
Hier lebte und wirkte er – hier nahm er sich auch das Leben: Im Studierzimmer von Cäsar von Arx

Würde nicht eine Plakette an der Hausecke darauf hinweisen, das ehemalige Bauernhaus an der Schmiedengasse 2 in Erlinsbach SO würde niemand für das ehemalige Heim eines Schriftstellers halten. Von etwa 1931 bis zu seinem Tod 1949 lebte hier der Schriftsteller und Dramatiker Cäsar von Arx.
Hans M. Eichenlaub (68), Mitglied des Stiftungsrates der Cäsar-von-Arx-Stiftung, schliesst die Holztüre zum Studierzimmer im ersten Stock auf. Mit heiligem Ernst überschreitet man die Schwelle und es scheint, als ob sich damit die Zeit um 70 Jahre zurückdrehen würde. Das helle Zimmer strahlt Ruhe und Würde aus. Kein Zweifel, hier lebte ein Denker, ein Mann des Wortes, ein Künstler.
Der Blick fällt zunächst auf einen matt-rötlichen Lehnstuhl, der vor den strassenseitigen Fenstern steht. Links der Wand entlang erstreckt sich ein langes Bücherregal. Die europäischen Geistesgrössen sind versammelt, Schiller, Goethe, Kleist, Hauptmann, aber auch Ibsen und griechische Dramatiker. Musik- und Geschichtsbücher gehörten auch zu seiner bevorzugten Lektüre. «Von Arx behandelte zahlreiche historische Stoffe, daher waren historische Bücher für ihn sehr wichtig», erzählt Eichenlaub.
Rechts neben der Tür steht ein mit Decken belegtes Kanapee, darüber hängen die Totenmasken von Richard Wagner und Friedrich Nietzsche an der Wand, weitere sind im Raum verteilt. «Totenmasken waren zu seiner Zeit ein beliebtes Sammelgut, das man bestellen konnte», sagt Eichenlaub. Ebenfalls war von Arx immer auf der Suche nach Autografen berühmter Persönlichkeiten, einige davon hängen gerahmt über dem Kanapee. Sein Schreibtisch gleicht von den Ausmassen her eher einem kleinen Esstisch. Die Bleistifte liegen der Grösse nach sortiert auf dem grünen Tischtuch. Links ist eine Fotografie von Heidegger platziert, rechts eine Büste, vermutlich zeigt sie das Angesicht Voltaires. Hier schrieb von Arx seine Werke. «Den grössten Teil seines schriftstellerisch produktiven Lebens verbrachte er hier», unterstreicht Eichenlaub die Bedeutung des Dorfes im Leben von Cäsar von Arx.
Im Mai 1929 nahm er Wohnsitz in Erlinsbach. Das Haus erwarb er um 1931 von zwei Tanten und liess es durch den Architekten Paul Artaria umbauen. Als Kind eines Stüsslingers und einer Niedererlinsbacher Mutter wuchs er in Basel auf, wo er am 23. Mai 1895 als Sohn eines Schriftsetzers zur Welt kam. Schon in seiner Jugendzeit begeisterte er sich fürs Theater. Während des Ersten Weltkrieges studierte von Arx Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität Basel, ehe er ohne Abschluss zum Stadttheater wechselte. Danach arbeitete er als Regisseur in Leipzig und heiratete nach seiner Rückkehr Gertrud (Trudi) Häfeli, Tochter eines Hoteliers, die den Mädchen Verena (1925) und Maja (1926) das Leben schenkte. Festspiele und Dramen entstanden, unter anderem «Der Verrat von Novara» (1934). Die meisten wurden am Züricher Schauspielhaus uraufgeführt. Aber längst nicht alle Stücke sind erhalten geblieben. Hinter der Tür versteckt sich ein Ofen. «Hier drin haben manche fertigen Manuskripte ihr Ende gefunden», weiss Eichenlaub.
Mit seiner Frau Trudi verband von Arx eine innige Zuneigung. Als sie am 14. Juli 1949 nach langer Krankheit im Kantonsspital in Aarau starb, war auch sein Lebenswille gebrochen.
