
Ex-McDonald’s-Manager packt aus – selbst der Vegi-Burger ist Fake
Das sagt McDonald’s Schweiz zum Buch
Was sagt McDonald’s Schweiz zu Harald Sükars Vorwurf, der Konzern mache Kinder systematisch abhängig von krank machendem Fastfood? «Seine Aussagen sind für uns nicht nachvollziehbar», antwortet Pressesprecherin Deborah Murith auf Anfrage. Harald Sükar war bis 2006 Managing Director von McDonald’s Österreich. Er habe keinen Bezug zu McDonald’s Schweiz. «Bei uns gibt es Brot aus IP-Suisse-Mehl und Schweizer Rindfleisch, das die Bell AG zu Burger-Patties verarbeitet», schreibt Murith. «Das sind keine industriell gefertigten Chemieprodukte.» Das Sundae-Dessert habe vergleichbare Nährwerte wie andere Glacen. Seit dem Ausscheiden von Topmanager Sükar vor 13 Jahren habe sich zudem viel getan. Die Gäste könnten zum gleichen Preis Salat statt Pommes wählen. Und auch Wasser sei zum Menü erhältlich. Das Happy Meal enthalte keine künstlichen Phosphate. «Und wir geben immer eine Fruchtportion dazu.» Man beziehe einheimische Zutaten; Pouletprodukte würden von Ospelt in Sargans geliefert und die Brötchen in der Bäckerei Fortisa aus Zuchwil gebacken. Der Fastfood-Konzern betreibt in der Schweiz 169 Restaurants. (mem)
Wann haben Sie Ihren letzten Big Mac gegessen?
Harald Sükar: Vor zwei, drei Jahren. Als ich bei McDonald’s arbeitete, ernährte ich mich fast täglich von Fastfood. Ich wog 110 Kilo, bei einer Grösse von 1,77 Metern. Gesundheitlich ging es mir schlecht. Da begann ich mich zu fragen, wie es so weit kommen konnte.
Was fanden Sie heraus?
Ich vertiefte mich nach meiner Zeit bei McDonald’s in Studien über Ernährung und erkannte, was falsch läuft im Fast-food-System. Ich wurde Vegetarier – und Besserwisser (lacht). Oft redete ich Freunden ins Gewissen, wenn sie Softdrinks tranken oder viel Fleisch assen.
Hat das Ihr Umfeld nicht genervt?
Doch, natürlich. Sie sagten: Schreib lieber ein Buch. Die Initialzündung war dann, dass ein 8-jähriges Kind eines Bekannten so übergewichtig war, dass es an Diabetes erkrankte. Es hatte eine Fettleber wie ein Alkoholiker. Jetzt muss es ein Leben lang Insulin spritzen.
Sie behaupten, McDonald’s verführe die Kinder und mache sie abhängig.
Ja, das tun sie. Mit einem raffinierten Kids-Marketing. Alle Mitarbeiter erhalten die Anweisung, Kinder wie Könige zu behandeln. Bei McDonald’s dürfen die Kinder mit den Fingern essen, und sie dürfen laut sein und herumrennen, also ganz Kind sein. Es gibt in jeder Filiale einen Spielplatz, den Clown Ronald McDonald und ein Happy Meal mit Spielzeugen. So reagieren schon Kleinkinder positiv auf das pommesgelbe Logo. Eine frühkindliche Prägung mit Folgen.
Im Buch sprechen Sie von «Heavy Usern», die sich teilweise täglich bei McDonald’s verpflegen. Wer sind diese Stammkunden?
Viele davon sind Jugendliche, die seit ihrer Kindheit «am Tropf» hängen. Der Konzern lebt davon, sie abhängig von Zucker und Fett zu machen. Studien zeigen, dass die Übergewichtigen eher im unteren Bildungsbereich anzusiedeln sind.
Sie vergleichen Zucker mit Heroin und Kokain, das scheint ordentlich übertrieben.
