
Halle für Aargauer Bahnwagen in Sicht – noch vor kurzem lagen sie versunken im Schnee
Im Mittelland ist Frühling, aber oben auf der historischen Bergstrecke der Furka-Dampfbahn zwischen Realp im Urnerland und Oberwald im Goms herrscht noch tiefer Winter. Bis vor kurzem lagen die Gleise unter Lawinenzügen – bis zu zehn Metern unter dem Schnee. Die Räumung beginnt in der ersten Hälfte Mai und dauert dieses Jahr zwei Wochen statt nur einer. Im Hochgebirge ist die Fahrsaison sehr kurz, sie dauert nur vom 23. Juni bis 7. Oktober 2018. Auch die in Aarau renovierten Bahnwagen sind in Oberwald im Schnee versunken. Die Überwinterung im Freien ist für jeden Bahnfreund ein Jammer, für die Frondienstler, welche die Wagen renovieren, speziell schmerzlich. Tausende von Stunden haben sie investiert, um aus den Wracks originalgetreue Bahnwagen nachzubauen. So wie sie vor 100 Jahren auf der legendären Strecke durch die Alpen dampften.
Aargauer finanzieren Remise
Der Stammverein Furka-Dampfbahn muss die knappen Mittel in den Betrieb stecken, für Erneuerungen und Investitionen fehlt das Geld. Das Projekt einer Remise in Realp mit vier 60 Meter langen Gleisen ausgangs Dorf Richtung Furkapass besteht seit bald zehn Jahren. Auf dem Tisch liegt auch die Bewilligung des Bundesamtes für Verkehr, Kanton und Gemeinde sind einverstanden. Aber als Bedingung für den Start haben die Bauherren festgelegt, dass 80 Prozent der 2,9 Millionen Franken Baukosten gesichert sein müssen.
Für die Aargauer war klar, dass sie das Heft selber in die Hand nehmen mussten. «Unserer Sektion tut es weh, wenn wir sehen, wie die Wagen unter Schnee und Regen verrotten», sagt der neue Präsident Hans Fellmann. Vor einem Jahr waren erst 350 000 Franken beisammen. Durch Einzelspenden zwischen 20 und 10 000 Franken aus der Schweiz und ganz Europa ist eine halbe Million dazugekommen. «Mit den Zusagen von grossen Sponsoren können wir den Rest abdecken», versichert Fellmann. Der ehemalige Gemeindeammann von Gränichen hat offenbar geschickt und erfolgreich verhandelt.
Wagen bald startbereit
Schon fast reisefertig ist der jüngste revidierte Bahnwagen, ein Zweiachser von 1914, der als Zweitklassewagen mit Dienst- und Gepäckabteil zum Einsatz kommt. Die Drehgestelle sind schon oben in Realp, der Wagentransport von Aarau her ist auf den 2. Juni angesetzt.
Die Fahrt löst immer Staunen und Bewunderung aus: Wenn der Bahnwagen auf dem Tieflader über die Autobahn rollt, beim Kaffeehalt an der Gotthard-Raststätte und vor allem in der wilden, engen Schöllenenschlucht. Etwas eng war es auch in der Werkstatt selber, im alten Schlachthaus der Stadt Aarau.
Erstmals standen drei Wagen gleichzeitig in der grossen Halle, für Werkstattleiter Werner Beer eine zusätzliche Herausforderung. Nach wie vor ist er mit vollem Elan dabei. «Diese Arbeit macht mir Freude, die Führung der Projekte und die ganze Technik interessieren mich», sagt er. Für die Sektion Aargau ist Werner Beer ein Glücksfall, keiner kennt die Wagen derart in- und auswendig wie er und hat immer eine Lösung für Probleme.
Solche treten ziemlich häufig auf, denn die historischen Wagen werden in Aarau völlig zerlegt, von den Drehgestellen über den hölzernen Aufbau bis zum Dach, den Fenstern und der neuen Dampfheizung. In der eigenen Schreinerei werden die massiven Balken der Tragkonstruktion ganz oder teilweise erneuert. Die Sitzbänke der 2. Klasse sind aus Holz, die erste Klasse ist vornehm und bequem gepolstert.
70 Arbeiter im Frondienst
Motivieren muss Beer keinen der rund 70 Frondienstler, die immer am Dienstag- und Donnerstag-Nachmittag und -Abend in die Werkstatt kommen. Dabei kommt auch die Geselligkeit in der Dampfbahn-Familie nicht zu kurz, neben einer Kaffeepause gibt es immer ein gemeinsames Nachtessen.
In Sachen Präzision ist Werner Beer ein strenger Chef, dem nur höchste Qualität gut genug ist. Auf den Unterstand in Realp freut sich der Werkstattleiter besonders: Am 24. August findet der Spatenstich statt, im übernächsten Winter 2019/20 sollten die Wagen erstmals vor Wind und Wetter geschützt sein. «Wir wollen die neue Remise ganzjährig nutzen, Sonne und Regen setzen den Fahrzeugen auch im Sommer zu.» Statt nach 15 bis 16 Jahren sollen sie künftig erst nach 25 Jahren wieder zurück in die Werkstatt kommen. «Die Arbeit wird uns nie ausgehen», sagt Werkstattleiter Beer.