Schicksalstag 14. Juli 1949: Tod im Lehnstuhl
Schon einige Zeit zuvor hatte er mit den Vorbereitungen eines Suizides angefangen. Insbesondere studierte er medizinische Bücher, um herauszufinden, wie er eine Kugel durch den Schädel schiessen konnte, ohne das Gesicht zu entstellen. Beim Waffen-Pauli in Aarau hatte er zuvor eine Pistole erworben. Da er nie einen Waffenerwerbsschein besass, hat er wahrscheinlich geschwindelt, dass er ihn später nachreichen würde. Am Morgen des 14. Juli 1949 fuhr er mit der Tochter Maja nach Aarau, um von Trudi Abschied zu nehmen. Am Nachmittag bereitet er seinen Suizid vor. Er rasierte sich sorgfältig, damit eine schöne Totenmaske abgenommen werden konnte. Maja schickte er zum Lehrer Kamber mit dem Hinweis, um 15 Uhr zurückzukommen. Im Lehnstuhl erschoss er sich mit einer Pistole, die heute nicht mehr vorhanden ist. Friedlich lächelnd habe er dagesessen, als Lehrer Kamber eintrat. Die Aufführung seines letzten Stückes erlebte er nicht mehr. Bei der Premiere am 30. Juli 1949 blieben in der vordersten Reihe zwei Plätze frei.
Grab dank Neu-Gemeinderätin Ruth Grossenbacher gerettet
Gegenüber dem Kircheneingang auf der rechten Seite wurden Cäsar und Trudi von Arx zur Ruhe gebettet. Vorausgegangen war eine Kontroverse, ob er als Selbstmörder auf dem Friedhof ruhen dürfe. Der Pfarrer setzte dies jedoch gegen Bedenken des Bischofs durch. Bei der Beerdigung tobte ein heftiger Sturm. Am 23. Mai 1975 sollte das Grab nach Ablauf der 25-jährigen Frist aufgehoben werden. Die spätere Nationalrätin Ruth Grossenbacher sass damals neu im Gemeinderat und wollte dies verhindern, wurde jedoch überstimmt.
Dieses Verdikt wollte sie nicht akzeptieren. Sie erreichte, dass der Regierungsrat die Kosten für die Umbettung übernahm und stellte einen Wiedererwägungsantrag. Diesmal stimmte der Gemeinderat dafür. Bei der Exhumierung waren der Dorfarzt und Vertreter der Gemeinde dabei. «Der Dorfarzt erkannte den Schädel von Cäsar von Arx anhand des Loches in der Schädeldecke, das vom Schuss stammte», berichtet Eichenlaub. Seither ruht das Ehepaar von Arx am Rande des Friedhofs. Das schlichte Holzgrabmahl trägt die Aufschrift: «Nulla crux / nulla corona». Weder Kreuz noch Krone.
Jetzt, nach seinem 70. Todestag, sind die Rechte abgelaufen, seine Stücke können frei gespielt werden. Die Nachfrage ist allerdings sehr gering. Dass eine grosse Bühne wie ein Theater Basel ein Stück von Cäsar von Arx aufführen würde, ist unwahrscheinlich. Frisch und Dürrenmatt verdrängten seine Werke, die bis heute durch ihre hohe Sprachkunst beeindrucken, von den Spielplänen.
2001 wurde seine einzige Dialektkomödie «Vogel friss oder stirb» in Erlinsbach aufgeführt. Ein Glücksfall, dass die Tochter Maja das Studierzimmer unverändert beliess und dadurch auch späteren Generationen Einblicke in das Denken und Schaffen dieses grossen Dramatikers ermöglicht sind. Die Werkausgabe in vier Bänden ist im Schwabe-Verlag erschienen.
Hans M. Eichenlaub, Mitglied des Stiftungsrates. (Bild: bko) Hans M. Eichenlaub, Mitglied des Stiftungsrates. (Bild: bko) Hans M. Eichenlaub, Mitglied des Stiftungsrates. (Bild: bko) Hans M. Eichenlaub, Mitglied des Stiftungsrates. (Bild: bko) Hans M. Eichenlaub, Mitglied des Stiftungsrates. (Bild: bko) Hans M. Eichenlaub, Mitglied des Stiftungsrates. (Bild: bko) Hans M. Eichenlaub, Mitglied des Stiftungsrates. (Bild: bko) Hans M. Eichenlaub, Mitglied des Stiftungsrates. (Bild: bko)