«Ich mache nur Dinge, die ich gerne mache»

Wieviele Sprachen beherrschen Sie?

Marco Eicher: Deutsch als Muttersprache, französisch mündlich und schriftlich fliessend, englisch fliessend und ein wenig italienisch.

Wären Sie gerne Diplomat geworden?

Das ist eine gute Frage. Meine Kollegen sagen immer, ich sei sehr diplomatisch. Im Geschäft allerdings heisst es manchmal, ich sollte etwas diplomatischer sein. Aber es ist sicher etwas, das mich in den frühen Jugendjahren interessiert hat.

Sie können das heute teilweise in der Freizeit ausleben. Ihr Amt im Inlinehockeyverband beinhaltet vor allem internationale Beziehungen?

Das ist so. Ich bin offiziell internationaler Vertreter und bin in diesem Bereich auch gut vernetzt. Ich lasse es aber offen, ob man beim internationalen Verband auch von Internationalität sprechen kann.

Weshalb?

Weil es ein kleiner Verband ist. Die Haupttreiber in diesem Verband sind nach wie vor die Schweiz und Deutschland.

Was sind Ihre Aufgaben im Verband?

Vorwiegend den Verband repräsentieren, aber auch die internationalen Beziehungen pflegen und zwischen dem internationalen und nationalen Verband vermitteln. Ausserdem laufen auch Anmeldungen der Teams für internationale Bewerbe über meinen Tisch.

Haben Sie auch mit der Nationalmannschaft zu tun?

Nein. Glücklicherweise haben wir eine sehr fähige Person, die das Amt des Beauftragten Nationalmannschaft ausübt.

Wieviel Zeit benötigt Ihr Engamenent im nationalen Verband?

Sagen wir es diplomatisch (lacht). Ich investiere weniger Zeit als nötig wäre. Die meiste Zeit geht ganz klar drauf, um Abklärungen zu machen, an Sitzungen teilzunehmen, aber auch zum Repräsentieren. Wie zum Beispiel vor ein paar Tagen an den Senioren-Schweizer-Meisterschaften, an denen ich den Pokal übergab und smalltalkte. Es gibt Stosszeiten, an denen du relativ viel Zeit investierst. Das können einmal zehn bis fünfzehn Stunden in der Woche sein. Aber in der Regel sind es etwa zwei Stunden in der Woche.

Sie waren bis 2015 zehn Jahre Präsident des IHC Rothrist. Wie würden Sie die Erfahrungen beschreiben, die Sie dabei gemacht haben?

Durchwegs positiv, weil es etwas war, das mir Spass gemacht hat. Dabei habe ich auch fürs Leben etwas profitieren können. Ich habe gelernt, was es heisst, Verantwortung gegenüber dem Verein, den Spielern, den Eltern und dem Verband zu übernehmen. Daraus konnte ich am meisten ziehen.

Weshalb kam es zum Wechsel auf die nationale Ebene?

Das war eher Zufall. Als ich nach zehn Jahren etwas amtsmüde war, traf ich drei Monate vor der Amtsübergabe in Rothrist den Verbandspräsidenten. Wir haben diskutiert und er sagte mir, es sei etwas frei im Vorstand. Er betonte, dass es schön wäre, wenn auch einmal jemand diese Region vertreten würde. Wir haben gleich Nägel mit Köpfen gemacht.

Sie müssen gerne ehrenamtlich tätig sein. Oder sind Sie in all diese Ämter aus Mangel an Alternativen reingerutscht?

Ich mache nur Dinge, die ich gerne mache. Ich weiss aber, dass das Ehrenamtliche nach wie vor auf vielen Ebenen ein Problem ist. Man hat immer mehr Möglichkeiten und immer weniger Zeit. Für mich ist es etwas, in dem ich mich verwirklichen kann und das mir Spass macht. Das Finanzielle spielt für mich diesbezüglich keine Rolle.

Sie sind im Verband ein Exot, weil Sie der einzige Deutschschweizer sind. Kriegen Sie das manchmal auch zu spüren?

Ja und nein. Mein grosser Vorteil ist, dass ich die französische Amtssprache fliessend spreche, dass ich gut mitdiskutieren kann, dass meine Meinung, die sich nicht immer deckt mit derjenigen meiner Verbandskollegen, akzeptiert wird. Es ist aber durchaus so, dass es, wenn es in fachspezifische Diskussionen geht, für mich auch mühsam werden kann. Und manchmal ist natürlich auch eine gewisse andere Mentalität vorhanden.

Wie äussert sich das?

