
Kunst in Aarau: «Das Forum Schlossplatz soll ein Zuhause werden»
Als kleiner Nachbar von Kunsthaus, Stadtmuseum und Naturama hat sich das Forum Schlossplatz gut etabliert. Zehn Jahre leitete es Nadine Schneider, Ende 2019 kam – neben vielen anderen in der Kulturlandschaft Aarau – auch hier der Wechsel und der Lockdown. Für die Kuratorin Lena Friedli war es ein Anfang mit Verzug.
Lena Friedli nimmt sich den Räumen des herrschaftlichen Hauses an, ein sperriger Schlüsselbund öffnet die vielen Türen. Sie liesse sie am liebsten offen stehen: «Das Forum Schlossplatz soll ein Zuhause werden.» Die kleinteiligen Räumlichkeiten eignen sich nur bedingt für klassische Ausstellungen, das stellte man schon zu Gründungszeiten vor rund 25 Jahren fest. Als Sitz der ersten Regierung der modernen Schweiz behält es auch nach dem Umbau zur Kulturinstitution einen behaglichen Wohnzimmer-Charakter, in dem durchaus beissende Fragen formuliert werden können.
Ankommen, einrichten, entdecken
Ihr Ankommen stellt Friedli unter das Motto «Home Stories»: Im Auftakt «Residenz Residenz» ergründen sechs Gäste durch ihre eigene künstlerische Praxis den Ort, teilweise ganz physisch mit performativen Interventionen. Die Herbstausstellung betastet unter dem Titel «my home is my castle» das ambivalente Verhältnis zum Privaten, zur Sicherheit und Durchlässigkeit des Heims. «Das Forum Schlossplatz hat eine heterogene Identität», sagt Lena Friedli, «es fordert mich heraus, diese Geschichten zu erzählen, weil es mehr als nur eine gibt.»
Noch vor dem Thema kennt sie das Format
Als «Forum» versteht sich das Haus als Ort der Begegnung zwischen Menschen, Positionen und Themen. Diese Öffnung und Demokratisierung streben wohl die meisten zeitgemässen Museen heute an. Man verändert die Architekturen zu Aufenthaltsorten, zu Räumen, in denen man auch zufällig auf Kunst stossen kann. Doch in der Realität findet so schnell nicht ein neues Publikum in die ehrwürdigen Hallen. Wieso soll es also ausgerechnet Friedli gelingen? Dazu gäbe es Schlagworte wie «auf Augenhöhe» kommunizieren und allerhand vager Vermittlungskonzepte. Doch die junge Kuratorin hat konkrete Ideen: Ein Fest oder ein Boule-Turnier auf dem Kiesplatz, eine Ausdehnung der Öffnungszeiten, damit die Marktbesucher am Samstag nach ihrem Einkauf durchs Tor finden.
Weniger noch über ihren Jahrgang als viel mehr über die Herangehensweise, steht Lena Friedli für eine neue Generation Kuratorinnen. Schuf ihre Vorgängerin Nadine Schneider reichhaltige Ausstellungskonzepte entlang der Themen, geht Friedli den umgekehrten Weg. Dem bekannten Ausspruch aus dem Design entgegengesetzt, folgt bei Friedli der Inhalt der Form: «Die Themen habe ich noch nicht festgelegt, aber ich weiss, welche Formate mir, dem Haus und dem Ort entsprechen.» Das aktuelle Programm erlaubt entlang aus sich selbst wachsender Raumaneignungen Einblicke ins wörtlich verstandene Kunstschaffen. «Mich fasziniert das Ereignis, der Prozess – den ich auch mit dem Publikum angehen will.»
Neuer Schwerpunkt liegt auf der Performance-Kunst
Die vormalige Leiterin Nadine Schneider schlug einen thematischen Bogen von der ersten Ausstellung zum Begriff «Staub» bis zur letzten zum Begriff «Fluss». Dazwischen setzte sie Marken mit kunst- und designspezifischen Betrachtungen von Schusswaffen oder richtete den Blick weit über den Kanton hinaus auf Länder wie Weissrussland und Eritrea. Solche kuratorischen Reisen wird es in Friedlis Programm nicht geben. Sie sagt: «Den Kopf in der Welt und die Füsse auf dem Boden. Ich will grosszügig denken, aber dem konkreten Programm einen Ortsbezug erlauben.»
Begegnete man zuvor Literatur, wird es bei Friedli eher Performance sein. Es ist eine persönliche Leidenschaft. So hat sie etwa 2019 das schweizweit beachtete Performance-Festival «Eile mit Weile – Zeit für Performance» mitkuratiert. Ein weiteres Herzensthema: «Mein Herz schlägt für zeitgenössische Kunst. Diesen Schwerpunkt, den das Forum Schlossplatz schon immer hatte, will ich weiter intensivieren.» Soll aus dem Forum also doch ein Kunsthaus werden? «Das wäre sinnlos! Aber das Forum kann den Kunstplatz Aarau/Aargau in Formaten und Schwerpunkten bereichern.» Die Ausstellungen der Aarauer Kunstsammlung in der Beletage führt sie weiter und erlaubt so einen Einblick in die Kunstsammlung der Stadt.
Netzwerke knüpfen
Intensiv lässt sich Friedli nun auf den Ort, das Haus, aber auch die Stadt ein. Diese Unvoreingenommenheit brachte sie auch ihrer kuratorischen Umgebung etwa in Emmenbrücke an der «akku» Kunstplattform entgegen, wo sie Ausstellungen mit Künstlerinnen wie Klaudia Schifferle oder Nils Nova organisierte. Oder in den jungen Projekträumen in Basel «Keck» und «Klingental». Nun kehrt sie nach Aarau zurück, in der Region ist sie aufgewachsen, die Kontakte schon da: «Die Wege sind kurz in Aarau. Hier bin ich nach einem Jahr so gut vernetzt wie in Emmenbrücke nach vier Jahren nicht.» So verkehrt mag das Bild der Wurzel in der Stadt nicht sein, folgt man Lena Friedlis Blick auf die schöne grosse Linde im Garten.