
«Gesinnungsterror»: Der wendige Herr Köppel wechselt schon wieder vor der Abstimmung das Lager
Roger Köppel drückte den grünen Knopf, als der Nationalrat am 18. Dezember 2020 mit der Änderung des Zivilgesetzbuchs die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnete. Gemeinsam mit 14 anderen SVP-Fraktionskollegen befürwortete er die Reform, während sich die Mehrheit seiner Partei gegen den Schritt aussprach.
Knapp acht Monate später hat der Zürcher Nationalrat und Chefredaktor der «Weltwoche» seine Haltung im Hinblick auf die Abstimmung vom 26. September geändert: «Gleichberechtigung ja, aber nein zur Ehe für alle», schrieb er vor Wochenfrist auf Twitter. Und legte kurz darauf nach. Ein Tisch sei ein Tisch, ein Stuhl ein Stuhl, und die Ehe eine Verbindung von Mann und Frau. Das solle auch so bleiben, meint Köppel, denn: «Wo Worte ihre Bedeutung verlieren, beginnt die Despotie.»
«Bin kein gesellschaftskonservativer Mensch»
Auf Anfrage erklärt Köppel seinen Positionswechsel mit den «Zügen einer zusehenden religiösen Verhärtung», welche er aktuell in der «Gender- und Geschlechterdiskussion» beobachtet. Darin sei die «Ehe für alle» zur Chiffre, zum Lackmustest einer falsch verstandenen Toleranz geworden:
«Wer sie ablehnt, gilt als homophob, und intolerant.»
Mit seiner Ablehnung wolle er diesem «Gesinnungsterror» entgegentreten.
Er sei kein gesellschaftskonservativer Mensch und es interessiere ihn nicht, wie die Leute ihr Leben gestalteten, sagt Köppel. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren im Freundeskreis habe er die negativen und unwürdigen Auswirkungen der rechtlichen Diskriminierung miterlebt. «Ich lehne Diskriminierung ab und unterstütze die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare». Aber dies müsse ohne die Ausweitung des Begriffs der Ehe geschehen.
«Kuschen vor dem Zeitgeist»
Diese Position getraue sich kaum mehr jemand einzunehmen: «Auch die wertkonservativen Kräfte in der ehemaligen CVP kuschen vor dem Zeitgeist.» Dabei sei das Argument von konservativen Kreisen, wonach die «Verflüchtigung und Verflüssigung» des Begriffs Ehe die Bedeutung der Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau infrage stelle, durchaus bedenkenswert – «auch wenn ich mir noch kein abschliessende Meinung dazu gebildet habe».
Erst kürzlich positionierte sich Köppel zu einer Abstimmungsvorlage neu: Ende Mai bezeichnete er das Anti-Terror-Gesetz PMT in der «Weltwoche» als invasives Werkzeug, mit dem sich Staatsanwälte, Schnüffler und Fahnder mehr Macht zuschieben wollten. Im Sommer 2020 hatte er der Gesetzesänderung im Nationalrat aber noch zugestimmt. Beim PMT sei er der Fraktionsempfehlung gefolgt. «Später habe ich meine ursprüngliche Haltung aufgrund kontroverser Diskussionen geändert».
Auch gegen die eigene Überzeugung
Sowohl als Journalist als auch als Politiker wolle er «den Gottesdienst stören», wenn sich eine Diskussion, wie aktuell um die «Ehe für alle», zu sehr auf eine Meinung verhärte: «Dann bin ich bereit, entgegen meinen früheren Äusserungen und gar nicht unbedingt meiner innersten Überzeugungen entsprechend eine Gegenposition einzunehmen.» Es sei als Politiker weniger wichtig, immer recht zu haben. «Für die Demokratie ist es wichtiger, dass eine Debatte mit möglichst vielfältigen Argumenten geführt wird.»
Auf Twitter vergleicht Köppel die Ausweitung der Ehe auf monogame, gleichgeschichtliche Paare mit der Heirat eines Menschen mit einem Tier: «Dann kann man auch sein Pferd oder seinen geliebten Wellensittich heiraten». Inwiefern ein solches Argument im Sinne der Vielfalt einer Demokratie dient, bleibt Köppels Geheimnis.