
Firmen kriegen Gratis-Kredite, aber die Hypotheken werden teurer: Was ist da los bei den Zinsen?
1. Wie entwickeln sich die Hypozinsen zurzeit?
Noch Anfang März 2020 lagen sie nahe dem historischen Allzeittief, das im letzten Sommer erreicht wurde: Im Mittel bei 0.93% für fünfjährige und bei 1.02% für zehnjährige Laufzeiten. Allgemein lautete die Prognose wegen der anschwellenden Corona-Krise: Die Sätze werden noch weiter fallen! Doch das Gegenteil geschah. Seit Mitte März, als die US-Notenbank Fed die Leitzinsen senkte und mehrere Staaten, auch die Schweiz, den Notstand ausriefen, sind die Hyposätze leicht angestiegen. Die Luzerner Kantonalbank etwa informierte die Kunden wie folgt über die neuen Sätze:
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Andere Banken erhöhten die Zinsen ebenfalls. Im Mittel stiegen die Hypothekarsätze seit Mitte März auf nunmehr gut 1% für fünfjährige und gut 1.2% für zehnjährige Festhypotheken. Es gibt aber auch deutlich höhere Sätze: Der Richtsatz für Zehnjährige beträgt bei Postfinance inzwischen 1,30%, bei der Credit Suisse 1,43% und bei der Bank Cler sogar 1,59%.
2. Trotz dieses Anstiegs sind die Hypozinsen historisch gesehen sehr tief. Gibt es weiterhin Schnäppchen?
Ja. Wer sucht, der findet sie. Aktuell fällt ein Discount-Angebot besonders auf: Die Bank BSU bietet auf www.hypoclick.ch zurzeit 10-Jahres-Festhypotheken zu 0,798 Prozent an.
3. Warum steigen in der Krise die Hypozinsen auf einmal, statt wie erwartet zu sinken?
Die Coronakrise hat derart viele Aspekte, dass auch die Zinssätze keinen klaren Gesetzmässigkeiten mehr folgen. Die Kapitalmarktzinsen, an denen sich die Banken orientieren, schlagen Kapriolen, wenngleich nicht so stark wie die Aktienkurse. Es gibt enorm viele Unsicherheiten: Wie schwer wird die Rezession? Und wird diese auf den Immobilienmarkt übergreifen? Wenn viele Leute ihren Job verlieren, können sie dann ihre Schuldzinsen und die Amortisationszahlungen noch begleichen? Wer kauft in den nächsten Monaten überhaupt noch Wohneigentum? Solange das nicht klar ist, werden die Zinssätze volatil bleiben.
4. Könnte es sogar zu einem Schock kommen: Zu massiv steigenden Hypozinsen?
Damit rechnet niemand. Die Zinsen sind, trotz der jüngsten Aufschläge, in der Langfrist-Betrachtung nach wie vor tief, und das dürfte so bleiben. Stefan Heitmann, Chef des Vergleichsdienstes Moneypark, wagt eine Prognose: «Die Hypothekarsätze werden sich innert Jahresfrist kaum signifikant erhöhen. Im Gegenteil könnten die massiven Eingriffe der Notenbanken und Regierungen Kredite verbilligen.» Sprich: Es könnte auch sein, dass in diesem Jahr neue Allzeit-Tiefstände erreicht werden.
5. Wie soll man sich verhalten, wenn man demnächst eine Hypothek braucht oder erneuern muss?
Nichts überstürzen, sondern die Zinssätze gut beobachten. Die täglichen Schwankungen haben sich intensiviert, und das bleibt so, solange die Coronakrise derart unberechenbar ist. Es scheint, als würden die Hypoangebote der Banken, Versicherungen und Discounter zurzeit auseinanderdriften. Ein Vergleich und das Einholen mehrerer Offerten lohnen sich mehr denn je.
6. Könnte es sein, dass die Banken die Hyposchuldner schröpfen, weil der Bund von ihnen verlangt, dass sie Gratis-Kredite für notleidende Klein- und Mittelbetriebe vergeben?
Nein. Im Rahmen des Rettungspakets des Bundes haben sich die Banken verpflichtet, den Firmen für Kredite bis 500’000 Franken gar keine Zinsen und bis zu 20 Millionen bloss 0,5 Prozent Zinsen zu belasten. Doch die Banken legen deswegen nicht drauf: Erstens bürgt der Bund für die Kredite, das heisst, die Banken lagern das Kreditrisiko an den Steuerzahler aus. Zweitens können die Banken durch die Ausleihungen an die Firmen Negativzinsen vermeiden. Für die Banken sind die Notkredite also ein Geschäft – deshalb haben UBS und CS angekündigt, die Gewinne daraus spenden zu wollen. Darum müssen die Banken also nicht bei den Hypothekarschuldnern wieder hereinholen, was sie angeblich bei den Notkrediten verlieren.
7. Ist es wegen der Coronakrise schwieriger, jetzt eine Hypothek zu bekommen?
Theoretisch nicht. Denn keine Bank hat die Vergabekriterien verschärft. Im Einzelfall könnte die Krise trotzdem Folgen haben: Ob man sich Wohneigentum leisten kann, hängt auch von der Job-Sicherheit ab. Insbesondere Selbstständige, deren Geschäft zurzeit still steht, müssen sich in den Gesprächen mit den Banken wohl die Frage gefallen lassen, wie sicher ihr zukünftiges Einkommen ist, um die Zinsen und Amortisationen begleichen zu können. Diese Gespräche finden übrigens bei den meisten Instituten zurzeit nicht physisch, sondern über digitale Kanäle statt.