
Ihre Pension findet zum grossen Teil auf zwei Rädern statt
SERIE
In unserer Sommerserie «Pensionierte» stellen wir Luzernerinnen und Luzerner vor, die sich in der dritten Lebensphase befinden.
Das Velo rollt, die Gedanken fliegen. So bewegt sich Marianne Kneubühler durch viele Tage. Die Reiderin schwang sich ab ihrem 45. Altersjahr vermehrt in den Sattel. Seit ihrer Pensionierung hat die 67-Jährige noch mehr Zeit, aufs Velo zu steigen.
Kneubühler ist viel unterwegs: Sie radelt, wandert oder pflückt in der Saison Kirschen. Zu Hause zeigt sie bei einem Kaffee Handyfotos von ihrer Velotour in der Provence, die sie vor wenigen Wochen mit ihrem Ehemann absolviert hat. Er sei eigentlich der extremere Velofahrer, sagt sie zu Beginn des Gesprächs. Sie hingegen sei eine Schön-Wetter-Velofahrerin. «Unter 13 Grad Celsius fahre ich nicht», sagt Kneubühler. Während sie die Fotos auf dem Handy wegwischt, rutscht manchmal auch ein Foto ihres Enkelsohns ins Bild. Kneubühler ist engagierte Grossmutter und Geschäftsführerin des Vereins Parasolka, der mit einer ukrainischen Partnerorganisation und weiteren Verantwortlichen in der Ukraine verschiedene Projekte zugunsten der Menschen mit einer Beeinträchtigung umsetzt. Sie will sich eigentlich auch nicht nur als Velofahrerin sehen. Wichtig sind ihr auch die Mitmenschen, Nachbarn und der Freundeskreis. Gerne lädt sie zu einem feinen Essen und einem Glas Wein ein. Soziale Kontakte mit guten Gesprächen sind feste Bestandteile ihres Alltags.
Schulpflegerin und Grossrätin
Engagiert war Kneubühler schon früher: Sie übernahm in ihren Jugendjahren als Älteste von sechs Geschwistern viel Verantwortung. Später, nach ihrer Heirat, war die dreifache Mutter Familienfrau und engagierte sich politisch in der Schulpflege Richenthal, als Kirchmeierin und als Grossrätin (heisst nun Kantonsrätin). Ab 1985 war sie wieder teilweise berufstätig im Unternehmen des Bruders, ab 2003 bis zur Pensionierung bei der kantonalen Luzerner Pensionskasse. Auch heute ist sie noch politisch aktiv bei der CVP 60+ Wahlkreis Willisau.
Um «den Kopf zu lüften», geht sie deshalb aufs Velo. «Dadurch haben sich schon manche Probleme gelöst», sagt Kneubühler. Viel-Fahrerin wurde sie aber eigentlich wegen einer Knieverletzung. Sie wollte weiterhin sportlich sein, das Velo war ein passendes Vehikel dazu. Durch das Velofahren wurde sie auch zur Entdeckerin. Mit dem Velo sei man schnell weg, in der Natur, fern von Lärm und Verkehr. Oft waren sie und ihr Mann aber auch schon länger weg: 35 Tage waren sie damals unterwegs, als sie mit dem Velo bis an die Ostsee nach Rügen fuhren. Ein andermal: Richenthal bis Wien. Die rund 1100 Kilometer bewältigten sie in zehn Tagen. 2015 nahmen sie den Jakobsweg von Sevilla nach Santiago de Compostela unter die Speichen eines E-Bikes.
99, 399, 155, 4200
Seither haben Marianne Kneubühler und ihr Mann zusätzlich ein E-Bike. «Auch damit komme ich ins Schwitzen», sagt sie. So hat sie aber, vor allem bergauf, wieder Zeit, um zu geniessen. Diesem Genuss frönt sie nicht nur in der Ferne – die Region ist für sie genauso verlockend: ob am Sempachersee, im Baselland, an der Aare oder um den Napf auf der Herzroute. «In der Schweiz gibt es so viele verschiedene wunderschöne Landschaften», schwärmt sie.
Marianne Kneubühler spricht viel in Zahlen: 99, 399, 155, 4200. Die erste Nummer steht für die Herzroute von Lausanne bis Rorschach. Die zweite, dritte und vierte Zahl sind die Nummer, die Länge beziehungsweise Höhenmeter der Herzschlaufe Napf: von Willisau bis Langnau, von Langnau ins Entlebuch, und vom Entlebuch wieder bis Langnau. Kürzlich fuhr das Ehepaar die Tour in vier Tagen ab. «Mit einer Zusatzschlaufe über die Hügel des Emmentals», fügt Kneubühler hinzu. 270 Kilometer. 6400 Höhenmeter. 1 Mal Kopf lüften.