Kraft zu finden, das Kommende zu bestehen

Ich gebe zu, dass auch mich die Corona-Verordnungen treffen und mich in meinem Alltag einschränken. Unwillkürlich kommen negative Gedanken auf. Aber ich will nicht, dass sie meinen Alltag beherrschen. Ich will immer wieder positive und schöne Gefühle in Erinnerung rufen. Was hat mich früher froh gemacht und zum Lachen gebracht? Was haben die andern an mir geschätzt? 

Eine gute Nacht gehabt, den feinen Frühstückskaffee so richtig genossen, einen unerwarteten Telefonanruf erhalten, die Zeitung ausgiebig gelesen. Oder wieder einmal ein Gedicht gelesen. Ein Guetz­li (oder zwei) oder ein Stück Schokolade so richtig genossen. Ein Kompliment erhalten oder eines gemacht. Dankbarkeit ist eine Grundhaltung, eine Lebenseinstellung und es gibt so viel zu danken. 

Ich will mich erinnern an Orte und Ereignisse, die mir guttaten. Aber vor allem an Menschen, bei denen ich mich geborgen fühlte. Geborgenheit ist ein Gefühl, das ich wieder aktivieren kann. Bin ich bei mir selber geborgen, bin ich bei mir daheim? Käme ich gerne zu mir zu Besuch? Worüber möchte ich mich austauschen, was beschäftigt mich? 

Was tut mir heute gut und was brauche ich, um ein bisschen glücklich zu sein? Ein Hauch von Freude und eine Ahnung von Glück erleben. Am Morgen etwas länger schlafen vielleicht. Ein warmes Bad? Meinen Frühstückstisch am Abend schon decken, dass ich am Morgen das Gefühl habe, ich sei bei mir eingeladen. Und für den Besuch bei mir etwas Schönes anziehen. Am Abend ein Glas Wein vielleicht, und in Gedanken anstossen mit lieben Menschen. Und gute Erinnerungen pflegen. Dann den Tag in Zufriedenheit dem gelebten Leben zufügen. An sich selber denken ist nicht egoistisch. Und sich selber für einen Fortschritt belohnen, ist Motivation für einen nächsten guten Tag. Und sich immer wieder wohlwollend und aufmunternd in die Augen sehen. 

In der jetzigen Corona-Zeit sind Nähe und Zuwendung schwierig geworden. Aber telefonische oder gar briefliche Kontakte sind vielleicht noch möglich, um gesund zu bleiben an Leib und Seele. Und die Menschen in meiner nahen Umgebung mit liebenden Augen sehen und wahrnehmen, wie es ihnen geht. Und zuhören. Dieses Geschenk kann ich ihnen geben. Und Geben macht glücklich. 

Lia Wolf, Seniorengemeinschaft Dagmersellen