Vielleicht muss ich zuerst sagen: Es gibt noch einen anderen Exoten im Verband, der kommt aus dem Tessin. So gesehen, sind alle drei Sprachregionen vertreten. Manchmal habe ich das Gefühl, bekannte Vorturteile bestätigen sich. Beim Welschen heisst es: Komme ich heute nicht, komme ich morgen. Der Deutschweizer ist ein bisschen strukturierter. Jedoch gibt es selbst bei den verschiedenen Gebieten im Welschland punktuelle Differenzen. Das ist halt die Spezialität der Schweiz: Wir haben verschiedene Sprachen und verschiedene Teilkulturen und doch funktioniert es sehr gut.

Weshalb wird der Inlinehockeysport vorwiegend in der Westschweiz und im Tessin ausgeübt?

Das ist historisch bedingt. Das sind die beiden Ursprungsgebiete vom Skaterhockey. Bei uns ist es weniger bekannt, weil wir mit Inlinehockey Schweiz noch einen anderen Verband haben, dessen Spiele auf dem Grossfeld ausgetragen werden. Dort sind viele Eishockeyspieler dabei, die das als Sommerhobby betrachten. Bei uns im Verband ist das viel kompakter mit einer siebenmonatigen Saison. Wenn ich aber wüsste, weshalb es in der Deutschweiz weniger Vereine gibt, würden wir es zu ändern versuchen.

Würden Sie es sich wünschen, dass es anders wäre?

Selbstverständlich. Es ist natürlich etwas, das im Verband oft diskutiert wird. Wo sind die Möglichkeiten? Weshalb sind gewisse Gebiete noch nicht erschlossen? Letztlich wird es genau das sein, dass man die Sportart einfach nicht kennt.

Und wie lange wird es dauern, bis einmal ein Deutschweizer Verein, etwa der heute in die Playoffs startende IHC Rothrist, Schweizer Meister wird?

Ich hoffe, noch ein paar Wochen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Inlinehockeysports in der Schweiz?

Ich muss ehrlich sein, in der Schweiz habe ich das Gefühl, dass der Höhepunkt vor fünf, sechs Jahren erreicht worden ist und der Sport jetzt wieder eine kleine Baisse erfährt. Man merkt das vor allem im Nachwuchsbereich. Zumindest ausserhalb des gemeinsamen Zofinger und Rothrister Nachwuchsprojekts Wiggertal United, denn dort läuft es sehr gut. In anderen Regionen gibt es Zusammenschlüsse im Juniorenbereich, weil es eigenständig nicht mehr reicht. Es gibt Klubs, die sind auf gewissen Juniorenstufen gar nicht mehr präsent. So dürften auch gewisse Vereine in naher Zukunft aus Spielermangel «sterben», weil sie bereits heute überaltert sind.

Sie haben lange in Zofingen gewohnt und jetzt wieder in Rothrist. Auf Stufe Nachwuchs gibt es, wie erwähnt, bereits eine Zusammenarbeit der beiden ortsansässigen Klubs. Müsste es diese auch bei den Aktiven geben?

In meiner aktuellen Position möchte ich die Frage nicht beantworten. Diese Frage wurde schon öfters behandelt, hat aber natürlich auch einen politischen Aspekt. Sportlich würde es unter Umständen sicher Sinn machen. Aber letztlich liegt es nicht mehr an mir, das zu bewerten.

Könnte eine Inlinehockey-Halle im Wiggertal zu einem Aufschwung beitragen?

Ich habe seit Jahren eine klare Meinung: Wenn in der Region Wiggertal oder explizit in Rothrist in den nächsten zwei bis vier Jahren keine Projektlösung gefunden wird, wird die Distanz zu den Vereinen, die eine Halle haben, immer grösser. Ausserdem wird es früher oder später – zumindest in der Nationalliga A – diesbezüglich ein Obligatorium geben.

Wieviele Inlinehockeyaner gibt es in der Schweiz überhaupt?

Es dürften momentan um die 2000 sein, also etwa das Zwei- bis Dreifache vom Rollhockey.

Wie sieht die Situation auf internationalem Parkett aus?

Gewisse Länder, die früher eine wichtige Rolle gespielt haben, haben stark abgebaut. Zum Beispiel in Grossbritannien, wo es einmal 15 000 lizenzierte Spieler gegeben hat, ist man heute noch bei einem Achtel oder Zehntel. Wenn man die Teilnehmerländer an zwei Händen abzählen kann, darf man dann überhaupt noch von einem internationalen Verband sprechen? Was schön und hoffentlich wegweisend ist, ist, dass wir dieses Jahr an den Generalversammlung den indischen Verband aufnehmen durften. Indien könnte auf seinem Kontinent der Türöffner für weitere Länder sein. Gleichzeitig macht es traurig, wenn man hört, dass beispielsweise ein holländischer Verband quasi nicht mehr existent ist.

