
Faszination Festung: Jeden Samstag finden historische Führungen durch das Aarburger Wahrzeichen statt
Die Festung Aarburg ist eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Schweiz. Sie ist die einzige erhalten gebliebene Festungsanlage der Frühen Neuzeit in der Schweiz. Bis zum 16. Oktober werden auf Voranmeldung jeden Samstag öffentliche historische Führungen durchgeführt. Gabriela Rüegger koordiniert die Einsätze des Festungsführer-Teams.
«Etwa 2002 muss es gewesen sein», sagt Rüegger. Damals meldete sich die 59-jährige Stadtzürcherin, die seit 1987 in Rothrist wohnt und dort auch Ortsbürgerin ist, auf einen in einer Zeitung erschienenen Aufruf hin an. «Die Gemeinde Aarburg suchte damals Freiwillige, die Interesse hätten, Festungsführungen zu leiten», erinnert sich Rüegger. Damals war die Familie nach 7 ½ Jahren Auslandaufenthalt in Amerika, Australien und Tschechien wieder in die Schweiz zurückgekehrt. «In Australien habe ich die wunderbare Natur genossen und mich nach Kultur gesehnt», blickt Rüegger zurück, in Prag habe sie dann viele Schlösser und Burgen besucht. «Schlösser und Burgen haben mich immer schon fasziniert», betont Rüegger und als sie den Zeitungsartikel gelesen habe, sei ihr Entscheid schon festgestanden.
Etwa zehn Personen hätten sich damals dafür interessiert, Festungsführungen durchzuführen, schätzt Rüegger. Zwei Personen seien ihr besonders in Erinnerung geblieben: Hans Ruesch, der ein unheimlich breites Wissen über die Festung gehabt habe, und Michel Spiess, der im November letzten Jahres verstorbene Geschichtenerzähler, Museumskonservator und Restaurator.
Ein sechsköpfiges Team steht für Führungen im Einsatz
Mit Spiess habe über all die Jahre ein reger Wissensaustausch bestanden, betont Rüegger. «Die besondere Art von Michel, seine Führungen zu gestalten, fehlt – leider», sagt sie mit grossem Bedauern. Aber die Führungen würden weiterhin stattfinden. Einfach anders. Überhaupt sei doch jede Führung ganz individuell, findet Rüegger, die nun die Einsätze des Festungsführer-Teams koordiniert. Ein erfahrenes, sechsköpfiges Team steht für historische Führungen im Einsatz: Neben Gabriela Rüegger sind dies Margot Meier, Berni Bots, Hile und Hugo Gerber sowie Dominik Bättig.
Eine vorgängige Anmeldung ist für alle historischen Festungsrundgänge unabdingbar, also auch für die öffentlichen Führungen, welche jeden Samstag stattfinden. Sie erfolgt über die Website des Jugendheims (www.ag.ch/Jugendheim). Jugendliche bis 16 Jahre können gratis an der Besichtigung teilnehmen, alle anderen Personen bezahlen 10 Franken. Die maximale Teilnehmerzahl beträgt 24 Personen. Für zusätzliche private Gruppenführungen (am Sonntag werden keine Führungen durchgeführt) ist das Jugendheim Aarburg unter Telefon 062 787 01 01 anzufragen.
Die imposante Anlage hoch über der Aarewaage soll von den Frohburgern vermutlich im 13. Jahrhundert errichtet worden sein. Bei der Renovation der mittelalterlichen Burg in den Jahren 2005 bis 2007 konnten keine Hinweise auf die genaue Gründungszeit herausgefunden werden. Erst ab 1470 ist die Baugeschichte belegt, wie Rüegger betont. Klar sei jedoch, dass der Hauptturm, der seit dem 17. Jahrhundert aus unerfindlichen Gründen auch «Harzer» genannt wird, sowie der Palas die ältesten Teile der mittelalterlichen Burg sind.
Im Zuge der Eroberung des Aargaus durch die Berner 1415 gelangte auch die Festung in bernischen Besitz. Die Stadt Bern liess die Burg im Zeitraum von 1659 bis 1673 zu einer 370 Meter langen Festungsanlage ausbauen. «Mich fasziniert immer wieder, dass die Festung auf diesem steil aufragenden Felssporn erbaut werden konnte – und sie heute immer noch steht. Das ist eindeutig den Bernern zu verdanken, die so ihre Macht demonstrieren wollten», sagt Rüegger. Und natürlich sei die gute Erhaltung auch der Tatsache zu verdanken, dass die Gebäulichkeiten in jeder Epoche zu verschiedenen Zwecken genutzt worden seien. Den Bernern diente sie als Sitz des Landvogts, zur Sicherung der Untertanengebiete im Aargau und als Gefängnis.
Nach der Gründung des Kantons Aargau 1803 ging die Festung im folgenden Jahr in den Besitz des Staates über und diente zeitweise als kantonales Zeughaus und Zuchthaus.
Von der Zwangserziehungsanstalt zum Jugendheim
Erst 1893 wurde die Festung einer neuen Nutzung als Heim für straffällig gewordene Jugendliche zugeführt. Die Entwicklung des Heims kommt am deutlichsten in seiner Namensgebung zum Ausdruck. Anhand der in der jeweiligen Epoche zugrundliegenden pädagogischen Konzepte hiess das Heim bei seiner Gründung 1893 Kantonale Zwangserziehungsanstalt für jugendliche Verbrecher und Taugenichtse. 1943 wurde es zur Kantonalen Erziehungsanstalt Aarburg, 1972 zum Kantonalen Erziehungsheim Aarburg und schliesslich 1988 zum Kantonalen Jugendheim Aarburg.
Doch zurück zum Rundgang durch die historischen Gemäuer. Befragt nach ihrem Lieblingsort auf der Festung, sprudelt es aus Rüegger nur so heraus: Die Schlossterrasse mit Blick aufs Wiggertal Richtung Luzern ist wunderbar. Und der Sodbrunnen natürlich auch. Oder das ganz spezielle Licht, wenn während des Festungsbazars am ersten Advent die ganze Festung und insbesondere die Treppen mit Kerzenlicht erleuchtet sind. Oder der wunderbare Blick, den man auf die Aarewoog vom Dachstock des Palas aus hat, der 1534 renoviert wurde. Grossartiges Handwerk ist der Wassertank von 1893 im Hauptturm. Und, und, und … Dann hält die Festungsführerin kurz inne und sagt: «Eigentlich kann ich gar keinen Lieblingsort definieren.» Denn die Festung als Ganzes sei ein derart wunderbarer Ort, dass man ihm nicht gerecht würde, wenn man etwas speziell hervorheben würde. Denn die alten Mauern haben viele Geschichten zu erzählen. Rüegger und ihr Festungsführer-Team geben sie gerne weiter. An jedem Samstag bis zum 16. Oktober. Der Rundgang dauert rund 1 ½ Stunden.
