
Heimatschutz vermisst «gute Architektur» im Eniwa-Projekt
Der Aargauer Heimatschutz ist über die jüngste Entwicklung beim Wasserkraftwerk Aarau nicht glücklich. Er hat vorläufig von den Plänen der Eniwa Kenntnis genommen und wird im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens Stellung nehmen.
Unter dem Titel «Eniwa will das Türmli für neues Kraftwerk opfern» berichtete diese Zeitung am Samstag über die Pläne für das insgesamt 130 Millionen Franken teure Kraftwerk-Projekt. Bis 2025 sollen das Kraftwerkgebäude und der bei Spaziergängern und AareSchwimmern beliebte Mitteldamm verschwinden. Aus Kostengründen – der produzierte Strom darf nicht zu teuer werden – hat die Enwia das rechtsgültig bewilligte «Projekt 2013» gestoppt und, wie sie sagt, optimiert. Aus Sicht des Heimatschutzes handelt es sich um weit mehr als um eine «Optimierung». «Es ist ein kompletter Neubau», erklärt Heimatschutz-Geschäftsführer Henri Leuzinger.
«‹Projekt 2013› war besser»
Seine Organisation hat die Erarbeitung des «Projektes 2013» begleitet. Also desjenigen Projektes, bei dem das Türmli mindestens bis ins Jahr 2035 (dem frühesten Zeitpunkt des Beginns der 2. Etappe) stehen geblieben und bei dem im nördlichen Aare-Teil eine neue, transparente Turbinenhalle entstanden wäre. Diese Pläne entstanden im Rahmen eines Architekturwettbewerbs. «Vom Erscheinungsbild und vom Verfahren her war das die bessere Lösung», erklärt Leuzinger. «Das Kraftwerk wäre als prägender Bau erhalten geblieben.» Jetzt wirke es nur noch wie eine Wehrinstallation, wie ein technischer Zweckbau. Leuzinger tut sich schwer mit dem Trend, Flusskraftwerke möglichst unsichtbar zu machen. «Man kann zumindest die Frage aufwerfen, ob da nicht eine gehaltvolle, wertvolle Architektur angezeigt wäre.»
«Wichtiger, prominenter Bau»
Die architektonische Qualität müsse ein Kriterium sein, findet Leuzinger. Dies umso mehr, als es sich beim Aarauer Kraftwerk um «einen wichtigen und prominenten Bau» handle. Gar nicht verstehen kann der Heimatschutz, dass die Aspekte der Freizeitnutzung und der Landschaftseinbettung in den Präsentationen zu den neuen Plänen kaum ein Thema waren.
«Im Projekt fehlt – soweit ersichtlich – eine differenzierte Wahrnehmung und Darstellung des Landschafts- und Erholungsraumes zwischen Kraftwerk und Schönenwerder Schachen», sagt Leuzinger. Auch wenn für den Energieproduzenten Eniwa dieses Thema kaum von Bedeutung sei, müssten sich die Vertreter der Stadt Aarau und die weiteren betroffenen Einwohnergemeinden diesbezüglich in die Planung einbringen können. «Dem Thema kommt eine umso grössere Bedeutung zu, sollte das identitätsstiftende Türmli-Kraftwerk neu effektiv wegfallen», so Leuzinger.
Ein weiteres Fragezeichen setzt der Heimatschutz schliesslich auch hinter den Zeitplan. Das Baugesuch soll bereits nach den Sommerferien eingereicht werden. Die Bewilligungen – die für die Richtplanänderung für den Mitteldamm und die Baubewilligung für das Kraftwerk – hofft die Eniwa im ersten Halbjahr 2020 zu erhalten. Dieses Zeitprogramm sei «sehr ambitiös», findet Leuzinger, vor allem, wenn noch Modifikationen am Projekt erforderlich wären, die im Rahmen der Mitwirkung vorgebracht werden.
Bei der Projektpräsentation hatte Eniwa-CEO Hans-Kaspar Scherrer darauf hingewiesen, die Mehrheitsaktionärin Stadt Aarau und der Denkmalschutz hätten signalisiert, dass sie das Projekt unterstützen würden. Wie jetzt die erste Stellungnahme zeigt, äussert der Heimatschutz zumindest Vorbehalte. Der von Scherrer gepriesene «neue optische Durchblick» und die «neue Transparenz» werden anders beurteilt. «Ein Kraftwerk darf man durchaus auch sehen», findet Leuzinger.
Mit Verbandsbeschwerderecht
Der Aargauer Heimatschutz (mit rund 850 Mitgliedern) setzt sich als private Organisation für die Erhaltung und Pflege des gebauten kulturellen Erbes ein. So sollen Baudenkmäler aller Epochen vor dem Abbruch bewahrt bleiben. Der Aargauer Heimatschutz gehört zu den Organisationen, die über das Verbandsbeschwerderecht verfügen. Er kann sich auch im Baugesuchsverfahren wehren. Was es bedeuten kann, den Heimatschutz als Kontrahenten zu haben, hat die Eniwa (damals noch IBAarau) 2014 erfahren: Damals ging es um einen Kamin für eine Fernwärmezentrale. Der Heimatschutz trug massgeblich dazu bei, dass die Eniwa eine bessere Lösung suchen musste und der Kasinopark nicht tangiert wurde.