Erste Gemeindeversammlung im 2021: Reider sagen „Ja aber“ zu neuen Betreuungsgutscheinen

Die erste Reider Gemeindeversammlung in diesem Jahr besuchten 61 von 4361 Stimmberechtigten. Sie fand in der Johanniterhalle statt.
Die erste Reider Gemeindeversammlung in diesem Jahr besuchten 61 von 4361 Stimmberechtigten. Sie fand in der Johanniterhalle statt.

Die erste Reider Gemeindeversammlung in diesem Jahr besuchten 61 von 4361 Stimmberechtigten. Dabei war für Sicherheit gesorgt: Die Versammlung fand in der geräumigen Johanniter-Turnhalle statt, ein Corona-Schutzkonzept mit Masken und Sicherheitsabstand zwischen den Stühlen wurde implementiert, und für besonders schutzbedürftige Personen waren sogar Stühle separat beschriftet.

Das aufgeladene Thema «Badi» war ausgeklammert worden, weil am 1. Juli dazu eine Orientierung am selben Ort stattfinden wird (wir berichteten). Deshalb wurden Fragen der IG Reiden dazu nicht beantwortet. Die IG hatte vergangene Woche ein Mail mit total 20 Fragen, zu diesem und weiteren Themen, an den Gemeinderat geschickt und diese auf ihrer Homepage veröffentlicht.

Akustik in Johanniterhalle liess zu wünschen übrig

Der Gemeinderat reagierte. «Besten Dank für die Fragen. Sie sind von allgemeinem Interesse», sagte Gemeindepräsident Hans Kunz (CVP). Die Fragen der IG zu Legislaturprogramm, Finanzen, dem Sertelbach, Bildung und Wasserqualität wurden häppchenweise an der Versammlung beantwortet. Sie zog sich bis 23 Uhr in die Länge, unter anderem wegen diverser Mikrofon-Pannen und der Akustik. Der Gemeindepräsident bat am Schluss um Entschuldigung. Ansonsten war es diesmal eine friedliche, konstruktive Versammlung.

Thomas Huber, Bereichsleiter Finanzen, stellte den Jahresbericht 2020 vor.  Die Gemeinde hatte in der Jahresrechnung einen Gewinn von 12 629 Franken budgetiert und schloss mit 1,695 Millionen Franken im Plus ab. Der Grund seien Steuer-Mehreinnahmen gewesen. «Das ist erfreulich, darf aber nicht als nachhaltig und wiederkehrend betrachtet werden», sagte Huber, «gerade in Zeiten von Corona.» Bei den Investitionen gingen vor allem der Schulhausneubau und die Sanierung der Weihermattstrasse ins Geld.

Drei von acht Kennzahlen des Kantons nicht erfüllt

Trotz des positiven Ergebnisses: Bei drei von acht Kennzahlen erfülle Reiden die Anforderungen des Kantons Luzern nicht: Der Selbstfinanzierungsgrad liegt bei 9,5 Prozent (er sollte 10 Prozent betragen), die Nettoschuld je Einwohner ist mit 4311 Franken rund vier Mal zu hoch wie das zweifache kantonale Mittel (1066 Franken) und die Nettoschuld ohne Spezialfinanzierungen je Einwohner beträgt 4224 Franken (das zweifache kantonale Mittel ist 2656 Franken).

Kurt Häfliger (Reiden) wollte wissen, warum der Personalaufwand 2020 eine Million Franken mehr beträgt. Laut Thomas Huber trugen die Einstufungen der Lehrpersonen dazu bei. «Darauf kann die Gemeinde keinen Einfluss nehmen.» Peter Pfister (Richenthal) fragte, ob der Gemeinderat Rückstellungen für allfällige Schadenersatzforderungen wegen Rückzonungen vorgenommen hat. «Abklärungen des Kantons für Handlungsanweisungen an die Gemeinde laufen», sagte Gemeinderat und Bauvorsteher Willi Zürcher (FDP), «wir sind bisher nicht angewiesen worden, dass Rückstellungen nötig sind.» Diese Forderungen würde ohnehin über den Mehrwert finanziert.

Umbuchung vom Anlage- ins Finanzvermögen

Der ehemalige Gemeinderat Bruno Aecherli wollte wissen, wann der Gemeinderat endlich gedenke, die Aktiven von 2,5 Millionen Franken in den Finanzanlagen (Aktienkapital der Badi Reiden AG) wie vom Kanton verlangt ins Verwaltungsvermögen umzubuchen. «Die Finanzaufsicht hat den Gemeinderat angewiesen, die Umbuchung vorzunehmen», erklärte Gemeinderätin Vera Schwizer (CVP). Der Gemeinderat werde das im Rahmen der nächsten Budgetierung diskutieren.

