Knacknüsse fürs Aarauer Stadion: Crowdfunding-Gruppe schafft auch politische Probleme

von Urs Helbling — az Aargauer Zeitung

Am letzten Mittwoch begann die «meinstadion.ch»-Gruppe um Michael Hunziker mit dem Sammeln von Geld. Gestern waren 330 000 der anvisierten vier Millionen Franken zugesagt. Die Gruppe Hunziker hat nicht nur eine Sammelaktion angestossen, sondern beschert mit ihren Vorschlägen der Aarauer Politik, insbesondere dem Stadtrat, auch einige Knacknüsse. Daniel Siegenthaler, der Stadtpräsidenten-Kandidat der SP, findet etwa, wegen des 8-Millionen-Bankkredits sei eine weitere Volksabstimmung nötig.

Die Ausgangslage: Die Aarauer Stimmbürger haben im Februar 2008 insgesamt 17 Millionen Franken für die Schüssel (Stadion mit 10 000 Sitzplätzen) bewilligt. Unter der Voraussetzung, dass sich der Kanton (6 Mio.), die Ortsbürger (6 Mio.), die Generalunternehmerin HRS (5 Mio.) und Private (2 Mio.) mitbeteiligen. Das Stadion hätte 36 Millionen Franken gekostet.

Der Vorschlag: «meinstadion.ch»: Neu wird mit Investitionskosten von 50 Millionen Franken gerechnet. Der Kanton soll aus dem Swisslos-Fonds insgesamt 10 Mio. Fr. beisteuern, den höchsten Beitrag, den er je an eine Sportanlage bezahlt hat. Die Privaten (meinstadion.ch) erhöhen auf 4 Mio. Fr. Und die Stadion AG soll einen Bankkredit von 8 Mio. Fr. aufnehmen.

Die Schwierigkeit: Die Stadion AG ist eine 100-prozentige Tochter der Stadt. Faktisch würde sich gemäss dem «meinstadion.ch»-Vorschlag der Beitrag der Stadt von 17 auf 25 Mio. Fr. erhöhen – denn letztlich wird die Stadt für den Bankkredit der Stadion AG geradestehen müssen. Im schlimmsten Fall wird die Stadt für die Verzinsung der 8 Mio. Fr. aufkommen müssen. Also indirekt den Fussballbetrieb mit mehreren hunderttausend Franken jährlich subventionieren müssen (bei 5 Prozent wären es 400 000 Franken). Das Fussballgeschäft ist sehr unsicher. Auch der FCA musste schon grosse Krisen überstehen. Und beispielsweise aus Thun ist bekannt, dass es in Krisenzeiten sehr schnell zu Problemen zwischen dem Verein und dem Stadionbetreiber/-Besitzer kommen kann. Bereits in der Botschaft an den Einwohnerrat aus dem Jahr 2007 wird darauf hingewiesen, dass «das Stadion letztlich mit dem Schicksal des FCA verknüpft und in einem gewissen Ausmass von dessen wirtschaftlichem Erfolg abhängig ist».

Die grosse Frage: In der Abstimmungsvorlage 2008 ist von einem Bankkredit überhaupt nicht die Rede. Geschweige denn von den mit der Geldaufnahme verbundenen Risiken. Kann der Einsatz der Stadt faktisch um 50 Prozent erhöht werden (von 17 auf 25 Mio.), ohne dass das Volk dazu konsultiert wird? Selbst wenn der Stadtrat das bejahen sollte, bestünde die Gefahr, dass mittels irgendwelcher Beschwerden versucht würde, eine Abstimmung zu erzwingen – was zu einer Verzögerung führen dürfte. Die mangelnde Transparenz: Nach wie vor ist völlig unklar, wie die Generalunternehmerin HRS auf die Bausumme von Grössenordnung 50 Millionen Franken kommt. Ursprünglich war von pauschal 36 Mio. Fr. (inklusive Teuerung) die Rede.

Das Risiko HRS: Mit dem «meinstadion.ch»-Vorschlag wird der «Plan B» (die Querfinanzierung über drei Hochhäuser) faktisch beerdigt. Die HRS verliert damit einen Trumpf in ihrem Kampf für die Baubewilligung für die Gesamtüberbauung des Areals. Und es ist schleierhaft, wie sie ohne Hochhäuser die 5 Mio. Fr. finanzieren kann, die sie ans Stadion beisteuern soll (es sei denn, diese seien in den 50 Mio. Fr. bereits eingepreist). Bislang schweigt die HRS.

Das vorläufige Fazit: Der neue Stadtrat wird einige Probleme zu lösen haben. Sollten die «meinstadion.ch»-Initianten ihr Sammelziel erreichen, wird er das nicht nur unter grossem zeitlichem (Verfall der Baubewilligung), sondern politischem Druck tun müssen.

Übrigens: Im Fall des Kulturprojekts Alte Reithalle werden Private mindestens einen Fünftel an die Gesamtinvestitionssumme von 20 Mio. Fr. beisteuern. Würde gleiches beim Stadion passieren, wären 10 Mio. Fr. (statt 4) nötig – und damit aber auch praktisch alle Bankkredit-Probleme gelöst.