«Ich beschaffe noch allen Brenn- und Treibstoff»: Aargauer Transport-Pionier Dreier wird 90

«Ich habe noch Kohle geschaufelt», erinnert sich Hans-Rudolf Dreier. Der Suhrer Lastwagen-Unternehmer, ein Fuhrhalter im klassischen Sinn des Wortes, wird heute Dienstag 90 Jahre alt. Er sei noch «sehr gut zwäg», sagt er. Als Dreier 1951 als 22-Jähriger ins elterliche Transportgeschäft einstieg, hatte dieses neben zwei Pferden und einem Traktor unter anderem einen Leichenwagen und eine Hochzeitskutsche. Aber auch schon zwei Lieferwagen. Heute sind es 275 schwere Lastwagen und 600 Wechselbrücken. Die über 500 Angestellten der Dreier AG erwirtschaften einen Umsatz von ca. 100 Millionen Franken. Das Unternehmen gehört dem CEO Hans-Peter Dreier (59, dem Sohn von Hans-Rudolf) und dessen Cousin Daniel Dreier (64, dem Präsidenten des Nordwestschweizer Schwingerverbandes).

Um 7.30 Uhr klingelt der Wecker

Obwohl schon 90-Jährig, spielt Vater Dreier in der Firma noch immer eine Rolle: primär in seiner Funktion als Ehrenpräsident. Aber er ist, wenn nur noch sehr beschränkt, auch operativ tätig. «Ich beschaffe den Brenn- und Treibstoff für unsere ganze Flotte und für den Heizölhandel», erklärt Dreier. Das Handy klingelt. Eine Frau will Heizöl bestellen. «Ja, das mache er auch noch.» Aber aus der Liegenschaften-Betreuung habe er sich zurückgezogen. Dafür sei er, wenn nötig, Seelsorger und Ombudsmann im Unternehmen. Und Gesprächspartner seines Sohnes, mit dem er ein sehr gutes Verhältnis pflege.

Die Firma Dreier AG hat ihren Hauptsitz mitten in Suhr. Dort ist Hans-Rudolf geboren, dort lebt er noch heute. Die Dreiers besitzen den gesamten Gebäudekomplex zwischen dem McDonald’s und der Bahnhofstrasse. Auch das markante historische Gebäude an der Bernstrasse Ost. Es ist 446 Jahre alt und wird in Begleitung des Denkmalschutzes renoviert.

Hans-Rudolf Dreier hat einen geregelten Tagesablauf. Tagwacht um 7.30 Uhr, dann zwanzig Minuten Heimgymnastik und Haushalt. Später geht er ein erstes Mal ins Büro nach Gränichen. Seine berufliche Karriere begann mit einer KV-Lehre. Dann folgten kürzere Anstellungen in Suhr, Aarau und Schöftland. Dazwischen Sprachaufenthalte am Genfersee und in London. Gerne wäre er nach Afrika, auf eine Firestone-Gummiplantage in in Monrovia (Liberia) gegangen. Doch seine Arbeitskraft wurde zu Hause gebraucht. Sein Vater Adolf, der Firmengründer im Jahr 1905, war bei einem Autounfall gestorben, als Hans-Rudolf zweijährig war.

Eine wichtige Rolle in der Karriere von Hans-Rudolf Dreier spielte der Aargauer Transport-Gewerbeverband (heute Astag), dessen Präsident er von 1958 bis 1985 war. Aus dem Kreis der Astag-Mitglieder entstanden die regionalen fünf Tranportgemeinschaften, deren Kipper-Lastwagen während des Baus der heutigen A1 (ehemals N1) zum Einsatz kamen. Die Firma Dreier war für die Koordination der Kipper-Lastwagen zuständig. Zeitweise waren bis 200 Kipper im Einsatz.

Hans-Rudolf Dreier hat zwar mit 19 das Lastwagen-Billett gemacht, doch er ist nur in Notfällen gefahren. Er war stets Manager. Nein, Unternehmer. Und als solcher hat er sich, wie das früher Usus war, auch ausserhalb der Firma engagiert. Beispielsweise im Sport: Der ehemalige Handballgoalie, seine Sportlerkollegen nennen ihn «Sherlock», war zehn Jahre lang Präsident der Handball-Sektion des TV Suhr. Oder in der Politik: Hans-Rudolf Dreier sass von 1972 bis 1980 für die FDP im Einwohnerrat und später war er Präsident der Steuerkommission Suhr.

Die Staus, die Probleme mit der Pünktlichkeit. Für Hans-Rudolf Dreier ist klar: «Die heutigen Chauffeure haben es schwer. Das Image ist angeschlagen.» Die Transportbranche sein nie leicht gewesen. «Ich habe manchen Rückschlag erlebt», erklärt Dreier. «Aber durch jeden Rückschlag sind wir stärker geworden.» Ausführlich berichtet der Unternehmer über den Ende der Siebzigerjahre erfolgten Einstieg ins Orientgeschäft, den Transport von 500 Lastwagenladungen Hangarteile von Diekirch (Luxemburg) nach Isfahan (Iran), und von den Problemen, die es gab, als der Schah gestürzt wurde und Chomeini an die Macht gekommen ist. 80 Lastwagen waren an den Grenzen blockiert. Nur mithilfe eines befreundeten Anwalts hätten sie ausgelöst und entschädigt werden können, so Dreier.

Das Unternehmen hat sich immer wieder neu erfunden

Die Firma Dreier ist 1953 ins internationale Geschäft eingestiegen. Mit einem Karton-Transport von Niedergösgen SO nach Varese (I). Auf der Rückfahrt transportierte man Fiat-Öl von Turin (I) nach Reinach. Allein die Fahrt von Suhr nach Brissago TI habe mit dem «Saurer 175 PS» von morgens um 3 Uhr bis abends 17.30 Uhr gedauert, erinnert sich Dreier. «Tremola lässt grüssen.» Als weiteren Höhepunkt nennt er die Röhrentransporte für die Transitgasleitung von Rheinfelden via Susten in den Sechzigerjahren.

Die Firma hat sich immer wieder neu erfunden: etwa als Marokko-Pionier (1972) oder beim Aufbau des Kombi-Verkehrs zwischen Aarau und Turin sowie zwischen Aarau und Köln.

Hans-Rudolf Dreier, der Vater von zwei Kindern und Grossvater von drei Enkeln, blickt aus Anlass seines 90. Geburtstages zurück auf ein strenges, aber erfülltes Unternehmer-Leben. Er sagt, es sei ein Privileg, dass es ihm noch so gut gehe. Und, dass er mit viel Engagement das habe erreichen können, was er sich gewünscht habe. Stets unterstützt von seiner Gemahlin Lilly, die ihm als starke Partnerin voll zur Seite gestanden sei. Sie starb vor zwölf Jahren an den Folgen von Krebs.