
«Frau Arschlan», «fucking Glarner» – während Klimajugend demonstriert, verlieren Politiker den Anstand
Der Valser Gneis auf dem Bundesplatz ist wieder eine leere Fläche. Das Klimacamp, welches Aktivisten unter dem Slogan #RiseUpForChange am Montagmorgen aufgebaut hatten, ist Geschichte. Die Aktion dominierte seit Montag die Schlagzeilen. Vor allem bürgerliche Politiker zeigten sich verärgert über das Klimacamp und den Unwillen der Berner Stadtregierung, den besetzten Platz freizuräumen.
Andreas Glarners «Frau Arschlan»
Einige von ihnen verloren vollends die Contenance. So bezeichnete der als Provakteur bekannte Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner die Klimaaktivisten als Kommunisten. Vor einer laufenden Kamera der CH Media-Fernsehsender nannte er seine Ratskollegin Sibel Arslan (Grüne, Basel-Stadt) «Frau Arschlan».
Er erklärte der von der Basler Bevölkerung zweimal in den Nationalrat gewählten Arslan, es gehe hier um Recht und Ordnung, «das gibt es in deinem Staat nicht». Auf Rückfrage Arslans sagte Glarner, er meine damit die Türkei. Arslan wurde 1980 im türkischen Erzincan geboren und kam 1991 als Elfjährige nach Basel und nahm 2004 das Schweizer Bürgerrecht an.
Roland Büchels «Arschlöcher»
Ebenfalls zu Ausfälligkeiten griff Andreas Glarners Parteikollege Roland Büchel (St. Gallen). Am Dienstag bezeichnete er die Klimaaktivisten vor den Augen einer Reporterin von «Blick TV» als «Arschlöcher». Als die Journalisten die Szene zu filmen begann, rief Büchel einem Aktivisten zu, er solle «abfahren» und «den Rüssel» halten.
Jacqueline Badrans «fucking Glarner»
Anders als ihre SVP-Ratskollegen ärgerte sich SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (Zürich) nicht über die Klimaaktivisten, sondern über die Medienberichterstattung. Einem Journalisten des «Echo der Zeit» von SRF sagte sie, die Medien filmten die falschen Sachen und stellten die falschen Fragen: «Vorher habt ihr den huere fucking Glarner, who cares, gefilmt, statt die Forderungen der Jugendlichen», schimpfte Badran.
Keine rechtliche Handhabe
Rechtliche Konsequenzen dürften die Ausfälligkeiten der Nationalratsmitglieder keine haben – zumindest nicht unter der Bundeshauskuppel. Eine Sprecherin der Parlamentsdienste erklärt auf Anfrage, das Parlamentsgesetz sehe keine Sanktionsmöglichkeiten vor für Äusserungen, die Ratsmitglieder ausserhalb des Bundeshauses tätigen.
Ob Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP, Waadt) die betreffenden Parlamentarier allenfalls in privaten Gesprächen oder in einer persönlichen Erklärung für die Ausfälligkeiten tadeln wird, ist bis jetzt nicht in Erfahrung zu bringen. Eine Anfrage liess Moret bisher unbeantwortet.
Nationalratsvizepräsident Andreas Aebi (SVP, Bern) wollte sich nicht zu den Geschehnissen äussern. Auf Anfrage erklärte die zweite Vizepräsidentin des Nationalrats, Irene Kälin (Grüne, Aargau), sie hoffe dass das Präsidium und allenfalls das Büro des Nationalrats noch über die Geschehnisse diskutieren werde.
Versammlungsfreiheit gilt nicht
Am Montag hatten Nationalratspräsidentin Moret und Ständeratspräsident Hans Stöckli (SP, Bern) die Behörden von Stadt und Kanton Bern in einem Brief aufgefordert, raschestmöglich gegen die «unrechtmässige Veranstaltung» vorzugehen.
Am Montagabend hatte die bürgerliche Mehrheit des Nationalrats mit 109 zu 83 Stimmen für einen Ordnungsantrag aus der Feder von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi zugestimmt. Darin wurden die Berner Behörden aufgefordert, den Bundesplatz bis am Dienstagmorgen um 8 Uhr zu räumen.
Der Berner Gemeinderat suchte zunächst den Dialog mit Vertretern der Klima-Aktivisten. Diese liessen mehrere Ultimaten zur Räumung des Bundesplatzes verstreichen. In der Nacht auf Mittwoch erfolgte schliesslich die Räumung durch die Kantonspolizei Bern:
Die von der Verfassung garantierte Versammlungsfreiheit gilt während Sessionen auf dem Bundesplatz nicht. Das Kundgebungsreglement der Stadt Bern verbietet dort Demonstrationen, solange das Parlament tagt. Das Klimacamp fand unbewilligt statt.