Halbfinaltag: Schafft es die Schweiz mit den Aargauer-Duo Zibbz ins Finale?

Keine gigantische Lichtshow, kein Konfetti, keine Glitzerkleider. Dafür aber harte Rock-Pop-Beats. Stefan «Stee» Gfeller fetzt auf seinem Drum-Kit. Corinna «Co» läuft mit einer nahezu überschäumenden Energie kreuz und quer über die gewaltige Bühne in der Altice Arena in Lissabon. Sie rennt über die riesige Brücke, springt von Stee’s Drums runter, rockt mit Lichtfackeln am vorderen Ring – meistens ihr Standmikrofon im Schlepptau.

Probe war voller Erfolg
Die Generalprobe am Montag war ein voller Erfolg. Genau so wollte es das aus dem Aargau stammende Geschwister-Duo Zibbz haben, das mit seinem Pop-Rock-Song «Stones» am heutigen Dienstag die Schweiz im ersten Halbfinale beim 63. Eurovision Song Contest in der portugiesischen Hauptstadt vertritt.

«Wir wollen uns selbst bleiben und hier keinen Zirkus mit Feuerwerk veranstalten. Wir lieben es, in kleinen Clubs aufzutreten. Es ist uns wichtig, den Kontakt zum Publikum zu haben. Deshalb mache ich in drei Minuten einen halben Marathon auf dieser riesigen Bühne. Ich will nah beim Publikum sein, es spüren», meint Co im Gespräch mit der «Nordwestschweiz».

Der Einzug ins ESC-Finale am kommenden Samstag wird aber nicht leicht. In den vergangenen zehn Jahren gelang es nur zwei Schweizer Beiträgen, sich fürs grosse Finale des Song Contests zu qualifizieren. 2011 Anna Rossinelli mit «In Love for a While» und 2014 Sebalter mit «Hunter of Stars». Das wissen auch die aus Waltenschwil stammenden Geschwister, die heute in Los Angeles und in Gisikon in Luzern lebe

Pech mit Auslosung
Zibbz hatten dabei nicht nur das Pech, in die erste und grössere Halbfinalrunde gelost zu werden, in der sich von 19 Teilnehmern nur 10 fürs Finale qualifizieren. Stee und Co haben auch alle Favoriten in ihrer Gruppe: Die bunt-schrille Netta Barzilai aus Israel zeigte am Montag, warum sie mit ihrem «Toy»-Song die Wettquoten anführt. Das wuchtige #MeToo-Hip-Hop-Elektro-Stück im Gangnam-Style reisst mit, der Part mit dem Hühnergegacker ist bereits Kult unter den ESC-Nerds.

Der Tscheche Mikolas Josef liegt mit seinem mitreissenden Elektro-Hip-Hop-Song «Lie to Me» und seiner akrobatischen Nummer ebenfalls hoch im Kurs für den ESC-Sieg. Gute Chancen werden auch dem Opern-Pop-Stück von Elina Nechayeva aus Estland eingeräumt. Der stimmgewaltige Österreicher César Sampson überzeugt mit seinem «Nobody But You». Und nicht zuletzt die an Beyoncé erinnernde Eleni Foureira aus Zypern, deren «Fuego» ein klassischer ESC-Pop-Song mit Erfolgsgarantie ist.

 

Zurückhaltung vor dem Halbfinale
«Es ist uns schon klar, dass der Einzug ins Finale nicht leicht wird. Es gibt viele gute Musiker und Songs. Aber vieles hängt auch vom Auftritt ab. Nicht jeder Song, der in einem Video gut rüberkommt und gerade als Favorit gilt, funktioniert automatisch auch auf der Bühne», ist Stee überzeugt. Und: «Zibbz haben meiner Meinung nach eine der stärksten Live-Performances. Ich bin mir sicher, sie schaffen es ins Finale», meint der deutsche ESC-Teilnehmer Michael Schulte.

Auch Peter Ramón Baumann, Vorsitzender des Schweizer ESC-Fanklubs, hofft darauf, dass Zibbz weiterkommen. Für den gebürtigen Aargauer aus Bottenwil bei Zofingen ist «Stones» einer der besten Songs, den die Schweiz in den letzten Jahren zum ESC geschickt habe. «Er ist rockig und hebt sich dadurch von den anderen Liedern ab. Zibbz machen auch eine gute Show, sie nutzen die ganze Bühne. Die Konkurrenz in der ersten Halbfinalgruppe ist aber sehr, sehr stark und ich bin mir nicht sicher, ob das Gros des Publikums überhaupt Notiz vom Inhalt des Songs nehmen wird», so Baumann.

 

Thema Mobbing
Der tiefsinnige Rock-Song ist eine Kritik am weit verbreiteten Problem des Mobbings. «Das ist ein Thema, das mich schon immer beschäftigt hat. Schon im Sandkasten und auf dem Schulhof ärgerte es mich, wenn andere gehänselt wurden», sagt Co, die den Songtext zusammen mit ihrem Bruder und der kanadischen Songwriterin Laurell Barker geschrieben hat.

Ob der Einzug ins ESC-Finale klappt, bleibt abzuwarten. Die Aargauer Geschwister sind so oder so zuversichtlich. «Wir können nur gewinnen. Neue Fans, die sonst nie von uns erfahren hätten. Und vielleicht öffnet uns der Contest Türen zu anderen Ländern. Wir haben zumindest beschlossen, jeden Augenblick zu geniessen. So etwas erlebt man nur einmal im Leben», meint Stee.

Kein Lampenfieber
Deshalb haben die beiden auch noch kein Lampenfieber. Und das, obwohl sie wissen, wie viele Menschen ihren Auftritt verfolgen. Der ESC ist mit 200 Millionen Zuschauern einer der weltweit grössten TV-Events überhaupt.

«Natürlich wollen wir ins Finale, aber es ist einfach auch schon eine grosse Ehre, hier unser Land zu vertreten und auf einer der grössten Bühnen der Welt stehen zu dürfen», versichert Stee. Sie wollen aber nicht schrill sein und herausstechen. Das überlassen sie denjenigen, die das wollen und auch können. «Wir wollen einfach eine coole, souveräne Show hinlegen, auf die wir und die Schweiz stolz sein können», so Stee. «Es würde auch nichts bringen, etwas zu zeigen, was wir nicht sind. Wie müssen authentisch sein», ergänzt seine Schwester Co.

SRF 2 überträgt das erste Halbfinale des ESC am Dienstag live ab 21 Uhr.