High Noon im Bundesrat: Die Sitzung läuft – krebst er bei der Beizen-Sperrstunde noch zurück?

Was viele spürten in der Bevölkerung, spüre auch der Bundesrat, sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am Dienstag: «Dass er das Heft wieder stärker in die Hand nehmen muss.» Gemeinsam mit Gesundheitsminister Alain Berset präsentierte sie nach einer ausserordentlichen Sitzung, welche Massnahmen der Bundesrat am Freitag beschliessen soll. Doch die Kritik, die danach auf die Regierung einprasselte, ist ziemlich gross.

Am Freitagnachmittag nun wird die Regierung vor die Medien treten und bekanntgeben, was effektiv in Kraft treten wird. Wir erklären, welche Massnahmen der Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt hat – und wo es teils heftigen Widerstand gibt:

Sperrstunde strikt um 19 Uhr

Gastrobetriebe, Einkaufsläden, Märkte und Freizeitbetriebe müssen nach 19 Uhr und am Sonntag geschlossen bleiben. Besonders die Wirte sind deswegen verärgert. «Die anvisierten Massnahmen des Bundesrates sind nicht nachvollziehbar und willkürlich», erklärte Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer. Mit einer Sperrstunde um 19 Uhr lohne es sich erst gar nicht mehr, die Lokale zu öffnen. Da wäre es ehrlicher, die Betriebe zu schliessen und finanziell zu entschädigen, finden manche Beizer deshalb.

Aus den Kantonen gibt es Vorschläge, Gastrolokale immerhin bis 21 oder 22 Uhr geöffnet zu lassen – oder sie noch früher zu schliessen. Weil sich auch viele Kantone lautstark gegen das neue Regime wehren, könnte es zu einer Art Kompromiss kommen, wie die «NZZ» erfahren hat: In Kantonen, welche die Pandemie unter Kontrolle haben, sollen Restaurants und Läden länger als bis 19 Uhr öffnen können.

Besonders gross war die Entrüstung freilich in der Romandie. Denn die welschen Kantone hatten schon vor Wochen Massnahmen ergriffen und Restaurants geschlossen. In diesen Tagen hätten diese wieder öffnen sollen. «Für uns sind die Vorschläge des Bundesrats deshalb eine doppelte Strafe», sagt der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay gegenüber CH Media. In einer gemeinsamen Stellungnahme protestieren die Westschweizer Kantone. Es sei unfair, dass der Bundesrat nun denjenigen Kantonen restriktive Massnahmen auferlege, die ihre Verantwortung in den vergangenen Wochen wahrgenommen hätten.

Maximal fünf Personen aus zwei Haushalten

In privaten Räumen sollen maximal fünf Personen – statt wie bisher zehn – aus neu nur noch zwei Haushalten zusammenkommen dürfen. Ausnahmen soll es nur im Zeitraum vom 24. bis 26. Dezember sowie am 31. Dezember geben. Die Obergrenze und die Zwei-Haushalte-Regelung sind bei manchen Kantonen umstritten; besonders die Fixierung auf Haushalte entspreche nicht der Lebensrealität vieler Menschen, sagen sie.

Andere Kantone haben die Regeln bereits von sich aus eingeführt. Auch hier könnte es Konzessionen geben, wie bundesratsnahe Quellen gegenüber der Redaktion von CH Media bestätigen: So könnte die Zwei-Haushalte-Regelung weiterhin bloss eine «dringliche Empfehlung» bleiben.

Veranstaltungen und kulturelle Anlässe verboten

Kulturelle Aktivitäten, auch im schulischen Bereich, sollen untersagt werden. Veranstaltungen mit Publikum werden verboten. Dieser Punkt gilt als unbestritten. Es gibt einzig Forderungen, wonach der Bundesrat seine Eingriffe auf jene Kantone beschränken sollte, in denen sich die Epidemie besorgniserregend entwickle.

Ebenso sollen sämtliche öffentliche Veranstaltungen verboten werden, von religiösen Feiern und Parlamentsversammlungen einmal abgesehen.

Oder sogar ein harter Lockdown?

Sollte sich die Lage weiter verschlechtern, kündigte der Bundesrat für den 18. Dezember eine zweite Stufe an – faktisch einen Lockdown: Hinzukommen könnte dann die Schliessung von Läden und Gastrobetrieben. Der Bundesrat hat das Finanzdepartement ausserdem beauftragt, neue Entschädigungen für die am meisten betroffenen Betriebe zu prüfen. Über diese Hilfen wird die Regierung voraussichtlich ebenfalls erst am 18. Dezember entscheiden.