
«Exit» soll Zutritt zu Solothurner Altersheimen bekommen
Eine schwierige Frage: Wie sollen Alters- und Pflegeheime mit dem Wunsch nach Sterbehilfe umgehen? Die direkte aktive Sterbehilfe, also die Tötung auf Verlangen, ist kein Thema. Sie ist in der Schweiz strikt verboten. Die passive Sterbehilfe dagegen kann man schon als etabliert bezeichnen: Den in einer Patientenverfügung festgehaltenen Willen auch zu respektieren, in hoffnungsloser Lage auf lebenserhaltende Massnahmen zu verzichten, gilt als allgemein akzeptiert. Heikel wird es beim sogenannten assistierten Suizid. Soll Sterbehilfeorganisationen wie Exit der Zugang zu Alters- und Pflegeheimen erlaubt werden? Sind die Heime sogar verpflichtet, den Wunsch von sterbewilligen Bewohnern nach Beihilfe zum Freitod zu erfüllen?
Heime sollen selber entscheiden
Im Kanton Solothurn dürfen sie das gar nicht. Der Umgang mit passiver Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid ist zwar in keiner Gesetzgebung geregelt. Aber es gibt eine Weisung des Amtes für soziale Sicherheit, die es den Institutionen verbietet, Dienste von Sterbehilfeorganisationen anzubieten oder zuzulassen. Das soll sich ändern. Wie erst jetzt durch einen Vorstoss der Grenchner GLP-Kantonsrätin Nicole Hirt bekannt wird, ist die kantonale Fachkommission Alter schon seit April 2017 daran, diese Weisung zu überprüfen und zu klären, wie Pflegeheime künftig mit dem Thema Sterbehilfe umgehen sollen. Nicole Hirt hatte ihre Anfrage zu einer liberaleren Regelung mit dem Argument begründet, dass es für Sterbewillige unzumutbar sei, «eine vorletzte Reise vor der letzten Reise antreten zu müssen». Der Regierungsrat sieht das offensichtlich zumindest ähnlich. Geplant ist keine neue verbindliche Weisung, etwa dass Pflegeheime nun auf Verlangen eines Bewohners einer Sterbehilfeorganisation zwingend Zugang gewähren müssten. Sie sollen neu aber zumindest selbst entscheiden können, ob und unter welchen Voraussetzungen sie Beihilfe zum Suizid in ihren Räumen zulassen wollen.
Wie der Regierungsrat in der Beantwortung der Anfrage von Kantonsrätin Hirt mitteilt, wird derzeit ein Merkblatt erarbeitet, das den Heimen als Orientierungshilfe dienen soll. Darin einfliessen sollen auch überarbeitete Richtlinien der schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften, die demnächst verabschiedet werden dürften. Darin wird ebenfalls empfohlen, dass jeder Behandelnde selbst entscheiden müsse, ob eine Beihilfe zum Suizid mit den Zielen der Medizin vereinbar ist. Die Publikation des Merkblatts und damit den Widerruf der noch gültigen Weisung mit dem Verbot der Beihilfe zum Freitod in Solothurner Alters- und Pflegeheimen stellt der Regierungsrat für «noch dieses Jahr» in Aussicht.
Lausanne winkt mit Zaunpfahl
Letztmals infrage gestellt wurde die Weisung 2013. Eine Arbeitsgruppe (in der auch die Heime vertreten waren), beantragte damals, dass sie weiterhin Bestand haben soll. Heute beurteilt sie der Regierungsrat einerseits «mit Blick auf den gesellschaftlichen Wandel» als nicht mehr zeitgemäss. Anderseits gibt es ein Bundesgerichtsurteil zu einer gesetzlichen Regelung im Kanton Neuenburg, das die Diskussion in ein neues Licht rückt. In Neuenburg verpflichtet seit 2015 ein neues Gesundheitsgesetz öffentlich anerkannte Institutionen dazu, den Wunsch eines Patienten nach Beihilfe zum Suizid in ihren Räumlichkeiten zu respektieren. Dagegen erhob die Heilsarmee als Trägerin eines Alters- und Pflegheims Einsprache, die Regelung verstosse gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Das Bundesgericht kam aber zu einem anderen Schluss: Mit dem Status als öffentlich anerkannte und subventionierte Institution habe auch das Heilsarmee-Heim Beihilfe zum Suizid zuzulassen. In der Interessenabwägung überwiege die Freiheit der Heimbewohner, Zeitpunkt und Form ihres Lebensendes selbst zu wählen. Es stehe der Heilsarmee aber frei, auf den öffentlichen Status (und damit Subventionen) zu verzichten. Dann habe sie auch die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob in ihrem Heim Sterbehilfe toleriert wird oder nicht.
Dass man in Solothurn nicht so weit wie in Neuenburg gehen und die Heime verpflichten will, Sterbehilfeorganisationen Zugang zu verschaffen, ist für Kantonsrätin Nicole Hirt in Ordnung: Die Heime seien am nächsten an ihren Bewohnern, «sie sollen von Fall zu Fall entscheiden können, was richtig ist».