Kaum jemand geht für Glarner ins Kino

«Es kamen keine Besucher», heisst es beim Kino Ideal in Aarau. Deshalb seien 5 oder 6 der 20 Vorstellungen von «Willkommen in der Schweiz» gar nicht gespielt und der Film nach zwei Wochen abgesetzt worden. Eine schlechte Bilanz für einen Dokumentarfilm, der beleuchtet, was sich im Herbst 2015 praktisch vor der Haustüre, in der Gemeinde Oberwil-Lieli, abgespielt hat. Die Zürcher Regisseurin Sabine Gisiger hat für ihren Dokumentarfilm SVP-Nationalrat Andreas Glarner, damals Gemeindeammann von Oberwil-Lieli, die damalige grüne Regierungsrätin Susanne Hochuli und Studentin Johanna Gündel von der IG-Solidarität mit der Kamera begleitet und die Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen in der Schweiz und vor allem in der Gemeinde Oberwil-Lieli thematisiert.

4382 Kinobesucher

Die Bilanz nach einem Monat zeigt: Die Thematik lockte Filmfreunde nicht in Massen in die Kinos. Frank Braun von der Neugass Kino AG sagt: «In Luzern im Bourbaki und in Zürich im Riffraff ist das Publikumsinteresse nach drei Wochen mit täglichen Vorstellungen sehr bescheiden.» Und auch im Aargau sind nicht nur die Kinobetreiber in Aarau nicht ganz zufrieden. Franziska Sterk Küng vom Kino Sterk in Baden sagt, der Film sei «eher mager» gelaufen. Die Besucherzahlen seien in der dritten Woche zu schlecht gewesen, als dass sie den Film hätten weiter spielen können. Ausserdem habe man Platz für den neuen Schweizer Film «Die letzte Pointe» von Regisseur Rolf Lyssy gebraucht.

Ein Blick auf die Besucherzahlen von Pro Cinema, dem schweizerischen Verband für Kino und Filmverleih, zeigt: Während der Film «Willkommen in der Schweiz» seit dem Filmstart am 19.  Oktober 4382 zahlende Besucher ins Kino lockte, kommt Lyssys Film nach knapp zehn Tagen auf 15  588 Kinobesucher.

Die Zahlen von Pro Cinema Schweiz zeigen aber auch, dass der Aargau mit 659 zahlenden Besuchern im Vergleich zu den Kantonen Bern (604  Besucher) und Luzern (352  Besucher) besser abschneidet. Am meisten Besucher hatte der Film, wenig überraschend, im bevölkerungsreichsten Kanton Zürich mit bisher 1928  Besuchern. Etwa die Hälfte der Kinobesucher im Aargau hat den Film in Baden gesehen, gefolgt von Aarau mit 197 Besuchern. Brugg, Reinach und Schöftland verzeichnen unter 100 Besucher.

Genug oft gesehen und gehört

Doch warum ist das Publikumsinteresse an Glarner und Co. eher gering? Rolf Häfeli vom Cinema 8 in Schöftland vermutet, dass die Thematik in den letzten Jahren zu einem Überdruss geführt habe und deshalb auf weniger Interesse gestossen sei. Franziska Sterk Küng führt das geringe Interesse auf das Zielpublikum zurück, «das wohl eher in den ländlichen Gemeinden wohnt als in der Kulturstadt Baden, die eher liberal oder links orientiert ist».

Kaja Eggenschwiler vom Filmverleih Filmcoopi in Zürich sagt, die Kinos im Aargau seien generell interessiert daran gewesen, den Film zu zeigen. Vor allem die Vorstellungen mit anschliessender Publikumsdiskussion hätten immer eine besonders hohe Nachfrage gehabt. «Wir schliessen daraus, dass generell Gesprächsbedarf zu dieser Thematik besteht – im Aargau genauso wie in anderen Kantonen.» (Noemi Lea Landolt/AZ)