
Kranservice bei der Entsorgung Region Zofingen bei tropischen Temperaturen
Das Areal der Entsorgung Region Zofingen (erzo) scheint an diesem Sommermorgen verlassen zu sein. Der grosse Platz vor den sieben Abkippstellen, in dessen Mitte das Waaghaus steht, ist menschenleer. Nur die vor dem Tor wartenden Lastwagen erwecken den Eindruck, dass die Ruhe bald ein Ende finden wird. Punkt Viertel nach sieben öffnet Waagmeister Rainer – man ist hier per Du – die Tore und der Rummel beginnt: Im Fünf-Minuten-Takt befahren die Lastwagen die Waage, warten, bis Rainer die Nummer des Kontrollschildes sowie das Gewicht notiert hat, und kippen ihre tonnenschwere Ladung anschliessend in den Trichter der Abkippstelle 1. An dessen Ende befinden sich zwei grosse Schrauben – der Schredder. Mit seiner brachialen Kraft zerkleinert er Bundesordner mit gleicher Leichtigkeit wie alte Sofas und ausgediente Drainagerohre mit einem Durchmesser von zirka 40 Zentimetern.
Stündlich verbrennt die erzo 9 Tonnen Abfall
Im Kommandoraum der Kehrichtverbrennungsanlage ist wenig vom regen Treiben auf dem Vorplatz zu spüren. Die anfahrenden Lastwagen sieht Schichtleiter Philipp lediglich auf einem kleinen Monitor an der Wand. In aller Ruhe überwacht er die gesamte Anlage auf vier vor ihm stehenden Computer-Bildschirmen. «Die alte Anzeigetafel ist schon lange nicht mehr in Betrieb», sagt er und zeigt auf die Tafel mit der schematischen Darstellung der Anlage. «Heute werden sämtliche Abläufe auf den Bildschirmen gesteuert und überwacht.» Gar das lodernde Feuer im Ofen und die glühenden Teilchen im Drehrohrofen verfolgt der Schichtleiter an seinen Bildschirmen.
Neben ihm sitzt Alois. Von seinem grossen und mit Joysticks versehenen Stuhl blickt er konzentriert in den Bunker hinab. Ein 2000 Kubikmeter fassender Raum, in dem der angelieferte Kehricht bis zu seiner Verbrennung gelagert wird. «Ich muss eine gute Mischung hinkriegen», beschreibt der Kranführer seine Arbeit, währenddem er die soeben angelieferten Abfälle einer Papierproduktionsfirma über die schwarzen Abfallsäcke verteilt. Denn stimmt die Mischung nicht, behindere das den Verbrennungsvorgang. Zwar kann Schichtleiter Philipp die Verbrennung einer schlechten Mischung über den Computer mit der Zugabe von Luft unterstützen, aber «so kommen wir nicht auf die gewünschte Leistung von 33 Tonnen Dampf pro Stunde». Zur Sicherstellung dieser Leistung lagern im Bunker deshalb zirka 720 Tonnen Abfall. Als Vergleich: Die Renergia Zentralschweiz AG, die sämtlichen Abfall der Zentralschweiz verwertet, lagert in ihrem Bunker rund 4900 Tonnen Abfall.
Zähneputzen in der Staublandschaft
Nach dem Mittagessen und zeitgleich mit dem Schichtwechsel – in der erzo wird während 24 Stunden und auf drei Schichten verteilt gearbeitet – geht es für mich richtig los: Ruedi spannt mich beim Kranservice ein. «Diesen wirst du nie vergessen», kündigt er an und reicht mir einen weissen Overall, eine Staubmaske sowie eine Schutzbrille.
Unter dem Dach des 20 Meter hohen Bunkers angekommen, überraschen mich zuerst das vom Staub getrübte Licht und die tropischen Temperaturen. Es ist eine regelrechte Staublandschaft und der Schweiss läuft mir bereits nach wenigen Minuten unter der Schutzbrille durch und mitten in meine Augen. Den etwas strengen Geruch nehme ich vorerst und gegen meine Erwartungen gar nicht wahr. Erst das kurze Verschnaufen an der frischen Luft lässt mich erkennen, wie gut es eigentlich riechen kann.
Zentimeterdicke Staubschicht und nervige Magnete
An die speziellen Umstände gewöhnt, beginne ich unter Ruedis Anleitung mit dem «Putzen der Zähne». Mit einem Messer entferne ich an der Greifzange verfangene Kehrichtsäcke, weiss-rote Absperrbänder und Kartonschachteln. Die Zähne geputzt, greife ich zum Spachtel und kratze die zentimeterdicke Staubschicht ab, welche sich in den Zwischenräumen der Greifzange abgesetzt hat.
Immer wieder steht der Spachtel an Magneten an. Diese nervigen kleinen Dinger kleben regelrecht an der Greifzange und ich habe sie einzeln und je nach Stärke mit grossem Kraftaufwand zu entfernen. «Ein Detailhändler entsorgte mal vier Kubikmeter Magnete», nuschelt Ruedi hinter seiner Staubmaske hervor und relativiert damit meinen Unmut über die mühselige Arbeit.
Nach über einer Stunde und getanem Kranservice – alle Magnete sind entfernt und die Greifzange ist blitzeblank – streife ich den vom Staub mittlerweile braun gefärbten Overall ab und wische mir die Schweissperlen vom Gesicht. Damit endet mein erster Tag auf einer Kehrichtverbrennungsanlage.
Total erschöpft und überwältigt von der eindrücklichen Erfahrung entferne ich mich von dem noch immer anhaltenden Hochbetrieb; die Lastwagen befahren die Waage weiterhin im Fünf-Minuten-Takt und kippen den tonnenschweren Abfall nach wie vor in den Trichter der Abkippstelle 1.
Im Bewusstsein, welchen Strapazen sich die Mitarbeiter der erzo täglich stellen und was die Abfallentsorgung im Detail bedeutet, schmeisse ich die leere Müslipackung am nächsten Morgen sehr bedächtig in den Abfalleimer.
54 Mio. kWh Strom für das Stromnetz
Die Entsorgung Region Zofingen ist ein aus aargauischen und luzernischen Gemeinden bestehender Verband, der sich auf die Behandlung von Siedlungsabwässern aus Haltungen und Industrie (ARA), die Verbrennung und Entsorgung von Kehricht (KVA) und die Sammlung und Ablieferung von Kadavern (Kadaversammelstelle) konzentriert. Im Jahr 1973 gegründet, wurde die Anlage in den Jahren 1993 und 2015 einer Sanierung unterzogen. Um die Restenergie des Verbrennungsprozesses optimal nutzen zu können, installierte die erzo im Jahr 2005 eine Fernwärmeanlage, die 17 Mio. kWh produziert und die umliegenden Gewerbe- wie Privatliegenschaften mit Wärme versorgt. Gleichzeitig wird der erzeugte Dampf auf einer Turbine verstromt. Die erzo erzeugt jährlich rund 54 Mio. kWh Strom, welcher ins öffentliche Stromnetz eingespiesen wird.

