt geworden

Netz bleibt dem FC Wohlen trotzdem weiterhin treu. Der Verein ist für ihn nicht nur einfach ein Hobby, sondern ein Lebensmittelpunkt geworden. «Ich habe hier fast mein gesamtes soziales Umfeld. Ich kenne so viele Leute. Trainer, Spieler, Funktionäre und auch Eltern von Junioren. Das gebe ich nicht einfach auf, nur weil mich ein paar wenige Leute im Verein nicht schätzen.»

Erstaunlich ist es nicht, dass Netz bleibt. Erstaunlich ist, dass Netz überhaupt gekommen ist, damals vor sieben Jahren. Der Deutsche hatte nämlich gar keinen Bezug zum Verein.

Eher per Zufall landete er durch seine Aktivität als Groundhopper in Wohlen. «Seit über zehn Jahren reise ich um die Welt, um möglichst viele Plätz zu entdecken. So bin ich 2014 beim FC Wohlen gelandet. Damals kickte der Verein noch in der Challenge League. Mir gefiel die Atmosphäre. Ein Profiverein mit dem Flair eines Dorfklubs. So etwas hatte ich zuvor noch nie gesehen.»

Netz: «Ich habe hier fast mein gesamtes soziales Umfeld.»

Alexander Wagner / FOTO Wagner

Spannend für Netz war auch der Kontrast: «Bevor ich in die Schweiz kam, war ich in der Fanszene von Bayern München aktiv. Dort wurde es mir dann aber mit der Zeit etwas zu monoton, weil man sich nur bedingt miteinbringen konnte», erklärt Netz.

Besonders interessant war für Netz, dass der FC Wohlen keine Fanszene hatte. «Ich war sofort begeistert davon, hier etwas aufzubauen. Zudem war es für mich eine gute Gelegenheit, um neue Kontakte zu knüpfen. Ich bin damals frisch in die Schweiz zu meiner Freundin gezogen und kannte noch niemanden.»

Der Abstieg war kein Drama

Mittlerweile spielt der FC Wohlen zwei Ligen tiefer. Für Netz ist das jedoch kein Problem. Im Gegenteil: «Ich leide zwar mit, aber ich würde den Verein niemals wegen sportlichem Misserfolg verlassen. Ausserdem unterstütze ich nicht nur die erste Mannschaft, sondern den ganzen Verein. Sprich auch die U23 in der 2. Liga sowie das Frauenteam.»

Nebenbei hatten die beiden Abstiege für Netz auch etwas Interessantes. In der Promotion League sowie in der 1. Liga konnte er neue Fussballplätze entdecken. Ob professionell betriebene Sportanlage oder das Ackerfeld eines Dorfklubs, Netz will sie alle gesehen haben.

Der FC Wohlen verabschiedete sich 2018 vom Profifussball. 

Marc Schumacher/Freshfocus / freshfocus

Den Traum, vom Fussball leben zu können, hat Netz bis heute noch nicht abgeschrieben. «Ich weiss, das klingt speziell, aber ich wollte schon immer lieber Funktionär oder Manager anstatt Fussballprofi werden. Bereits als Kind hat mich das Drumherum genau so interessiert wie das Spiel selbst.»

Beruflich ist Netz bisher in der Schweiz noch nicht richtig glücklich geworden. «Ich finde hier als gelernter Industriekaufmann keinen Job auf diesem Gebiet. Dafür war ich beim Sicherheitsdienst oder habe auch schon als Hundechauffeur gearbeitet. Aktuell bin ich als Linienbusfahrer tätig.»

Netz erhofft sich entsprechend, dass sich in Zukunft neue Türen öffnen werden:

«Irgendwann mal beim Verband als Funktionär zu arbeiten, da würde ich sofort zusagen. Ich hatte schon vereinzelte Angebote von Klubs, aber das reizt mich weniger. Ich hab ja mein Herz schon dem FC Wohlen verschrieben.»

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