
«Insekten stehen fix auf dem Menüplan»
Konrad Begert ist einer der«Tätschmeister» hinter den Streetfood Festivals, die seit 2015 die Schweiz erobern. Die Firma Hannibal Events hat ihren Sitz in Aarburg – seinen Wurzeln bleibt Begert damit treu.
Konrad Begert, die Schweiz hat Sie zum Fressen gern. Ihre Marke, das Streetfood Festival, ist ein Mega-Hype.
Der Erfolg hat uns überrascht. Die Idee für ein Streetfood Festival kam im Februar 2015 an einer normalen Wochensitzung unserer Firma auf. Den allerersten Event führten wir in Olten an einem einzigen Tag, einem Samstag, durch. Schon am Mittag war der Platz mit unseren 45 Ständen rappelvoll. Da merkten wir: Das wird gross. Zwei Monate später waren wir bereits in Luzern, Bern und Basel.
Die Städte hatten Appetit auf Sie?
(lacht) Ehrlich gesagt war das wirklich lustig am Anfang. Schon die Bewilligungsbehörde in Olten sagte: «Ja, super, aber was ist denn dieses ‹Streetfood› überhaupt, was wollt ihr da eigentlich machen?» So ging es uns zu den Anfangszeiten überall. Immer hiess es von den Gemeinden: «Ihr könnt schon kommen. Aber was ist das überhaupt, was ihr da macht?»
Es gibt Nachahmer, aber das Streetfood Festival von Hannibal Events ist das Original. Es existiert überall in der Schweiz. Unterscheidet sich der Event ännet dem Rösti- und dem Pizzagraben von dem in der Deutschschweiz?
Der Charakter ist immer etwa derselbe. Zwar binden wir immer einen Grundstock von zehn bis zwanzig Ständen von lokalen Anbietern ein. Wir haben aber auch unseren Grundstock von extrem coolen und exklusiven Sachen, die sich bewährt haben. Dazu gehören beispielsweise der Sydney Grill mit Känguruh-Sandwiches oder der Deluxe-Hotdog mit Kobe-Beef und Kaviar, der uns schon viel PR in den Medien gebracht hat…
… und 250 Franken kostet. Eine Ausnahme natürlich, aber die Preise waren schon oft ein Thema. Auch wenn es Probierportionen für 7 Franken gibt, man muss viel Geld ausgeben, um satt zu werden.
Wenn man uns mit Convenience-Produkten aus der Fastfoodecke vergleicht, kann man das vielleicht sagen. Handkehrum muss man sehen, dass unsere Leute extremen Aufwand betreiben, um beispielsweise einen Stand mit Spezialitäten aus dem Elsass oder aus Berlin anzubieten. Und wir stellen die Infrastruktur immer für drei Tage zur Verfügung. Da ist der Initialaufwand extrem hoch. Kommt hinzu, dass sehr viel handmade und fresh ist. Für mich ist der Vergleich mit einem Restaurantbesuch ausschlaggebend. Esse ich dort Pizza, trinke etwas und nehme noch ein Dessert, dann sind wir vom Streetfood Festival absolut im Preis.
Als Organisatoren können Sie sich an den Ständen gratis sattessen. (lacht)
Nein. Wir drängen uns immer auf, dass wir zahlen wie alle anderen. Die Aussteller müssen uns ja auch Standmiete zahlen. Aber sicher entwickeln sich, wenn man Woche für Woche gemeinsam unterwegs ist, Freundschaften. Da nehmen wir auch mal ein Gratis-Glace. Gleichwohl ist unsere Philosophie eine andere, weshalb wir unseren Mitarbeitern am Fest immer etwas extra geben, damit sie ebenfalls an den Ständen essen können. Organisationsteam und Standbetreiber unterstützen sich gegenseitig.
Wie gehen Sie mit Trends um? Zum Beispiel mit dem Vegan-Boom?
Trends früh aufzunehmen ist für uns absolut zentral. Wir haben just an der letzten Wochensitzung besprochen, dass wir für nächstes Jahr sauber deklarieren wollen, wer was dabei hat. Wir haben heute schon drei vier Stände, die vegane Speisen anbieten. Wir haben auch glutenfreie Sachen. Das Dry-Aged-Fleisch, das ich persönlich so liebe, ist auch im Trend.
Wie sieht es mit Insektenfood aus?
