
Flüchtlingswohnungen: Regierung ist machtlos – es herrscht der freie Markt
Wer Sozialhilfe benötigt, ist bei der Wohnungssuche stark eingeschränkt. Das gilt insbesondere auch für anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Ihre Not machen sich im Aargau einige Liegenschaftsvermieter zunutze: Kleine und baufällige Zimmer bieten sie zu überhöhten Preisen an. Dabei verlieren nicht nur die Mieter, sondern auch die Steuerzahler, die für Wohnkosten von Sozialhilfebezügern aufkommen müssen. Ein Geschäftsmodell, das Martina Bircher bekämpfen will. Die SVP-Grossrätin und Aarburger Sozialvorsteherin verlangte in einer Interpellation von der Regierung Auskunft – unter anderem zur Frage nach dem Handlungsbedarf.
Nun liegt die Antwort vor: Die Regierung schreibt, sie sei sich der Problematik bewusst. Allerdings sieht sie keinen Weg, um dagegen vorzugehen. «Im Immobilienbereich herrscht grundsätzlich ein freier Markt, und der Regierungsrat hat keine Möglichkeiten und Rechte, in diesen Markt regulierend einzugreifen.»
Stattdessen folgt ein Rat an die Gemeinden: Diese sollen Sozialhilfebezüger bei baulichen oder hygienischen Mängeln sowie zu hohen Mieten dazu bringen, mietrechtlich gegen ihren Vermieter vorzugehen. Ausserdem sieht die Regierung bei den Mietzinsrichtlinien Einflussmöglichkeiten für die kommunalen Sozialbehörden. Aus den Richtlinien solle hervorgehen, bis zu welchem Betrag Wohnkosten durch die Sozialhilfe gedeckt werden.
SVP-Grossrätin Martina Bircher hat sich in ihrem parlamentarischen Vorstoss ausserdem danach erkundigt, ob sich die freie Wohnungswahl für Flüchtlinge einschränken liesse. Doch auch hier sieht der Regierungsrat auf kantonaler Ebene keinen Handlungsspielraum. Das nationale Asylgesetz gewährt anerkannten und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen das Recht, den Wohnort frei zu wählen.
Druck machen in Bern
Für Bircher ist die Antwort der Regierung «einmal mehr niederschmetternd, weil der Kanton mal wieder nichts machen kann.» Sie würde sich wünschen, dass beim Bund mehr Druck gemacht oder sich der Aargau mit anderen Kantonen zusammenschliessen würde, «wenn sich der Regierungsrat der Problematik ja bewusst ist».
Ausserdem zeige die Antwort auf ihre Interpellation einmal mehr, dass vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge zu den «am besten geschützten Ausländern im Land gehören». Vom Rat der Regierung, Sozialhilfebezüger zu ermutigen, mietrechtlich gegen den Vermieter vorzugehen, hält Bircher deshalb nichts. So entstehe eine Zweiklassengesellschaft, ist sie überzeugt. «Schweizern sagt man, ‹Sie können das selber. Sie kennen das Mietrecht›. Allen anderen soll die Gemeinde helfen, weil sie die Sprache nicht beherrschen und die Gesetze nicht kennen», kritisiert sie.
Regierung teilt die Sorge nicht
Ab 2019 soll das neue Asylgesetz mit beschleunigten Verfahren umgesetzt werden. Das ambitionierte Ziel: 60 Prozent der Gesuche sollen in Bundesasylzentren und innert 140 Tagen rechtskräftig entschieden sein. Kurze Wartezeiten bedeuten umgekehrt auch kurze Angewöhnungszeiten bis zum Entscheid und – je nach Ausgang des Verfahrens – bis zur eigenen Wohnung. Bircher befürchtete deshalb, die Situation könnte sich weiter verschlimmern.
Eine Sorge, die die Regierung nicht teilt: Trotz beträchtlicher Verfahrensbeschleunigung sei nicht mit einer Verschärfung der Situation zu rechnen, heisst es in der Antwort. Der Grund: Ausgehend von Prognosen des Staatssekretariats für Migration habe der Aargau mit nur 39 zugewiesenen Personen zu rechnen, die im beschleunigten Verfahren bereits im Bundesasylzentrum Asyl oder vorläufige Aufnahme erhalten. Dem Kanton für weitere Abklärungen zugeteilt würden darüber hinaus rund 580 Asylsuchende, deren Verfahren innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein sollen. Weil sie in den Asylunterkünften mit Beschäftigungsprogrammen und Deutschkursen auf das Leben in ihrer neuen Heimat vorbereitet werden, rechnet die Regierung nicht mit zusätzlichen Schwierigkeiten.