Erst 40 Bussen für Abfallsünder – nützt das verschärfte Aargauer Littering-Gesetz überhaupt?

Pizzakartons neben Robidogs, Bierflaschen an Feuerstellen, überquellende Abfallkübel: In den letzten Wochen löste achtlos liegen gelassener Abfall in Wäldern, an Flüssen und auf Wiesen vielerorts grossen Ärger aus. Der Aarauer Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker macht das auch an der Coronakrise fest: «Wenn keine Veranstaltungen stattfinden und schönes Wetter ist, gehen die Leute mehr nach draussen», sagt er. Von Littering ist nicht nur Aarau betroffen: Liegen gelassener Abfall ist auch am Aareufer in Brugg ein Problem. Ausserdem klagen Baden, Bremgarten und das Zurzibiet über Litteringfälle.

Anders als Stadtpräsident Hilfiker möchte René Lippuner, Chef der Regionalpolizei Zurzibiet, die Vorfälle aber nicht mit der Coronakrise verknüpfen: «Das Littering fällt vielleicht mehr auf, weil gesamthaft weniger Leute unterwegs sind. Aber ein Coronaphänomen ist es nicht.» Littering sei immer ein Thema, nicht in erster Linie für die Polizei, sondern vor allem für die Gesellschaft als Ganzes.

Nach Lockdown wieder gleich viel Abfall

In manchen Bereichen war in den vergangenen Wochen sogar zu beobachten, dass Littering nicht nur kein Coronaproblem ist, sondern während des Lockdown sogar weniger schlimm war als normal. Dies beobachtete beispielsweise Thomas Leuzinger von der NSNW AG, welche für den Autobahnunterhalt im Aargau zuständig ist. «Während des Lockdown gab es spürbar weniger Littering, weil es viel weniger Verkehr gab als sonst.» Dieser Effekt sei aber sehr temporär gewesen: Schon jetzt begännen sich die Litteringfälle wieder zu mehren. Bald wird es also wieder gleich viel Abfall auf Strassen und Raststätten geben wie vor dem Lockdown. Gleiches gilt für Innenstädte und Quartiere.

Genau diesen Anstieg fürchtet auch SP-Grossrat Martin Brügger. Er hat deshalb eine Interpellation im Grossen Rat eingereicht. Darin will er vom Regierungsrat wissen, wie der Stand der Litteringbekämpfung momentan sei. Denn: Seit Anfang Jahr ist ein Gesetz in Kraft, welches Polizisten erlaubt, Abfallsünder mit 300 Franken zu büssen.

Polizeichef: «Höhere Bussen sind nicht zielführend»

Nur wurde von diesem Recht bisher wenig Gebrauch gemacht: «Seit Anfang Jahr wurden im ganzen Kanton 40 Litteringbussen verteilt. Das ist wenig», bedauert Repol-Chef René Lippuner. Für diese niedrige Zahl ist laut Lippuner vor allem die Tatsache verantwortlich, dass Täterinnen und Täter jeweils von der Polizei in flagranti erwischt werden müssen. «Und wer ist schon so dreist, vor den Augen einer Patrouille Abfall falsch zu entsorgen?»

Deswegen wäre aus Lippuners Sicht auch eine Erhöhung der Busse auf beispielsweise 1000 Franken nicht zielführend: «Damit erhöht man nur die Repression, ohne dem Problem tatsächlich entgegenzuwirken.» Für ihn wären deshalb Präventionskampagnen viel wichtiger: «Die Polizei kann ja nicht hinter jedem Busch sitzen», meint der Polizeichef. Grossrat Martin Brügger sieht das anders: «Ich bin nicht für einen Polizeistaat, aber wir brauchen wirksame Massnahmen. Denn Littering ist einfach unsozial.» Die Lösungsansätze, um Littering zu bekämpfen, sind zahlreich. An vielen Schulen werden Präventionsprojekte durchgeführt, Aarau setzt mit der «Güselwehr» auf Freiwillige, Baden hat gar privates Securitypersonal eingesetzt, um unter anderem gegen Littering vorzugehen. Doch die Vorfälle während des Lockdowns haben gezeigt: Wirklich genützt hat davon noch nichts.