Auf diesen Zug wollen wir natürlich aufspringen. Wir prüfen gerade, ob wir mit unserem Partner «Foodbags» bereits Ende September in Thun Insektenfood anbieten können. Vielleicht reicht es dann auch erst eine Woche später auf unser Beer&Burger-Festival in Zürich. Auf alle Fälle stehen Insekten fix auf dem Plan.
Gibt es Dinge, die Sie selber nicht probieren würden? Als Fleischesser vielleicht einfach alles Vegane?
(lacht) Ich meide eigentlich nur Stände, die Saucen oder so nicht selber machen. Industriell Gefertigtes passt nicht zum Streetfood-Gedanken. Das sagen wir unseren Leuten auch immer. Ich habe persönlich meinen Food-Fokus aber in den letzten Jahren stark erweitert und probiere noch viel mehr Sachen aus.
Was ausser Esswaren gibt es an einem «Streetfood» noch zu geniessen?
Wir definieren uns selber als «verbindendes Volksfest». Der Hauptfokus liegt klar beim Essen, aber da ist mehr. Wir haben immer einen Stand für Weinliebhaber und Bierdegustationen, aber auch das Coop-Kinderland für Familien, Erlebnisstände von Nokia, wo man gamen kann, Strassenkünstler und Musiker … so schaffen wir ein Gesamterlebnis. Was wir derzeit zudem diskutieren, ist, eine kleine Bühne für Thementage einzuführen.
Sie und Ihr Partner Rolf Arnet sind beide Aarburger. Aber: Passt so ein beschauliches Städtchen zu Ihrer stark und stetig wachsenden Firma?
Wir wachsen weiter, das stimmt schon. Wegzuziehen ist für uns aber kein Thema. Uns gefällt es hier, hier sind wir verankert. Ausserdem ist Aarburg verkehrstechnisch sehr gut gelegen. Ein Beispiel: Gestern hatte ich eine Sitzung in Zürich, morgen baue ich in Basel auf und am Wochenende bin ich dann im Tessin. Da ist ein zentraler Ausgangspunkt Gold wert.
Sie und Rolf Arnet sind immer persönlich mit dabei, wenn das StreetfoodFestival auf Tour ist. Klingt nach Wanderzirkus. Und zwei Zirkusdirektoren, die zum Rechten schauen.
Das hat schon etwas, denn wie erwähnt: Das «Streetfood» wächst zusammen, fast wie eine kleine Familie. Rolf Arnet und ich teilen uns die Daten aber auf. Wir haben beide Familie, und es ist für uns sehr zentral, dafür genügend Zeit zu finden. Deshalb ist es auch für uns kein Thema, rasant zu wachsen und nächstes Jahr 25 Streetfood Festivals zu machen oder so.
Mehr werden es 2018 aber sein?
Genau. Aber es kann auch gut sein, dass wieder einer wegfällt. Und welcher? (zögert) Momentan haben wir im Kanton Bern vier Events. Das ist zu viel. Wie wir es dann lösen, ob es in Bern nur noch eines statt zwei gibt oder in Biel oder Thun gar keines mehr – so weit sind wir nicht. In Biel war ich selber. Mir schien, dass es nur wenig Publikum hatte. Biel lief nur am Freitag sehr gut, ja. Samstag und Sonntag regnete es nur noch, was das Gesamtbild trist macht. Das Wetter ist für uns sehr wichtig. Für die Stände ist es nicht gut, wenn es zu heiss ist, aber es sollte auch nicht regnen. Was mich besonders beunruhigt, sind die Unwetter, die sich in meiner Wahrnehmung häufen. Wir drillen die Stände extrem drauf, dass alles gut gesichert ist.
Dieses Jahr organisierten Sie auch zum zweiten Mal das Gastronomische am Strandfest in Aarburg. Bleiben Sie dem Anlass weiter treu?
Wir sind einfach ein Partner des Nautischen Klubs, der das Fest organisiert, nicht die Veranstalter. Für mich war das Strandfest schon immer eine Herzensangelegenheit. Schon früher, als mein Grossvater noch Kassier bei den Nautikern war, ging ich gerne da hin. Für mich ist das ein sehr spezieller Anlass. Es bedeutet mir auch sehr viel, dass wir hier dabei sein können. Verglichen mit anderen Festen ist das jetzt nicht unsere lukrativste Einnahmequelle, aber in Sachen Herzensangelegenheit ist es sicher in den Top drei der Events. Wir arbeiten gerne in der Region. Letztes Jahr begleiteten wir das Nordwestschweizerische Schwingfest in Fulenbach und hatten dort auch eine ausverkaufte Arena. Das war ein speziell cooles Erlebnis für uns.