Gibts noch andere aussereuropäische Länder, die Teil des internationalen Verbandes sind?

Zumindest auf dem Papier gehört auch Pakistan dazu.

An was liegt es, dass Inlinehockey nicht so populär wie der grosse Bruder Eishockey ist?

Inlinehockey mit Eishockey zu vergleichen, ist gewagt. Gerade in der Schweiz hat Eishockey einen sehr hohen Stellenwert. Die Strukturen sind seit Jahrzehnten vorhanden und man ist international hervorragend vernetzt. Man müsste uns eher mit Unihockey vergleichen, wobei auch dieser Vergleich hinkt. Das sind andere Parameter. Wieso Inlinehockey nicht populärer ist, hat mehrere Gründe. Einer der Hauptgründe ist aber sicher, dass das Angebot an Vereinen und Freizeitbeschäftigungsmöglichkeiten in den letzten 40 bis 50 Jahren enorm gestiegen ist.

Es gibt in der Schweiz Inlinehockey auf dem Grossfeld und auf dem Kleinfeld. Würde es helfen, wenn die beiden Ligen zusammenlegen würden?

Die Ziele der beiden Verbände divergieren nach wie vor. Ausserdem sind das zwei verschiedene Sportarten. Bereits das Spielgerät unterscheidet sich zwischen Puck und Ball. Für mich ist Kleinfeldhockey interessanter, weil körperlich intensiver und spannender.

Wie hat sich der Inlinehockey-Sport entwickelt?

Wenn man die Nationalliga A betrachtet, ist das Niveau in den letzten Jahren durchaus noch einmal gestiegen. Der Sport ist schneller, dynamischer, härter und kompakter geworden.

Neben dem Engagement beim Verband sind Sie noch als Schiedsrichter tätig. Welche Erfahrungen machen Sie dabei?

Erfahrungen wie man sie als Schiedsrichter überall im Sport macht. Am Schluss muss einer schuld sein und das ist meistens der Schiedsrichter. Aber der Verband hat in den letzten Jahren viel unternommen, um auch die Vereine ins Boot zu holen und sie zu integrieren. So hat der Respekt zugenommen. In den höheren Ligen, wo ausgebildete Trainer und Spieler das Reglement kennen, ist es wahrscheinlich einfacher, Schiedsrichter zu sein. Ich persönlich habe in all den Jahren, in denen ich pfeife, nur eine Handvoll Spiele gehabt, nach denen ich sagen musste: «Das ist nicht das, was ich in meiner Freizeit tun möchte.»

Körperlich wurde es aber nie?

Bei mir nicht, aber ich kann mich an Situationen erinnern, bei denen es Übergriffe gegeben hat. Das ist aber auch Jahre her und hatte zivil- und strafrechtliche Nachspiele. Die ganz primitiven Zeiten existieren schon lange nicht mehr.

Gibt es auch im Inlinehockeysport zu wenig Freiwillige im Bereich Schiedsrichter?

Wenn ich die Situation mit anderen Sportarten vergleiche, haben wir eine komfortable Ausgangslage.

Wenn ein Mädchen oder ein Junge mit Inlinehockey anfangen möchte, kommt nicht zuletzt die Frage nach den Kosten. Wie teuer ist eine Ausrüstung?

Wenn jemand mit Skaterhockey beginnen will, muss er für die komplette Ausrüstung zwischen 800 und 1000 Franken investieren. Bei Wiggertal United ist aber ein schöner Stock an Leihausrüstung verhanden. Man kann dort sehr kostengünstig die Ausrüstungsteile mieten.

 

Zur Person:

Marco Eicher ist 38 Jahre alt, wohnt nach einem mehrjährigen Abstecher nach Zofingen seit kurzem wieder in Rothrist, ist mit Karin verheiratet und hat zwei Töchter (5 und 3). Beruflich ist er als Analyst Risk bei einer Schweizer Bank tätig. Bis ins Jahr 2004 und bis in die NLB hat Marco Eicher beim IHC Rothrist Inlinehockey gespielt. Er war von 2005 bis 2015 Präsident des IHC Rothrist und gehört seither dem Zentralvorstand des nationalen Verbandes an. Zudem ist er seit 15 Jahren als Schiedsrichter tätig.