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Ruth Maria Obrist baut im Kunstraum Baden das Meer auf – das ist nicht nur idyllisch

Ruth Maria Obrist baut im Kunstraum Baden das Meer auf – das ist nicht nur idyllisch

Ruth Maria Obrist macht aus den Abgründen des Weltgeschehens sensible Bilder. Halt gibt ihr die Mathematik.

Anna Raymann

Die Videoinstallation «Meer/Teer» ist ein Gemeinschaftswerk von Ruth Maria Obrist und René Rötheli.

Vielleicht wäre aus Ruth Maria Obrist auch eine gute Archäologin geworden. Mit ihrer Kunst durchdringt sie die Oberfläche, untersucht Schicht für Schicht, was hinter ersten Eindrücken liegt. Die neuste Arbeit der 66-jährigen Künstlerin, eine collageartige Videoinstallation, nimmt dies gleich wörtlich auf. Meditativ braust darin die Meeresbrandung gegen das Ufer. Ein Idyll unter blauem Himmel?

Nicht so bei Obrist. Verlorene Ölreserven versunkener Schiffe und Plastikabfälle zieht die Künstlerin sinngemäss aus der Naturgewalt, macht aus ihnen Vorhänge, mit denen sie die hübsche Aussicht verhängt. Video ist für Ruth Maria Obrist ein neues Medium, die deduktive Arbeitsweise bleibt.

Eine Ausstellung zeigt die Breite ihres Schaffens

Am Wochenende eröffnet eine Ausstellung im Kunstraum Baden, die ihr Schaffen in grosser Breite auffächert. In der Ausstellung begegnen sich neue und ältere Arbeiten wie vertraute Bekannte. Zwischen ihnen liegen teilweise zwar über 20 Jahre, ihre Erzählung führen sie aber im Dialog fort.

Blick in die Ausstellung von Ruth Maria Obrist im Kunstraum Baden.

Bleiben wir doch nun noch eine Weile am Meer. Dort hängt ein Werk wie dichte Nebelschwaden über der See, daneben ein lichtes Netz, in dem sich scheinbar einige letzte Tropfen verfangen haben. So unterschiedlich die Wirkung, so ähnlich ist die Technik mit denen Obrist diese beiden Werke hergestellt hat. Beide Male nähte sie über Papier. Der Faden des Netzes ist aus Mikroplastik gesponnen, das Papier dazwischen hat sich im Wasserbad aufgelöst.

Sorgfältiges Handwerk und ausgefallene Materialien

Das Handwerk der Künstlerin ist ungemein präzis und offenbart in den Details eine beeindruckende Ausdauer. Das richtige Material für ihre Arbeit findet Obrist im Experiment. Die rostroten Tupfen, die einen Werkzyklus prägen, sind nicht aus sorgsam gemischter Gouache gemalt, sondern mit «Mercuchrom», einem jodhaltigem Wunddesinfektionsmittel, getropft. Passend dazu trägt die neunteilige Serie den Titel «Cure» − Heilung.

Die Künstlerin hantiert mit einem «Würfel mit abgestufter Ecke» aus der gleichnamigen Serie von 2010.

Wie eine Klammer schliessen sich Obrists bekannte geometrische Figuren um die Ausstellung. Ihre Präzision liegt in der Mathematik, ein Leitmotiv ist die Primzahl. Die Faszination dafür begann schon zu Schulzeiten, so Obrist: «Ich hätte wohl Mathematik studiert, wenn man mir als Mädchen davon nicht abgeraten hätte.» Würfel und Quader rotieren unter ihrer Hand leichtfüssig. Man denkt an optische Illusionen und ärgert sich, hat man einst im Unterricht nicht so gut aufgepasst, wie die Künstlerin. «Mathematik gibt Halt in einer unsteten Zeit. Ist ein mathematisches Gesetz festgelegt, stimmt es», sagt Obrist. Es ist ein tröstlicher Gedanke.

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