
Geschichten aus der Frachtkistenwelt werden ausgezeichnet
NATURAMA AARGAU
Erlebnisorientiertes Vermitteln
Der Prix Expo zeichnet Ausstellungen und verwandte Formen aus, welche die Faszination der Natur und der Naturwissenschaften einem breiten Publikum in der Schweiz fachlich kompetent und erlebnisorientiert vermitteln. Der Preis wird seit 2003 alljährlich von der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz verliehen und ist mit 10000 Franken dotiert. 2018 geht der Preis ans Naturama Aargau, das sich gegen 16 andere Schweizer Museen durchgesetzt hat. Die prämierte Sonderausstellung «Fragile – gesammelt, gejagt, erforscht» im Naturama dauert noch bis zum 7. April 2019. Infos unter www.naturama.ch
Grosser Erfolg für das Naturama Aargau in Aarau: Für die Sonderausstellung «Fragile – gesammelt, gejagt, erforscht» wird das Museum von der Schweizer Akademie für Naturwissenschaften mit dem Prix Expo ausgezeichnet. Die Jury rühmt dabei die Ausstellung als «gestalterisch-inhaltlich konsequent und präzis» sowie «gewürzt mit Humor, Poesie und Abenteuer». Zudem greife die Ausstellung das wichtige Thema der naturwissenschaftlichen Sammlungen und deren heutige Bedeutung im Kulturerbejahr geschickt auf. An der Ausmarchung um den Prix Expo 2018 hatten 17 Schweizer Museen teilgenommen.
Geschichten hinter den Objekten
«Die Freude ist riesig», sagt Holger Frick. Er ist Leiter des Bereichs Museum und hat die prämierte Sonderausstellung konzipiert. «Wir freuen uns als Team, dass es gelungen ist, die Jury von unserer Ausstellung zu überzeugen, dass wir uns gegen 16 Mitbewerber durchgesetzt haben», erklärt Frick. Und er freue sich für das Naturama, das mit der nationalen Auszeichnung über die Kantonsgrenzen hinweg noch mehr auf sich aufmerksam mache. Auch wenn das Konzept von ihm stamme, sei die Ausstellung nur als Teamleistung machbar gewesen, betont Frick. Und er verweist als Beispiel auf die Arbeit der Szenografin Liliane Herzog, welche die Idee mit den Frachtkisten als Ausstellungsprinzip entwickelte.
Die Sonderausstellung «Fragile – gesammelt, gejagt, erforscht» nimmt das Thema des naturwissenschaftlichen Sammelns auf eine überraschende Art auf. Gezeigt werden 20 Objekte, die Kurator Holger Frick aus verschiedenen Museen zusammengetragen hat. Natürlich erhalten die Besucher alle wissenswerten Informationen zu den teilweise recht skurrilen Objekten. Aber den Ausstellungsmachern geht es um etwas ganz anderes: «Uns hat diesmal die Geschichte hinter den Objekten interessiert», erklärt Frick. «Wir haben die Perspektive gewechselt und erzählen die Geschichten der Menschen, die diese Objekte damals gesammelt haben.» 20 Geschichten liefern 20 unterschiedliche Antworten auf die Frage, warum Menschen sammeln und dabei oft Leben und Vermögen aufs Spiel setzen. Welche Geschichte gefällt dem Kurator besonders gut? Holger Frick muss nicht lange überlegen: Gustav Schneider und der Aarauer Orang-Utan.
Der Aarauer Orang-Utan
Jahrelang stand im Naturama ein ausgestopfter Orang-Utan ziemlich verloren herum, man wusste nicht recht, was man mit ihm anstellen sollte. Zufällig sah 2016 ein Wissenschafter den ausgestopften Menschenaffen und erkannte, dass es sich da um ein Werk des vielleicht weltbesten Tierpräparators Hermanus Ter Meer (1871–1934) handelte. Und auf einmal erwies sich der nutzlos herumstehende Orang-Utan als historisch wertvoll.
Gekauft hat das damalige naturhistorische Museum Aarau den ausgestopften Orang-Utan von Gustav Schneider (1867– 1948). Schneider stammte aus Basel, war Zoologe, Präparator und später vor allem Händler von Präparaten. So bot er auch den Orang-Utan den Aarauern an, aber erst nach langen und zähen Verhandlungen erwarb das Museum das teure Präparat. Schneider hatte jahrelang Sumatra bereist und Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien gesammelt. Sammeln hiess auch töten: Er schoss in Sumatra zwölf Orang-Utans. Schneider sah sich als Forscher, veröffentlichte seine Beobachtungen und verkaufte die ausgestopften Tiere. In der Sonderausstellung im Naturama erzählt Gustav Schneider von seiner Profession und wie er den Orang-Utan nach Aarau verkaufte.
Töten auf Vorrat
Genau das hat auch der Jury gefallen: Dass die Ausstellung zeigt, wie und warum früher gesammelt wurde. So wird thematisiert, wie früher Tiere für Museumssammlungen systematisch erlegt wurden. Als Vorsichtsmassnahme quasi, da sie ja ausgerottet werden könnten. In diesem Falle hätte man wenigstens noch ein paar ausgestopfte Exemplare übrig.
«Wir wollen aber nicht moralisieren», sagt Holger Frick. «Die Besucherinnen und Besucher sollen ihre Schlüsse selber ziehen.» Die Ausstellung läuft jetzt bereits seit sieben Monaten. Das Konzept, dass sich die Besucher die Geschichten, die sie hören wollen zu den Objekten, die sie interessieren, selber wählen, habe sich bewährt, stellt Frick fest. Besonders attraktiv sei dieses Format für Kinder, die in der Frachtkistenwelt des Naturamas auf Entdeckungsreisen gehen. Aber ganz allgemein bestätige sich auch hier: «Menschen hören gerne Geschichten.»