
Gemeindepräsident: «In Reiden existieren Ghettos»
Reiden hat eine spezielle Situation: Im Schuljahr 2019/20 erreichte der Anteil fremdsprachiger Kinder im Kindergarten fast 50 Prozent, an der Primarschule knapp 40 Prozent. Im neuen Schuljahr liegt der Anteil im Kindergarten noch höher. Dies stellt die lokale Schule, welche die schulpflichtigen Kinder durch das Erlernen der deutschen Sprache integrieren muss, vor grosse Herausforderungen. Und es kostet eine Stange Geld. Im Sommer berichteten wir darüber, dass die Integration zur Gemeindesache gemacht und die Schule dadurch entlastet werden soll (Ausgabe vom 18. Juni).
Im Reider Magazin spricht Gemeindepräsident Hans Kunz (CVP) nun das Thema Integration an. «Natürlich können wir uns der gesellschaftlichen Entwicklung nicht entziehen», schreibt Kunz in seinem Grusswort. Der Bereich Bildung der Gemeinde sei stark gefordert. «Die Integration von Kindern gelingt mit grossen Anstrengungen durch Gemeinde und Schule zufriedenstellend.»
Fehlende Integrationsbereitschaft ein Problem
Das Problem stellen aber laut Kunz nicht die Kinder, sondern gewisse Eltern dar. Die zum Teil fehlende Integrationsbereitschaft der Eltern sei «ein Stolperstein für die Schule», heisst es weiter.
In dieser Beziehung habe der Gemeinderat laut dem Gemeindepräsidenten «eine klare Haltung». «Fremdsprachige Eltern mit Migrationshintergrund, die sich nicht integrieren lassen wollen, sind bei uns nicht willkommen», schreibt Hans Kunz.
Ungewohnt markige (und wenig lösungsorientierte) Worte. Zumal im selben Text die Rede davon ist, dass dem Gemeinderat Reiden «das Wohl der Menschen am Herzen liegt. Er arbeitet mit und für die Menschen.» – Offenbar aber nicht für alle gleich gern.
400 neue Wohnungen in zehn Jahren gebaut
Hans Kunz sagt auf Anfrage, er stehe zu seinen Aussagen. Diese basierten auf einer Standortanalyse der Schule. «Schon 2021 haben wir mehr Kinder mit Migrationshintergrund als deutschsprachige Kinder und 2022/23 wird es wohl noch extremer», sagt er. Mit Riesenanstrengungen gelinge die sprachliche Integration der Kinder bis zur ersten Klasse.
Zu Aussage über die Eltern, meint der Gemeindepräsident, in Reiden existierten inzwischen gewisse «Ghettos». Dies sei bedingt durch die grosse Wohnbautätigkeit. «In den letzten zehn Jahren wurden auf dem Gemeindegebiet von Reiden rund 400 Wohnungen neu gebaut.» Die Väter der zugezogenen Familien gingen arbeiten, die Mütter seien oft zuhause und bewegten sich jahrelang nur im Kreis von Verwandten und Personen aus demselben Kulturkreis.
Es werden Deutschkurse angeboten. Doch gewisse Eltern nutzen das nicht. Eine gesetzliche Grundlage, die gewünschte Integration zu forcieren, gibt es nicht, räumt Hans Kunz ein.
Das «Reider Magazin» wurde diese Woche in alle Haushaltungen verteilt. Reaktionen habe er bisher keine erhalten, erklärt der Gemeindepräsident. Und er glaubt, dass ihm viele zustimmen. «Der eine oder andere wird vielleicht fragen, was ich da wieder geschrieben habe», sagt er. Hans Kunz fände es gut, wenn das Thema zum Dorfgespräch würde nach dem Motto: «Hast du gehört? Wer nicht spurt, ist in Reiden nicht willkommen.»
Zur allfälligen Verantwortung der einheimischen Betriebe zur Integration ihrer ausländischen Mitarbeitenden wollte sich Kunz gegenüber dem ZT nicht äussern. Die Gemeinde Reiden hat einige Unternehmen mit Produktion, welche ausländische Personen in wenig qualifizierten Tätigkeiten beschäftigen. In den letzten Jahren wurde ausserdem enorm gebaut; Reiden hat regelmässig den höchsten Leerwohnungsbestand im Wiggertal und ist aus Sicht des Kantons eine Auszonungsgemeinde. Mancher Einheimische zieht innerorts um – in eine komfortablere Wohnung. Die Mietzinsen der frei werdenden älteren Wohnungen sind günstig. Dies zieht wiederum auswärtige sozial schwache Familien an.