«Kleinstadt Rebellion»: Das aufmüpfige Aarau zwischen zwei Buchdeckeln

«Als Person unter 30 habe ich keine Ahnung, was in der Vergangenheit in Aarau gelaufen ist», sagt der 27-jährige Roman Hostettler aus Aarau. Und das interessiert ihn. Im Buch «Kleinstadt Rebellion» mit dem Untertitel «Von Aarau aus die Welt verändern» wird er fündig, denn das 256 Seiten starke Werk, herausgegeben vom Infoportal Aargrau, bietet eine Chronik der Ereignisse, aber auch persönliche Erinnerungen an die letzten gut 50 Jahre.

Persönliche Wahrnehmungen von acht Personen

An der Buchpräsentation gestern im Jugendlokal Wenk liess Jakob, 35, Sozialpädagoge, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, diese Zeit in Bildern und Filmen Revue passieren. Jakob hat die Arbeiten am Buch koordiniert und eine Chronik der Ereignisse erstellt. Im Buch kommen acht Personen zu Wort, die im links-alternativen Milieu Aaraus gewirkt und dieses mitgeprägt haben. «Es erhebt keinen Anspruch auf Objektivität, die Texte sind vielmehr Ausdruck der persönlichen Wahrnehmung», betont Jakob.

Das Urgestein dieser Szene, und auch der älteste Zeuge, ist Wolfgang Bortlik. Eines seiner Werke ist der «Alpenzeiger», eine Alternativzeitung, die 189 Ausgaben zwischen 1974 und 1995 erlebte. Auch in der Musik hinterliess Bortlik seine Spuren. Unter den acht Zeitzeugen sind auch ein Mann, der heute als gutbürgerlicher Kommunikationstrainer sein Brot verdient oder eine Frau, die bei einer Gewerkschaft arbeitet und sich in der SP engagiert. Andere erinnern sich aus dem fernen Berlin oder sind noch immer musikalisch dem Punk verfallen oder engagiert, wenn es um subversive Kunst und Kultur geht. Die acht Beiträge, auf Interviews fussend und zwischen 20 und 30 Seiten lang, sind einschlägig illustriert, den Zeitzeugen zur Erinnerung, einem Nachgeborenen wie Roman Hostettler zur Information, geeignet, ihn staunen zu lassen.

Demos, Hausbesetzungen und nächtliche Tanzvergnügen

Die Aktivitäten einer aufmüpfigen Jugend erschöpfen sich nicht in der Forderung nach Freiräumen für Ideen abseits der Norm. Es gab Demonstrationen für bessere Flüchtlingsunterkünfte, gegen das Weltwirtschaftsforum und Rassismus, dazu Proteste, beispielsweise gegen die Saalbaueröffnung 1996, weiter verschiedene Vereinsgründungen, nächtliche Tanzvergnügen. Mediales Aufsehen erregten mehrere Hausbesetzungen oder die Störung einer Veranstaltung der erzkatholischen Piusbrüder. Aktivitäten im aargrauen Bereich.

Besonders hilfreich ist die Chronik am Ende des Buches. Einiges, wofür gekämpft werden musste, ist heute unbestritten, während anderes eine kurze Lebensdauer hatte. Ist darin ein Grund dafür zu sehen, dass eine alternative Jugendszene in Aarau aktuell etwas schläft? Jakob bedauert es, hofft aber auf neue junge rebellische Menschen, die sich in der beschaulichen Kleinstadt für eine bessere Welt einsetzen. Das Buch also weniger als Nachruf, sondern als Aufruf? «An Herausforderungen fehlt es nicht», sagt Jakob.

Interessierte können das Buch, Auflage 250 Exemplare, unter info@aargrau.ch bestellen. Unterschiedlich gestaltete Schutzumschläge machen die Bücher zu Unikaten. Roman Hostettler sichert sich vier Exemplare.