
Grüne wollen mit Mirjam Kosch das Grossratspräsidium 2024 für sich holen
Nach der vom Büro des Grossen Rats beschlossenen Planung sind die Grünen im nächsten Jahr mit dem zweiten Grossratsvizepräsidium an der Reihe. Im Jahr 2024 steht ihnen demnach das Grossratspräsidium zu. «Wir erheben Anspruch darauf», sagt Parteipräsident Daniel Hölzle.
Es hat gedauert: Patricia Schreiber war die bisher einzige Grüne Grossratspräsidentin, im Amt war sie 2010/2011. Am Dienstag hat die Partei ihre Kandidatin beim Büro des Grossen Rats angemeldet: die Aarauerin Mirjam Kosch. Sie wurde im letzten Oktober gewählt, seit dem 1. Januar ist sie Mitglied der Fraktion.

Das kommt unerwartet. Erst an der Parteiversammlung von Ende August hatte Daniel Hölzle angedeutet, Kosch könnte seine Nachfolgerin im Präsidium sein. Das sei derzeit keine Option, sagte diese danach auf Anfrage der AZ. Wird Kosch allerdings Anfang nächsten Jahres zur zweiten Grossratsvizepräsidentin gewählt, dürfte die Parteispitze auch mittelfristig nicht in Frage kommen.
Ehemalige Grünen-Aarau-Präsidentin, Umweltwissenschafterin
Mirjam Kosch ist ETH-promovierte Umweltwissenschafterin und arbeitet aktuell als Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam. Nach den Grossratswahlen 2016 war sie auf dem ersten Ersatzplatz, hinter Hansjörg Wittwer. Dieser ist 2020 nicht wieder angetreten, Mirjam Kosch schaffte den Einzug in den Grossen Rat mit über 4700 Stimmen – knapp 1000 mehr als der nächste Gewählte, der Suhrer Gemeinderat Thomas Baumann.
Dass Kosch als valable – weil erfahrene und innerhalb der Partei bestens vernetzte – Nachfolgerin Hölzles gehandelt wurde, macht Sinn. Sie leitete während sechs Jahren die Aarauer Grünen, 2020 gab sie das Amt im Hinblick auf die Grossratswahlen ab. Und sie ist klar Umweltpolitikerin, die sich auch beruflich mit dem Kernthema der Partei befasst. Mirjam Kosch kennt sich aus.
Ein Personalproblem?
Ob es überhaupt demnächst zu einem Präsidiumswechsel bei den Grünen kommen wird und wann allenfalls damit zu rechnen wäre, lässt Daniel Hölzle offen – trotz seiner Bemerkung am Parteitag. Dass er aus Zeitgründen mit dem Gedanken spielt, hat er bereits wiederholt angedeutet, konkret ist bis jetzt aber nichts. Wer in Frage kommen könnte, ihm zu folgen, ist genauso unklar.
Auch wenn die Grossratsfraktion der Grünen inzwischen 14 Köpfe stark ist, Mitgliederzahlen und Bekanntheitsgrad steigen, so fehlt ihnen doch noch der Kandidatenpool der grösseren Parteien. Einfach dürfte es nicht sein, jemanden mit der nötigen Zeit für dieses Amt zu finden. Und das wiederum dürfte mit ein Grund sein, warum Daniel Hölzle sich noch nicht festgelegt hat.
Erst seit 1. Januar in der Fraktion
Mirjam Kosch wird es nicht sein. Sie könnte dafür höchste Aargauerin 2024 werden. Das ist auch noch aus einem anderen Grund überraschend: So erfahren Kosch als Ortsparteipräsidentin ist, so ist sie doch erst seit diesem Jahr im Parlament. Das ist eine kurze Zeit, um sich auch über die eigenen Reihen hinaus bekannt zu machen. Zwar hielt Kosch bisher einige Voten, einen Vorstoss eingereicht aber hat sie noch nicht. Dass die Grünen hier nicht auf die Erfahrung setzen, die durchaus einige in der Fraktion mitbringen würden, ist ungewöhnlich.
Es dürfte sich aber zumindest teilweise gleich erklären lassen, wie die mangelnden Präsidiumskandidaten: Das Grossratspräsidium ist zeitaufwendig – und die Verpflichtung geht man, mit dem zweiten Vizepräsidium, bereits zwei Jahre zuvor ein. Gut möglich, dass etwa Ruth Müri, die 2019 für den Ständerat angetreten ist, dafür auch 2023 kandidieren wird. 2024, im gleichen Jahr wie die Grünen Anspruch auf das Präsidium haben, sind zudem kantonale Wahlen – vielleicht kommt damit der eine oder andere Rücktritt.
Kosch nach 2019 auf dem zweiten Ersatzplatz für den Nationalrat
Andererseits kann das Grossratspräsidium neuen politischen Talenten auch Schub verleihen, was wiederum der Partei zugutekommt. Die Grünen streben selbstverständlich nach ihren Wahlerfolgen den zweiten Sitz im Nationalrat an. Dafür steht Mirjam Kosch in einer Poleposition. Bei den Wahlen 2019 schaffte sie es hinter der gewählten Irène Kälin und der zweitplatzierten Ständeratskandidatin Ruth Müri auf den dritten Platz.
Nur finden die nächsten Wahlen im Oktober vor Koschs möglichem Präsidiumsjahr statt – der Effekt käme also noch nicht zum Tragen. Möglich ist weiter, dass die Grünen mit Mirjam Kosch 2024 die Rückeroberung ihres Regierungssitzes anstreben. Das hat zuletzt mit Christiane Guyer bei der Einervakanz 2020 nicht geklappt.
Erst im Verlauf des Novembers beschliesst das Büro des Grossen Rats die Nominationen. Der Grosse Rat wählt das Präsidium am 11. Januar 2022. Aller Voraussicht nach wird Elisabeth Burgener (SP), die jetzige Vizepräsidentin, zur Präsidentin gewählt, Lukas Pfisterer (FDP) zum Vizepräsidenten. Und die Grünen werden nach über zehn Jahren sehr wahrscheinlich wieder im Präsidium vertreten sein. Mit Mirjam Kosch.