Das süsse «weisse Gift» funktioniert im Gehirn aber ähnlich wie Kokain. Ein Kind, das ein Happy Meal mit Dessert und Cola verdrückt, deckt damit seinen Zuckerbedarf für eine ganze Woche ab. Softgetränke und Eis bescheren den grössten Zuckerschock. Ein Dessert mit Topping bei McDonald’s enthält um die 65 Gramm Zucker, was der dreifachen Menge des Tagesbedarfs entspricht.
Dass Fastfood dick und krank macht, ist nichts Neues. Trotzdem hat McDonald’s Schweiz 2018 einen Rekordumsatz von 761 Millionen Franken erzielt. Was soll Ihr Buch da noch erreichen?
Wenn jemand aus dem Inneren des Konzerns ein Buch schreibt, hat das mehr Glaubwürdigkeit. Ich richte mich vor allem an Eltern. Wenn ich nur ein Kind damit vor Diabetes bewahre, ist mein Ziel erreicht. Ausserdem geht es mir um das Bewusstsein. Je öfter wir mit Dingen konfrontiert sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir eine schlechte Gewohnheit ändern.
Der Erfinder der Big Macs, Jim Delligatti, ass jede Woche einen Big Mac. Er wurde 98.
Ausnahmen gibt es immer. Eine neue Studie aus Harvard besagt, dass wer drei Mal die Woche Fleisch isst, eine um 18 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit habe, früher zu sterben.
Der Big Mac ist eine Ikone der amerikanischen Esskultur. Er hält sich seit 52 Jahren – ein Kulturgut.
Ich kann an einem Hamburger nichts Kulturelles erkennen. Hamburger ist Fastfood, und Fastfood ist Fake Food mit einem extrem hohem Gehalt an leeren Kalorien. Überall dort, wo Fastfood Einzug gehalten hat – in China, Indien, Hawaii – wurden die Menschen plötzlich übergewichtig. Vorher waren sie schlank, wenn sie ihr landestypisches Essen verzehrten.
Aber es gibt doch mittlerweile sogar einen veganen Burger, der dem Trend zu gesunder Ernährung Rechnung trägt.
So eine Lüge! Das ist der nächste grosse Fake: ein industriell gefertigtes Chemieprodukt aus gentechnisch verändertem Soja. Das hat mit natürlicher Ernährung nichts zu tun.
Was passiert mit einem, wenn man einen Hamburger isst?
Sie fühlen sich glücklich, weil im Gehirn Dopamin ausgeschüttet wird. Der Zuckerspiegel steigt an. Weil wir bei McDonald’s sind, löschen wir den Durst mit einem Coke. Nach 40 Minuten sind wir richtig hungrig. Der Verdauungstrakt hat den Maissirup absorbiert, unser Zuckerspiegel spielt verrückt. Nach einer Stunde sollte eigentlich die Verdauung einsetzen. Beim Big Mac dauert es wegen der Transfettsäuren länger. Bis diese restlos abgebaut sind, können mehr als sieben Wochen verstreichen.
Man kann doch Mass halten und sich nur ab und zu einen Burger, Chicken Nuggets oder Donuts gönnen.
Es ist ein Schmäh, an die Eigenverantwortung zu appellieren. Der Zucker im Junkfood macht die Kinder süchtig. Die Sucht schaltet die Vernunft aus. Es tut übrigens nichts zur Sache, wo man sich die Überdosis einfängt – bei McDonalds’s, Burger King, Taco Bell, Nordsee – oder bei der Möbelkette Ikea mit ihren unschlagbar billigen Menüs.
Wie hat Ihr ehemaliger Arbeitgeber auf das Buch reagiert?
Gar nicht. Das gehört zur Firmenpolitik von McDonald’s: Totschweigen, nicht kommentieren. Mein Buch läuft bei McDonald’s unter Mini-Krise. Eine Woge, die sich bald wieder glättet.
Buch Harald Sükar: «Die Fast Food Falle. Wie McDonald’s und Co. auf Kosten unserer Gesundheit Milliarden verdienen». Edition a, 256 Seiten.