Den Appetit verdirbt Ihnen aber, dass ansässige Gastronomen Sie beschimpfen, Sie würden ihnen die Kundschaft wegnehmen.
Wir haben da sehr gemischte Erfahrungen gemacht. In den Innenstädten, auch in Aarau, ist es schon vorgekommen, dass wir zuerst nicht willkommen waren. Aber: In Olten klatschen alle drei Mal in die Hände, wenn wir kommen. Und auf dem Festperimeter haben wir sogar Beizen, die uns auf freiwilliger Basis noch einen Beitrag abgeben, weil sie sagen: «Hey, ihr füllt uns die Hütte drei Tage.» Auch in der Bar Rouge in Basel jubelt man auf, wenn wir kommen, weil die Leute, nachdem sie bei uns gegessen haben, jeweils noch in die Bar gehen, um dort zu feiern. In der Mehrheit der Fälle ist es so, dass wir nach dem ersten Mal, wenn noch Ängste vorhanden sind, jeweils sehr willkommen sind.
Wie erwähnt gibt es aber auch Nachahmer. Organisationen, die sich ebenfalls Streetfood Festival nennen, aber nicht das Original sind.
Es ist immer so, dass, wenn man mit einem Projekt Erfolg hat, es dann Nachahmer gibt. Die Leute, unsere «Fan-Base», wissen aber inzwischen, wo grosse und seriöse Festivals stattfinden und was eher lieblose Nachmache ist. Die Spreu hat sich ein bisschen vom Weizen getrennt. Was uns mehr Sorgen macht, ist, dass jedes Fussballtournierchen, das drei, vier Essensstände hat, diese gleich mit «Street Food» anschreibt. An und für sich hat das nämlich nichts mit dem zu tun, das wir machen.
Und könnte dem «Brand» schaden.
Genau, richtig. Aber wir haben uns schon ein Image aufgebaut, durch das die Leute wissen, dass sie bei uns die oberste Qualität an Streetfood erwartet. Auch nebst dem Essen. Zwei Beispiele: Es sind jede Stunde vier bis fünf Reinigungsleute unterwegs, die die Tische sauber halten und abräumen. Und wir haben komplett Mehrweg bei allen Bechern.
Und ein Anti-Food-Waste-Projekt …
Genau. Das haben wir auf diese Saison komplett aufgegleist, gemeinsam mit der Jungen Wirtschaftskammer Schweiz (JCI), deren Leute den Food nach dem Festival noch weitergeben, zum Beispiel an die «ChoschtBar» in Zofingen und die «Äss-Bar». Institutionen, die das nachher auch wirklich noch verwerten. Das ist extrem sinnvoll. Wir unterstützen sogar Nachahmer, indem wir ihnen die nötige Infrastruktur, Schürzen, Behälter et cetera gratis zur Vergütung stellen. Das ist eben auch eine Herzensangelegenheit. Rentieren tut das nicht.
Und warum ist das Ihnen so wichtig?
Weil das vorzeitige Wegwerfen von Nahrungsmitteln eine Unsitte unserer heutigen Zeit und Gesellschaft ist. Ich bin persönlich natürlich schon zwei, drei Mal an eine solche Situation geraten. Ich fand, dass wir da unbedingt etwas unternehmen müssen.
Haben Sie das Gefühl, es geht weiterhin steil bergauf mit dem Streetfood Festival. Kommen noch mehr Leute auf den Geschmack?
Ich glaube, der Trend bleibt auf dem Level, auf dem er jetzt ist. Auf der ganzen Tour mit den 14 Festivals haben wir 270000 bis 300000 Besucher. Von den Besucherzahlen her ist es nachher auch irgendwann nicht mehr realistisch, noch weiterzukommen. Das ist wie auf dem Heitern, oder? Irgendwann ist die Kapazität und Grösse erreicht. In den nächsten Jahren werden wir uns auf diesem Markt halten können, also, das wird weiterhin Bestand haben. Es gibt auch sehr viele Firmen, die Food Trucks über uns anfragen. Auch für unter der Woche oder ausserhalb von Grossevents. Ich denke, Streetfood wird künftig generell ein eigener Wirtschaftszweig sein in der Gastronomie. Es entsteht ein neuer, eigenständiger Gastrobranchenzweig.