Gewerbe-Präsident Giezendanner: «Nach Betriebsferien alle durchtesten» – Handelskammer-Chef Bechtold: «Keine weiteren Obligatorien»

Obwohl Benjamin Giezendanner die aktuelle Corona-Situation als «nicht so schlimm» einschätzt: Der SVP-Nationalrat und Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes hält ein Durchtesten aller Angestellten nach den Ferien für sinnvoll. «Wenn man den Betrieb während der Sommerferien schliesst, macht es Sinn, nach der Ferienrückkehr alle zu testen», sagt er der AZ.

«Testen ist besser, als alle in Quarantäne zu schicken»

Giezendanner selber hat in seinem Logistikunternehmen zwar keine Betriebsferien, aber: «Bisher haben wir mit den Schnelltests operiert. Nun ziehen wir in Erwägung, die regelmässigen Tests einzuführen – natürlich auf freiwilliger Basis.» Er versuche, seine 220 Angestellten zum Impfen und Testen zu motivieren. Irgendwo mache man auch eine Güterabwägung, erklärt er: «Statt alle Mitarbeitenden in Quarantäne schicken zu müssen, ist Testen die bessere Alternative.»

Benjamin Giezendanner, Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes.

Benjamin Giezendanner, Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes.

Britta Gut

Mit demselben Argument wirbt der Kanton für eine Ausweitung der Massentests. Das Verfahren soll einfacher werden, verkündete der Kanton Montag. Neuerdings werden die Proben zentral gepoolt – die Firmen müssen also die Speichelproben nicht mehr selbst zusammenmischen, bevor sie analysiert werden. Dadurch können auch Firmen mit weniger als fünf Mitarbeitenden bei den repetitiven Tests mitmachen.

Obwohl Giezendanner das Einführen von Massentests selbst erwägt: Er zweifelt daran, ob sich dies bei Aargauer Firmen durchsetzen wird. Der Aufwand sei trotz Vereinfachung immer noch riesig. Deswegen hält es Giezendanner für fraglich, ob viele Betriebe diesen Aufwand auf sich nehmen würden – insbesondere, wenn sich die Lage dank des Impffortschritts entspannen würde.

Massentests könnten Impfdiskussion entschärfen

Im Gegensatz zu Giezendanner glaubt Beat Bechtold, Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer: «Ich denke, dass die Bereitschaft zu regelmässigen Tests besonders bei kleinen Firmen steigen wird.» Es falle eine grosse Hürde weg, da nun auch Betriebe mit weniger als fünf testwilligen Personen teilnehmen könnten.

Beat Bechtold, Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer AIHK.

Beat Bechtold, Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer AIHK.

Alex Spichale

Dass die Unternehmen die Proben nicht mehr selbst poolen müssen, ist gemäss Bechtold ein weiterer grosser Vorteil: «Bisher musste in jeder Firma jemand den Speichel der Kolleginnen und Kollegen zusammenmischen. Das war für viele nicht zumutbar.» Zudem hofft Bechtold, dass eine Ausweitung der Massentests die Impfdiskussion entschärfen könnte, welche sich auch in vielen Betrieben zuspitzt: «Wenn sich jemand nicht impfen lassen will, können regelmässige Tests auch dazu beitragen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen.»

Doch Bechtold gibt auch zu bedenken: «Selbstverständlich ist die Hürde immer noch gross – besonders, wenn nur wenig Personal vor Ort ist.» Das Verfahren werde zwar insgesamt einfacher, aber: «Das sehen wohl vor allem jene grösseren Unternehmen so, welche die Tests bisher schon gemacht haben.»

Ein Testobligatorium kommt für die Wirtschaftsvertreter nicht in Frage

In der AZ äusserte sich Confiseur Mark Brändli zum Dilemma, wie mit impfunwilligen Angestellten umgegangen werden soll. Brändli wünscht sich klare Regeln oder Handlungsanweisungen und findet: «Mindestens ein Testobligatorium ist zumutbar.»

Das sehen sowohl Gewerbeverband wie auch Handelskammer anders. Er stehe einem Obligatorium skeptisch gegenüber, sagt Bechtold: «Die Unternehmen sollen aufgrund ihrer spezifischen Situation entscheiden. Wenn die Hygiene- und Schutzmassnahmen konsequent umgesetzt werden und eine hohe Impfquote erreicht ist, braucht es keine weiteren Obligatorien.»

Es dürfe nicht sein, dass die Geschäftsleitung die Angestellten zum Testen zwinge, findet auch Giezendanner und meint: «Ich traue mir zu, meine Mitarbeitenden auch ohne Zwang motivieren zu können.»