
Erlinsbacher Wolf hat zwei Ziegen gerissen – Bauer im Fricktal betroffen
Es war eine kleine Sensation, zum ersten Mal tappte ein Wolf Ende Februar im Aargau in eine Fotofalle und bestätigte seine Präsenz im Kanton. Dass sich der Wolf im Aargau dauerhaft aufhalten könnte, sei wenig wahrscheinlich, sagte der Leiter der Sektion Jagd und Fischerei des Kantons Thomas Stucki gestern: «Trotz genügend Beutetieren hat der Aargau zu viele Verkehrsachsen und überbaute Siedlungsgebiete, in denen der Wolf nach einem ruhigen Ort suchen müsste.» Der Wolf sei hier primär auf der Durchreise.
Nun deutet alles darauf hin, als hätte der fotografierte Wolf Ende Februar unweit der Fotofalle zwei Nutztiere angegriffen und getötet. In Oberhof, nur etwa fünf Kilometer Luftlinie von Erlinsbach entfernt, wurden während dieses Zeitraums zwei Ziegen gerissen. Dies meldete ein Leser der Aargauer Zeitung.
Der betroffene Bauer bestätigt den Vorfall auf Anfrage. An einem Morgen fand er die zwei getöteten Tiere auf seinem Grundstück, zwei weitere Ziegen waren wohlauf. Er rief daraufhin Dino Grob an, einen Pächter beim Jagdverein Oberhof. «Ich meldete mich bei der Jagdverwaltung des Kantons. Ich fragte nach, ob man dies nicht näher anschauen sollte», sagt Grob. Bevor die toten Tiere gesichtet wurden, hatte man eher einen Luchs vermutet. Aber die vorgefundenen Verletzungen liessen den Angriff durch einen Luchs ausschliessen: «Der Luchs beisst in den Nacken. Die hundeartigen Raubtiere gehen hingegen an die Kehle und beissen mehrmals zu.»
DNA-Analyse bestätigt Verdacht
Ein Jagdexperte des Kantons sei daraufhin vorbeigekommen und habe die DNA-Proben der toten Ziegen genommen, sagt der Besitzer der gerissenen Tiere: «Danach suchten sie mehrere Stunden nach Spuren.» Am vergangenen Montag dann die telefonische Bestätigung durch den Kanton: «Die DNA-Untersuchung bestätigte, dass ein Wolf die Tiere gerissen hatte», sagt der Bauer aus Oberhof.
Es sei das erste Mal gewesen, dass so etwas bei ihm passiert sei, sagt der Bauer. Seine Tiere seien eigentlich eingezäunt gewesen. Aufgrund eines Umbaus habe der elektrische Zaun zu diesem Zeitpunkt aber keinen Strom gehabt. Die überlebenden zwei Ziegen habe er nun eingestallt. Um die Schafe mache er sich keine Sorgen, diese befänden sich nahe am Dorf.
Der Kanton bestätigt den Vorfall gestern auf Anfrage. Man gehe davon aus, dass es sich um den gleichen Wolf handelt wie auf dem Foto aus Erlinsbach, sagt Thomas Stucki, Leiter der Sektion Jagd und Fischerei des Kantons. Um dies festzustellen, würden Speichelproben am gerissenen Tier entnommen: «DNA-Rückstände in der Probe werden mit definierten Proben verglichen. Das gleiche Vorgehen wird angewandt, wenn Risse durch freilaufende Hunde untersucht werden», erklärt er. Definierte Proben seien Proben von Wölfen, welche im Labor als Vergleichsproben vorliegen.
Trotz des Vorfalls würden andere Bauern in der gleichen Region nicht gewarnt: «Seit Ende Februar sind keine weiteren Meldungen über Beobachtungen oder mögliche Risse bei uns eingetroffen. Daher besteht in dieser Sache kein Handlungsbedarf», sagt Stucki. Bereits gestern hatte der Kanton gesagt, dass eine Kommunikation von Einzelbeobachtungen nicht im Zentrum stünde. Auch die gerissenen Tiere aus Oberhof hatte der Kanton nicht von sich aus kommuniziert. Dafür bräuchte es gemäss Stucki mehr: «Bei einer Dauerpräsenz eines Wolfes und mehreren Rissen in einem Gebiet spricht der Kanton die betroffenen Nutztierhalter direkt an.»
Bessere Kommunikation
Grob würde mehr Transparenz in dieser Sache begrüssen: «Bald kommt der Frühling und es wird draussen mehr Kleintiere geben als im Winter. Falls der Wolf hierbleibt, wäre es für die Nutztierhalter gut, das zu wissen», so der Pächter des Jagdvereins Oberhof.
Auch in den vergangenen Jahren habe es im Kanton Aargau keine vermuteten oder bestätigten Risse durch einen Wolf gegeben, sagt Thomas Stucki vom Kanton. Weder bei Nutztieren noch bei Wildtieren. «Untersuchte Proben von verdächtigen Rissen waren von wildernden Hunden.»
Auch beim Verband Jagdaargau sei der Erlinsbacher Wolf ein grosses Thema, sagt Vizepräsident Thomas Laube. Die Freude darüber, dass das Tier zurück im Aargau ist, sei gross. Trotzdem müssten in Zukunft sowohl Jäger als auch Nutztierhalter lernen, mit den veränderten Umständen umzugehen: «Das ist ein Prozess. Die Nutztierhalter müssen ihre Schutzmassnahmen möglicherweise verstärken.» Es sei verständlich, dass dies Nutztierhaltern keine Freude bereitet. Dies seien aber Begleitumstände, die man in Kauf nehmen müsse. «Wölfe und Luchse töten nicht tierschutzkonform», so Laube.
Nicht frei zum Abschuss
Was es für einen Abschuss eines Wolfes braucht, hält die nationale Jagdverordnung fest. Dort heisst es: Wenn im Streifgebiet eines Wolfes innerhalb von vier Monaten mindestens 15 Nutztiere getötet wurden, darf «reguliert» werden. Sprich: Ein Wolf darf zum Abschuss freigegeben werden. Taucht ein Wolf regelmässig in unmittelbarer Nähe von Siedlungen auf und zeigt sich aggressiv, könnten Menschen gefährdet sein – auch dann ist eine Abschussfreigabe möglich.