
Einst waren Schwinger Landwirte, heute sind sie Spitzensportler
Als langjähriger Funktionär des Schwingklubs Zofingen (SKZ) gab Aarburgs Gemeindeammann Hans-Ulrich Schär auf dem Hof seines Bruders und «Eidgenossen» Peter einen speziellen Einblick in die Sägemehlszene. Vor einem fachkundigen Publikum liess er vergangene und heutige Sportler sprechen. Das Bibliothekteam holte in der umgenutzten Maschinenhalle auf dem landwirtschaftlichen Betrieb Tiefe Lach den ursprünglich im März geplanten Erzählabend nach.
«Es reichte damals einfach»
Hans-Ulrich Schär verzichtete auf einen Vorleseabend aus seinem Jubiläumsbuch zum 100-jährigen Bestehen des SKZ. Er liess stattdessen Protagonisten sprechen und schilderte, wie sein Bruder 1995 im achten Gang einem zweifachen «Eidgenossen» Paroli bot und in der letzten Kampfminute «plötzlich oben lag».
Peter Schär hatte auch ein Vierteljahrhundert später keine analytische Erklärung für den unerwarteten Erfolg: «Es reichte damals einfach», sinnierte er. Die Unterschiede zu heute seien frappant, befand der 50-jährige Landwirt. «Was Spitzenschwinger inzwischen alles an Trainern zur Seite haben! Heute wird anders trainiert als zu meiner Aktivzeit.» Für den Bauernsohn war Schwingen eine Freizeitbeschäftigung. So erstaunt nicht, dass er die Zwilchhosen schon mit 26 Jahren an den Nagel hängte, weil er den elterlichen Hof übernahm. Der «Böse» hatte dazu eine simple Erklärung: «Es gab und gibt noch etwas anderes nebst dem Schwingen, obwohl ich diesem Sport bis heute sehr verbunden bin.»
Acht Trainings pro Woche
Hans-Ulrich Schär präsentierte mit Yanik Bucher das passende Beispiel eines jungen erfolgsorientierten Sportlers aus den Reihen des SKZ. Der 17-jährige Rothrister gewann vor zwei Jahren in seinem Jahrgang den Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag. «Er ist der erfolgreichste Nachwuchsathlet, den der Schwingklub Zofingen je hatte. Du bist sozusagen ein Frühreifer», zollte Schär dem
75 kg schweren Studenten Tribut. Inzwischen absolviert Bucher wöchentlich acht Trainingseinheiten und besucht eine Sportschule in Luzern. Im Gespräch überraschte der junge Sportler mit Schlagfertigkeit. Einziger Makel für die Schwingerei: Bucher hat inzwischen zu Willisau ins Lager der Ringer gewechselt und absolviert vorläufig keine Sägemehltrainings mehr. So ruhen beim SKZ aktuell die Hoffnungen auf dem 21-jährigen Jonas Schär. Sein Onkel Hans-Ulrich befragte auch ihn und zeigte auf, dass der Weg zu einem neuen Patrick Räbmatter noch lang ist. «Nach dem verlorenen Jahr will ich 2021 etwas reissen», versprach das grossgewachsene Talent, einen neuen Anlauf auf den ersten Kranzgewinn zu nehmen.
Mehr als ein Sportklub
Nebst diesem Einblick in die Sportwelt unter der Affiche «vom Bauern zum Spitzenathleten» beleuchtete Hans-Ulrich Schär auch gesellschaftliche Aspekte. «Ein Schwingklub ist nicht nur ein Sportklub; das ist ein Lebensgefühl», beschrieb er den Zusammenhalt und das rege Vereinsleben neben Schwingfesten. Nach dem dreiviertelstündigen Exkurs in die Sägemehlwelt bot sich bei einem reichhaltigen Apéro Gelegenheit, mit zahlreichen Vertretern der Szene übers Schwingen vertieft zu diskutieren.