Zur Frage von Aecherli, wie der Gemeinderat die Finanzen wieder ins Lot bringen will, meinte die neue Finanzvorsteherin, der Rat sei etwas in Verzug. Es habe dringlichere Geschäfte gegeben. «Wir sind dran, aber genaue Beträge kann ich noch nicht nennen. Mit dem Budget 2022 werden wir sicher Sparmassnahmen präsentieren.» Gemeindepräsident Hans Kunz warf ein: «Wir können unser Budget nicht nur mit Sparen ins Lot bringen.» Der Gemeinderat wolle wertschöpfungsintensive Unternehmen nach Reiden holen, um die finanzielle Situation der Gemeinde zu verbessern. Das ist nicht neu. Aber offenbar ist etwas im Busch. Mehr könne er noch nicht sagen, so Kunz. Ein Ziel sei auch, steuerkräftige Privatpersonen nach Reiden zu locken. Vier Gestaltungspläne, die den Bau attraktiver Wohnungen ermöglichen, sind laut dem Gemeindepräsidenten kürzlich genehmigt worden.

Die Versammlung genehmigte den Jahresbericht 2020 einstimmig. Auch die Sonderkreditabrechnung für die Sanierung der Oberdorfstrasse (Strasse und Kanalisation) wurde unisono genehmigt. Der Sonderkredit und der Zusatzkredit zusammen betrugen 4,03 Millionen Franken und wurde um 18 553 Franken überschritten.

Die Versammlung nahm ausserdem vom Finanzleitbild 2021–2025 des Gemeinderats Kenntnis. Ebenso genehmigten die Reider Stimmbürger das totalrevidierte Reglement für die Feuerwehr Wiggertal. Wikon hat es bereits abgesegnet. Die Versammlung in der Johanniterhalle spendete der Mannschaft auf Wunsch von Vera Schwizer Applaus. Kritisch diskutiert wurde das vom Gemeinderat vorgelegte Reglement über die familienergänzende Kinderbetreuung. Der Gemeinderat will in Reiden Betreuungsgutscheine einführen, wie sie bereits andere Luzerner Gemeinden und andere Kantone kennen. 

Den Anstoss gab laut Gemeinderätin Esther Steinmann (IG Reiden) die Neuansiedlung des Kita-Anbieters Small foot in Reiden 2019. «Das hat zu einem grundlegenden Überdenken der familienergänzenden Betreuung geführt», sagte sie. Mit den Tagesfamilien Wiggertal und den Spielgruppen habe die Gemeinde Leistungsvereinbarungen, zudem zahlt Reiden für letztere die Raummiete und es gibt Kantonsbeiträge für die frühe Sprachförderung. «Die Kita Small foot bekommt nichts», so Steinmann.

Andere Gemeinden hätten gute Erfahrungen gemacht

Aktuell gibt es auf Gemeindegebiet zirka 350 Kinder im Vorschulalter (0-4 Jahre). 41 betreut die Kita small Foot, 11 die Tagesfamilien Wiggertal und 76 besuchen die zwei Spielgruppen. Mit der Einführung von Betreuungsgutscheinen strebe man einen Systemwechsel an. Die Beiträge würden höher ausfallen, aber dafür fielen allenfalls Sozialhilfeleistungen weg. «Langfristig resultiert ein positiver Saldo», warb die Gemeinderätin für das Anliegen. Luzern, Willisau, Sursee und kleinere Gemeinden hätten gute Erfahrungen gemacht.

Es gab Voten dagegen. SVP-Präsident Ivo Müller (Reiden) meinte, Reiden wolle zwar die Steuerkraft heben, unterstütze aber damit eine andere soziale Klasse als die angepeilte. Er plädierte für die Rückkehr «zu einem einfachen System ohne Bürokratie». Peter Pfister sprach vom «Giesskannenprinzip». «Zudem werden Gutverdienende damit subventioniert.» Damit tönt er an, dass Eltern mit einem massgebenden Einkommen bis 100 000 Franken im Jahr Anrecht haben werden. Auch Bruno Aecherli äusserte sich skeptisch. Die Präsidentin der Spielgruppe Reiden, Caroline Schneeberger, fand es hingegen wichtig, dass man dieses Anliegen unterstütze.

Ein Rückweisungsantrag wurde mit 24 Ja- zu 30 Nein-Stimmen abgewiesen. Schliesslich stimmten die Anwesenden mit 36 zu 16 Stimmen dem Reglement zu. Die Betreuungsgutscheine sollen testweise für drei Jahre eingeführt werden, dann will man eine erste Bilanz ziehen.

Sertelbach: Gemeinde hat eine Haftpflichtversicherung

Gemeinderat Willi Zürcher beantwortete Fragen der IG zum Sertelbach. Bauherren für die erfolgte Offenlegung und Bachrevitalisierung seien die Gemeinde im oberen Bereich und die Familie Häfliger im unteren Hauptbereich, wo der Hauptschaden entstand. Die Baukosten für die Offenlegung beliefen sich laut Zürcher bisher auf 140 000 Franken. Den Schaden der Erzo in Zofingen bezifferte er auf 500 000 Franken. Eine Verifizierung stehe noch aus. Die Gemeinde Reiden hat eine Haftpflichtversicherung. Sie habe aber keine Bauwesenversicherung abgeschlossen. «Die Haftpflicht-Versicherungen der Beteiligten sind im Gespräch», so der Bauvorsteher von Reiden. Vergangenen Freitag habe eine Besprechung stattgefunden und das technische Gutachten sei jetzt bewilligt. In der trockenen Herbstperiode, so das Ziel, soll der Sertelbach wieder instand gestellt werden. (ben)